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Wie eine Lilie unter Dornen
ОглавлениеEin jeder kennt den Orakelspruch, den man beim Abzupfen der einzelnen Blütenblätter bei der Margerite und beim Gänseblümchen aufsagt: „Er liebt mich, liebt mich nicht. Er liebt mich, liebt mich nicht …“ Der Orakelspruch wird aber auch vielfach abgewandelt, so zum Beispiel: „Er liebt mich von Herzen, mit Schmerzen, ein wenig oder gar nicht …“ Nach und nach zupft man dem Gänseblümchen jedes einzelne Blütenblatt ab, bis aufs Letzte, bis man es dann weiß. Das genügsame Gänseblümchen, das Mondscheinblümchen, ist eine Blume, die der Jungfrau Maria zugeordnet ist – eine Marienblume. Und den Namen Marienblümchen trägt sie auch in Österreich. Es ist Sinnbild der Demut, der Reinheit und Bescheidenheit, auch Sinnbild für den Schutz, den die Gottesmutter gewährt. Das gelbe Blütenkörbchen in der Mitte der Blüte ist eine Zusammenballung von vielen kleinenb Blüten. Am Abend und bei schlechtem Wetter schließt sich die Blüte. „Die Hüllblätter beschützen die armen Seelen“, sagt man.
Die weiße Madonnenlilie fehlt auf keiner bildlich dargestellten Verkündigungsszene. Sie ist die wichtigste Marienblume. „Ich bin die Narzisse in Saron, die Lilie in den Tälern. Wie die Lilie unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Mädchen“, so heißt es in der Bibel im Hohelied. Und im Matthäusevangelium wird von der „Lilie auf dem Felde“ gesprochen.
Die weiße Lilie zierte die Säulenkapitelle in vielen antiken Zivilisationen, in Ägypten, Assyrien, in der minoischen Kultur und im Tempel Salomos in Jerusalem. Sie war ein Symbol der Schönheit, oft auch von Fruchtbarkeit und Reichtum. Unter christlichem Einfluss wurde sie zum Symbol für geistliche Reinheit, Heiligkeit und Auferstehung und deshalb als Mariensymbol häufig in der Nähe und Umgebung von Kirchen angepflanzt. Unter dem Namen „Marienlilie“, später „Madonnenlilie“, taucht sie dann oft auf alten Kirchengemälden auf, die Maria mit der Lilie in der Hand zeigen.
Ab dem 10. Jahrhundert wurde auch die Kartoffelrose Maria zugeschrieben. In Weiß – die Farbe der Unschuld und unbefleckten Empfängnis. Später kam Marias Anteil an der Passion hinzu: Symbolisch drückt das die Farbe Rot aus. In der blauen Kornblume lässt sich sogar eine Krone für die Himmelskönigin erkennen.
Die Kornblume wurde das Symbol Marias für ihre Treue und Beständigkeit. Die Blüten der Erdbeere verkörpern Marias Keuschheit. Warum Maria so viele Blumen zugeordnet sind, geht wohl auf die Geschichte ihres Todes zurück. Als die Apostel der Legende nach die Verstorbene, die bereits im Sarg lag, beerdigen wollten, war der Leib von Maria verschwunden. Es lagen nur noch wohlriechende Blumen dort.
Als Mariensymbole oder marianische Symbole bezeichnet man Sinnbilder, die sich auf die Person Maria beziehen. Zu den Mariensymbolen zählen viele Blumen, auch Tiere, Gestirne und Gegenstände, die dem Alten und Neuen Testament, den Apokryphen, den Schriften der Kirchenväter, der Lauretanischen Litanei sowie der geistlichen Dichtung oder den Visionen der Mystiker entlehnt sind und die in Bezug zur Jungfrau Maria stehen. Wird ein Ereignis, wie die Szene mit Moses vor dem brennenden Dornbusch, mit Maria gleichgesetzt, sprechen wir von einer Allegorie. Meistens werden Mariensymbole mit allegorischen Mariendarstellungen kombiniert. Der blühende Stab Aarons, das Vlies Gideons, die Porta clausa, das verschlossene Tor des Propheten Ezechiel, Tiere wie Phönix, Löwe, Schwalbe, Pelikan, Marienkäfer oder das Einhorn, und viele Pflanzen wie die Madonnenlilie, Akelei, Rose, Walderdbeere, Schlüsselblume und Maiglöckchen sind Symbole Mariens. Einfache Symbole, die früher anstelle der Gottesmutter wiedergegeben wurden, waren u. a. ein Brunnen, als Quell des Lebens, Sonne, Mond und Sterne.