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Aus Marias Tränen entstand das Maiglöckchen, das Marienglöckchen

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Bei unseren Vorfahren ist das Maiglöckchen immer ein Glücks- und Liebessymbol gewesen, weshalb es auch in die Brautsträuße gesteckt wurde. In der Blumensprache drücken Maiglöckchen „innige Liebe“ aus. Das Grün der Blätter steht für Hoffnung, das Weiß der Blüten signalisiert Reinheit.

Eine Legende besagt, dass das Maiglöckchen dort entstanden ist, wo Maria neben dem Kreuz ihre Tränen vergoss, daher entstammen die Namen „Marientränen“ oder „Frauentränen“ und deshalb gehört es zu den „Marienblumen“ und ist christliches Symbol des Heils und der reinen Liebe.

„Lilium convallium“ hieß das Maiglöckchen ursprünglich in der Vulgata, der lateinischen Bibel: „Lilie der Täler“. Zur „Lilie des Waldes“ ist sie in Deutschland erkoren. „Marienglöckchen“, „Marienlilie“, Marienherz“, „Maililie“ und „Maienschelle“ heißt die „Meyblome“ auch bei uns. Letzterer war ihr erster deutscher Name im „Gart der gesundheit“ von 1485. Das Maiglöckchen oder Marienglöckchen ist eine gegen zahlreiche Leiden verwendete Heilpflanze und häufiges Attribut Christis und Marias (auf Verkündigungsdarstellungen) anstatt der Lilie, symbolisiert das „Heil der Welt“.

Wer Maiglöckchen am 1. Mai bei sich trägt, soll das ganze Jahr Glück haben – deshalb ist es heute noch in Frankreich Sitte, am „Maiglöckchentag“ (jour de muguet) auf allen Straßen Maiglöckchensträuße als Glücksbringer (porte- bonheur) zu verkaufen.

In der Duftmusik der Frühlingsblüher gibt das poetische Aroma der Maiglöckchen unbestreitbar den Ton an. Das unbeschreibliche Süße des Wohlgeruchs der „Marientränenblüten“ inspirierte die Dichter der Romantik zur Liebeslyrik. „Ihr Duft bricht das Eis des Winters und der Herzen“, meinte Heinrich Heine. „Schon das tiefe Einatmen ihres wunderbaren Heilduftes lindert die Atemnot, stärkt das alternde Herz und macht das Treppensteigen leichter“, beschreibt ein Kräuterkundler zu Beginn des 19. Jahrhunderts den wohltuenden Duft frisch erblühter Marienglöckchen- und wahrlich ist das Maiglöckchen ein „Herzmittel der Natur“. Wie Versuche mit depressiven Patienten zeigen, scheint der Maiglöckchenduft auch „Seelenarznei“ zu sein. Nach dem Einatmen der Blütendüfte bessert sich der seelische Zustand der Kranken: Maiglöckchenaroma als Heilmittel der Psychotherapie.

Der prächtige Duftjuwel ist nicht so empfindlich wie das wohlriechende Veilchen, hält es doch seine herzerfrischende Duftspende nicht zurück, wenn es gepflückt wird. Pflücken darf man einen Maiglöckchenstrauß im schattigen Buchenwald, wenn man das Glück hat, auf einem Maienspaziergang unter lichtem Buschwerk auf eine Kolonne blühender Marienglöckchen zu stoßen. Sie stehen nie einzeln, lieben die Gesellschaft, in der sie um die Wette duften. Übrigens, ein natürliches Maiglöckchenparfüm wird industriell nicht hergestellt. Das französische „Muget“ ist ein nach Maiglöckchen duftendes Extraktöl aus Freesia-Arten.

Die glockigen, nickenden, weißen Blüten stehen in lockerer, einseitswendiger Traube an kahlen Stängeln, die sich jeweils zwischen zwei Blättern entwickeln. Die Blüten sind ohne Nektar. Honigbienen und Hummeln, die sie besuchen, bieten sie nur Pollen.

Wenn Fremdbestäubung ausbleibt, genügt auch Selbstbestäubung für einen Fruchtansatz. Will man Maiglöckchen in einem Schattenbeet im Garten bewundern, muss man sich die Wurzelstöcke in einer Gärtnerei besorgen. Das Ausgraben der Waldpflanzen ist verboten. Im Schatten unter Bäumen und Sträuchern behaupten sich die Ausläufer des Maiglöckchens auch gegen starken Wurzeldruck. Günstig ist feuchte, humusreiche Erde, die – ihrem ursprünglichen Standort entsprechend – mit etwas saurem Laubkompost vermischt werden kann. Nach wenigen Jahren bilden sich blühende und duftende Gartenteppiche. Abweichend vom „Wald-Maiglöckchen“ (Convallaria majalis), gibt es mit der großblumigen „Grandiflora“ und der rosa tönenden „Rosen“ auch zwei hübsche Zuchtsorten.

Vorsicht! Die Duftperle ist in Kinderhänden gefährlich. Alle Teile der Pflanze enthalten hochgiftige Wirkstoffe. Die giftigen Inhaltsstoffe sind wasserlöslich und gehen in das Blumenvasenwasser über, in denen Maiglöckchen längere Zeit stehen. Tödliche Vergiftungen durch das Trinken des Blumenvasenwassers sind schon vorgekommen. Auch werden schwerste Vergiftungen durch den Genuss der scharlachroten Beeren oder durch das Kauen der Blütenstiele verursacht.

Infolge seiner Giftigkeit ist das Maiglöckchen als Teeheilpflanze nicht anzuwenden. Maiglöckchenpräparate sind nicht als Hausmittel verwendbar, sondern nur auf ärztliche Verordnung hin zu nehmen. Unsere Vorfahren kannten die starkwirkenden Herzgifte noch nicht. So wurden noch im 19. Jahrhundert Maiglöckchenblätter als Tee zur Körperentwässerung gebraucht. Die Bedeutung des Maiglöckchens in der Volksmedizin früherer Zeiten war so groß, dass man glaubte, jede Krankheit damit behandeln zu können. Da hört sich die Rezeptur des Engländers Gerard um 1830 schon originell an: „Man tue die Maiglöckchen in ein Glas und setze dies in einen Ameisenhügel, lasse es dort einen Monat lang, und wenn man es dann herausnimmt, wird man darin eine Flüssigkeit finden, die Schmerzen und Gicht beseitigt, wenn man sie äußerlich anwendet.“

Als Heilpflanze in der Hand des Arztes ist das Maiglöckchen in der Herztherapie heute nicht mehr wegzudenken. Die Herzglykoside haben eine ähnliche Wirkung wie die giftigen Inhaltsstoffes des Oleanders und des Roten Fingerhutes. Sie wirken herzmuskelstärkend, der Schlagrhythmus stabilisiert sich, die Auswurfleistung wird erhöht. Die „Pumpe“ arbeitet wieder mit gewohnter Leistung.

Früher glaubte man, dass, wenn man mit Maiglöckchen das Gesicht abreibt, die Sommersprossen verschwinden. Auf diesen Glauben beziehen sich die Anfangsverse des Gedichtes von Ludwig Uhland: „Mit dem Tau der Maiglöckchen wäscht die Jungfrau ihr Gesicht, badet sie in goldnen Locken.“

Als Schnupftabak noch Mode war, dienten die Stiele als Bestandteil des „Schneeberger Schnupftabaks“, der „das Gehirn reinigen sollte“. Früher war es für bedeutende Ärzte üblich, sich mit bestimmten medizinischen Symbole n portraitieren zu lassen; als Symbol für die Heilkunde fungierte oft das Maiglöckchen. So hat sich z. B. Nikolaus Kopernikus mit einem Maiglöckchen in der Hand abbilden lassen. Dieses Bild ist nur erklärlich, wenn man weiß, dass der so berühmte Astronom auch Medizin studierte und diesen Beruf bis zu seinem Tode in Frauenburg ausübte.

Darüber hinaus zählte das Maiglöckchen in der christlichen Ikonographie neben der Lilie, der Rose und anderen Pflanzen zu den sogenannten Marienblumen; mit seinen kleinen weißen, nickenden Blüten war es Symbol für die keusche Liebe, die Demut und Bescheidenheit von Maria. Deswegen erhielt das Maiglöckchen auch den Namen „Marienglöckchen“. Entsprechend ist das Maiglöckchen auf den Gemälden meist unauffällig und klein am unteren Bildrand dargestellt; ein typisches Beispiel dafür ist das bekannte Gemälde „Paradiesgärtlein“ von einem unbekannten Meister aus dem 15. Jahrhundert.

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