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Der Baum Jesse

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Ein Baum, der mit der Erlösung zusammenhängt, kam in der mittelalterlichen Ikonographie zu großen Ehren. Man bildete ihn häufig in Manuskripten und auf Kirchenfenstern ab; dies geschah besonders vom 13. Jahrhundert an unter dem Einfluss der Zisterzienser, die eine besondere Verehrung für die Jungfrau Maria hegten. Der Baum Jesse hat seinen Ursprung im Alten Testament, im Buch Jesaja. Hier straft Gott einen Baum, der aber von neuem ergrünt; in diesem Fall handelt es sich allerdings nicht um einen heidnischen König, sondern um das Geschlecht Davids, dessen Begründer Isai (Jesse) ist. „Siehe der Herr, der Gott der Heerscharen, zerschlägt die Äste der Krone mit Schreckensgewalt, und die Hochgewachsenen sind gefällt, und die Hohen sinken nieder. Zusammengehauen wird das Dickicht des Waldes mit dem Eisen, und der Libanon fällt durch einen Herrlichen. Ein Reis wird hervorgehen aus dem Sumpf Jesses, und ein Schoß aus seinen Wurzeln Frucht tragen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Frucht des Herrn.“

Für die Christen konnte es keinen Zweifel geben: der Stamm Jesse war Maria, die von David abstammte, und das Reis war Christus. Der Baum Jesse wurde für sich zu einem ganzen Bündel von Symbolen der christlichen Mystik. Man brachte mit ihm natürlich die Vision Seths vom Lebensbaum in Verbindung, der in seinem Wipfel Jesus und seine Mutter trug. Die Jungfrau wurde zur „neuen Eva„ und Abel, der das Opfer seines Bruders wurde, wie auch Joseph, der Sohn Jakobs, von seinen Brüdern verkauft wurde, glich Jesus, dem Menschensohn, der von seinem Jünger Judas an seine Feinde ausgeliefert wurde. Der Baum versinnbildlichte auch die allgegenwärtige Kirche, die aus Jesu Opfer entstanden war, und selbstverständlich auch das Paradies. Ferner erinnerte er an die Jakobsleiter und an die feurige Leiter des Johannes, die Himmel und Erde verbindet. Die Ikonographie zeigte Jesse, den Patriarchen, wie er schlafend und träumend am Boden liegt, eine angezündete Lampe ist neben ihm aufgestellt. Aus seinem Nabel oder seinem Mund wuchs der Stamm hervor; auf den Ästen waren die Könige von Juda oder die Propheten abgebildet, die von Zeitalter zu Zeitalter das Kommen des „Sprosses aus dem Hause Davids“, des künftigen Messias, angekündigt hatten. Ganz zuoberst erschien wie eine riesige Blüte die Jungfrau Maria, die auf ihrem rechten Arm das göttliche Kind hielt und ihm mit der linken Hand eine Blume reichte.

Dieser exemplarische Baum liegt dem genealogischen Baum zugrunde, dem Bild des „Stammbaums“ mit seinen verschiedenen Verzweigungen, der im 19. Jahrhundert als „Baum der Evolution“ erscheint und aufzeigt, wie sich die Arten in verschiedene „Ableger“ aufspalten, als ob sie voneinander abstammten und eine einzige riesige Familie bildeten.

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