Читать книгу Ich und der Fisch, der Fisch und ich - Dorothea Doris Tangel - Страница 12
Tag 4
ОглавлениеIch kann wieder denken! Ich öffne die Fenster lasse Luft herein. Frische, wohlriechende Luft. Alle 5 Minuten denke ich artig daran eine Zigarette rauchen zu wollen, warte, weine, bemitleide mich arme Sau, mache weiter, fahre fort, ein Tag nach dem anderen. Ein Fuß vor den anderen!
Am ersten Tag rauchte ich 6, am 2.Tag eine und am dritten Tag keine mehr. Das erfüllt mich mit Stolz. Aber doch ist so schwer in mir, als daß ich gar nicht richtig triumphieren kann. Alle Alltags- Gewohnheiten bergen ungeahnte Gefahren. Ich muss mein Leben komplett umkrempeln. Das einzige was ohne Zigaretten funktioniert ist Schlafen und Zähneputzen. Ich will diese Angst und diesen Schmerz überwinden.
Was ist das nur, dieser Ur- Schmerz? Wieso flippe ich so aus? Was passiert denn schon großartiges? Wieso heule ich den ganzen Tag, als ob mir das Liebste gestorben wäre das ich jemals hatte?
Ich jammere, in mir drin und aus mir heraus. Nix macht mehr Spaß. Ich lache nicht mehr, ich klage allen nur noch mein Leid, meine Not, meine Dramen. Wann war ich das letzte Mal glücklich? Glücklich? Was ist das? Ich bilde mir ein, noch nie einen einzigen glücklichen Tag in meinem Leben erlebt zu haben!
Die Nacht setzte ich mich an meine Staffelei und male Farben. Helle pastellartige Farben, wie ich sie noch nie gemalt habe. Sonst haben meine Bilder schwere, satte und tiefe Farben. Es gibt heute auch keine Gegenstände, nur Gebilde die sich auflösen, in harmonische Schnörkel.
Es tut gut, den Pinsel über die Leinwand schweben zu lassen. Es ist als würde ein Stau in meinem Innern gelöst, einen Art Überelektrizität, wie bei einem Gewitter, wo ich auch die Spannung in der Atmosphäre körperlich spüre. Ich habe immer Gewitterkopfweh bevor die Blitze die Erleichterung bringen. Sobald es donnert ist der Druck im Kopf weg.
Ich finde das Bild schön...
Rosa und hellblau…
Ob das das Ende ist?
Bestimmt!
Alle letzten Bilder von berühmten Malern und Malerinnen sind hell, mit überwiegend weißen Stellen...
Der fünfte und sechste Tag (Das Jammertal)
Ich lebe noch, doch überall lauern Gefahren. Es gibt nichts, was ich vorher getan habe ohne eine Kippe in der Hand oder im Mund zu haben. Jede noch so kleine Handbewegung macht daß ich erst einmal reflexartig nach einer Zigarette greifen will. Das schaffe ich nie!
Ich entsorge heute erst einmal alle Aschenbecher. Säubere sie, wegen dem Geruch und verstecke sie, damit sie aus meinem Blickfeld verschwinden. Zwischendrin heule ich hemmungslos. Oh, wie ich mich dafür hasse. Brauche ich denn immer einen Schnuller im Mund? Wieso kann ich nicht normal sein???
Ist es so in meinen Genen angelegt? Kämpfe ich gegen Windmühlen? Bin ich nun mal so vorprogrammiert? Gibt es kein Entrinnen? Nur weil meine Ahnen, mein Vater und alle vor mir zu viel tranken, rauchten und sich betäubten, um das Leben auszuhalten, muss ich deshalb auch? Gibt es überhaupt einen Ausweg? Kann man dieses Verhalten, daß man mit dem ersten Atemzug schon unwiderruflich eingesogen hat je verändern? Hilft es überhaupt zu kämpfen?
Ist doch sowieso alles sinnlos und zum Scheitern verurteilt!
Meine Kunst kommt mir dieser Tage extrem belanglos vor. Sie ist so " Nichts". Was male ich da überhaupt? Was will ich sagen, was soll es ausdrücken? Und wen interessiert es überhaupt? Ich bin so überflüssig...
Ich dachte an die Musikerkollegen von früher, denen ich nach ca. 20 Jahren wieder begegnet war. Schon damals passte ich nicht hinein. Und jetzt? Ich war viel zu dick geworden, wie sie mir nach der langen Zeit auch alle schön lauthals bekundeten, dass es jeder im Lokal hören konnte anstatt erst einmal ordentlich Hallo zu sagen (Deppen!) und ich war immer noch so unsicher wie eh und je, konnte die hohen Töne nicht treffen, die mir früher auch schon schwergefallen waren und meine schwermütigen Lieder gingen ihnen immer noch auf die Nerven.
Einmal sagte ein Trommler zu mir, meine Texte würden ihn so runterziehen. "Schatten in der Nacht..." fragte er mich ganz gequält „was soll das denn bedeuten?“. Er hatte ja recht. Aber es hörte sich einfach gut an. Und heute wollten sie mich Mal mehr nicht ans Mikro lassen obwohl es eine öffentliche Session war.
Ich hasse meine Unselbstständigkeit. Immer bin ich von irgendetwas oder von irgendwem abhängig. Ist das so im Leben? Wehre mich dagegen obwohl Widerstand zwecklos ist? Muss man autonom, ganz alleine, immer und alles und unbedingt? Vielleicht ist das der Grund warum es keiner mit mir aushält, weil ich ein völlig falsches Bild von Abhängigkeit habe...
Muss ja ein enormer Stress sein, mit mir zusammen zu sein. Vielleicht bin ich deshalb so isoliert? Warum ist es mir so wichtig was andere von mir denken, oder ob sie mich mögen?
Bei der Vorstellung, die Musiker- Kollegen von damals würden sehen was ich male, verging mir heute alles. Ich sehnte mich nach der Zeit zurück, als ich mir die Birne zugeknallt habe und wie alle, einfach nur stoned, high, bekifft, bekokst, besoffen und sooo normal war.
Aber, der Kampf geht weiter. 5 Minuten. Nur für 5 Minuten. Nicht aufregen, nur nicht aufgeben und nicht lockerlassen!
Aber mich zurücksehnen, nach dieser Zeit von damals tu ich nicht wirklich. Speziell diese Leute, denen ich heute wieder begegnet war haben mir noch nie gut getan, bis auf sehr wenige Ausnahmen. Mich haben die Drogen verrückt gemacht. In Wahrheit habe ich weder Alkohol noch alle die anderen Substanzen vertragen.
Meine größte Angst war einmal: was, wenn ich jetzt sterbe und vor meinen Schöpfer treten muss? Ich wusste ich könnte ihm nicht einmal in die Augen sehen, so sehr schämte ich mich. Nein, ich wollte unbedingt nüchtern sterben. Mich plagten wegen meiner Sucht und wegen dem ewigen „zu“ sein ewig Schuldgefühle, auch Gott gegenüber.
Der zehnte Tag 25. märz 2007 Sonntag
Halte durch, keine zu rauchen. Aber mein Gemüt läuft Amok. War es immer so wenn ich mir etwas abgewöhnt habe? Kann mich erinnern, daß ich einmal mehrere Tage in einem Abstellraum, zusammengekrümmt auf einer zerbeulten 2-Sitzer Couch zugebracht hatte, auf der man nur angewinkelt liegen konnte. Ich wollte nicht in meiner gewohnten Umgebung bleiben, bis das Schlimmste überstanden war. Das war mir zu bedrohlich.
An das Gefühl der ersten Tage ohne Stoff, kann ich mich gut erinnern. Da kann einem keiner wirklich helfen. Ich wüsste jedenfalls nicht wie? Man kann ja nicht ins Gehirn hineingreifen und einmal umdrehen. Da gibt es tatsächlich nur eins, wenn man von einer Sucht loskommen will, da muss man durch, dass muss man irgendwie aushalten, egal wie schwer es ist und in so einem Moment will man das ja auch.
Hat man einmal die Entscheidung getroffen, etwas zu verändern und hundert Anläufe gemacht, kommt eines Tages der Punkt, an dem man keine Lust auf mehr „Mätzchen“ hat. Das ewige An und Aus macht einen ja mürbe! Man will endlich Resultate und man ist es müde, immer denselben Film der Enttäuschung über sich selbst zu erleben!
Diese Gefühle zu überwinden und mit diesen haltlosen Gedanken des Verlangens fertigzuwerden kann einem keiner abnehmen. Vielleicht wäre es leichter wenn ich nicht so alleine wäre? Oder wäre es schlimmer? Wenn ich doch nur Mal mit Jemandem reden könnte…
Prompt ruft eine liebe Freundin an dass sie gleich vorbeikommt, damit ich ihre Gardine nähe. Gut. Genau im richtigen Moment. Danke da oben dass ihr mich hört.
Es dauerte dann aber doch bis sie kommt, weil sie noch etwas zu tun hatte, ich aber nichts davon weiß und ich dachte schon sie hätte mich glatt vergessen. Ich rotiere zwischen Panik und Erschöpfung. Soll ich mich wieder ins Bett legen und versuchen zu schlafen, bis mir schlecht wird, oder wird es jeden Moment klingeln? Ich kann mich nicht auf Arbeit konzentrieren. Ich dürste nach menschlicher Wärme. 11 Tage schon habe ich keinen mehr gesehen.
Aber sie kommt dann doch noch und schleppt mich mit, eine Bekannte besuchen, bei der sie etwas abgeben muss. Es ist so ungewohnt unter Leute zu gehen daß ich mich ganz nackt fühle. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und gehe wie auf weichgekochten Eiern, weiß nicht ob man mir das Drama ansieht. Ich kann Niemandem erzählen, was gerade bei mir abgeht. Will sicher sein daß ich etwas erreicht habe bevor ich mein Maul zu weit aufreiße. Was, wenn ich scheitere? Will erst wieder Land unter den Füßen haben.
Ich soll mir Zeit lassen mit den Näharbeiten und als sie mich nach Hause fährt bringe ich allen Mut auf und pumpe sie um 20 Euro an. Ich habe nichts mehr zu essen im Haus und bis zum 1. oder 3., falls es ein Wochenende ist sind es noch 5 Tage. Es fällt mir unheimlich schwer zu fragen und fast hätte ich es nicht geschafft. Aber vor meiner Haustür ist mir klar, ich muss etwas sagen. Sie kann ja immer noch ablehnen, aber wenn ich es nicht tue, habe ich es nicht einmal versucht, wie so oft in meinem Leben, ich Feigling. Sie ist locker und es scheint ihr nichts auszumachen. Sie meint, es ist O.K., wegen der Näharbeit. Da schäme ich mich dann doch sehr.
Aber ich weiß mir nicht anders zu helfen. Das ist ja einer der Gründe warum ich unbedingt aufhören will zu rauchen: die ewige Geldnot. Wenn meine Freundin nicht gekommen wäre, ich weiß gar nicht was ich gemacht hätte. Hatte kein Brot mehr, noch nicht einmal mehr Klopapier, aber noch eine Küchenrolle und nur nackte Spagettis und ich kann nicht zu einer Freundin fahren, um mir etwas zu leihen weil alle rauchen und das Geld für die Bahn auch nicht vorhanden ist.
Habe auch kein Katzenfutter mehr, nur noch Trockenfutter und will das meinem Kater nicht antun. Ich musste, ich wollte mich doch um ihn kümmern und ich will es gut machen, er soll doch glücklich sein, nachdem was er alles durchgemacht hatte bevor er zu mir kam. Man wollte ihn in ein Tierheim geben und dort wäre er vielleicht eingeschläfert worden weil er nur noch um sich schlug.
Aber er muss nicht hungern. Obwohl ich vieles nicht auf die Reihe kriege und sogar einige Male ohne Wohnung dagestanden habe, für ihn habe ich immer Futter auftreiben können, obwohl ich damals, als ich gerade die Drogen aus meinem Leben verabschiedet hatte nicht sicher war ob ich das hinkriegen würde mich um ein Tier zu kümmern. Aber die Pflanze ist nicht eingegangen!
Ich habe ihn damals aufgenommen, als keiner mehr mit ihm klarkam, damit er frei sein konnte. Er war bis dahin nur in Wohnungen eingeschlossen gewesen und ich kann „eingesperrte“ Tiere nun Mal nicht leiden. Ist so unnatürlich, auch im Zoo.
Ich spüre immer ihre Verzweiflung und meine dass viele Tiere dort deshalb ihre Jungen nach der Geburt umbringen, weil sie ihnen ein Leben in Gefangenschaft, ohne Aussicht auf Selbstbestimmung nicht zumuten wollen. Auch Tiere wollen selbst entscheiden! Tiere haben „natürlicherweise“ einen so großen Lebensraum dass sie den ganzen Tag auf der Pirsch unterwegs sein können und müssen bei uns dann ein Dasein in einem Raum so groß wie ein Badezimmer fristen. Wie würde es uns gehen, wenn wir uns ein ganzes Leben in einem schmucklos gekachelten Raum aufhalten müssten, der gerade zum einmal umdrehen reicht und uns den ganzen Tag von unseren Fressfeinden angaffen lassen?
Zudem werden ihnen auch noch ständig ihre Jungen weggenommen, wenn sie endlich mal eine Aufgabe und eine Familie haben. Sie haben ja den ganzen Tag absolut nichts Wichtiges zu tun und Scheinaktionen, machen auch unsre Arbeitslosen verrückt, wenn Ämter meinen sie beschäftigen zu müssen indem sie sie in einen leeren Supermarkt zum Einkaufen schicken, um leere Packungen in den Warenkorb zu legen, um…, ja was eigentlich?
Viele unserer Zootiere sind schon richtig verrückt und ich frage mich, warum das so viele, die ihr Geld mit „Tierbenutzen wie Dinge verdienen“ nicht merken. Aber wenn sie es merken würden, würden sie auch keine Tiere kaufen und verkaufen und den ganzen Tag wie Idioten behandeln und würden in jeder Stadt nur 3-5 Sorten Tiere halten, die einen so großen Auslauf haben dass sie nicht depressiv werden müssen und sich auch mal von uns oder ihren Artgenossen zurückziehen können.
In Stuttgart gehen sie morgens mit einer Herde Elefanten auf einen Berg am Rand der Stadt und die Tiere sind seitdem wieder ausgeglichener. Ein ganz schreckliches und depressives Wort ist Hospitalismus! Auch in unseren Wäldern könnten schon längst ein paar Kühe und Pferde leben, wenn Leute nicht glaubten, nur weil sie sie teuer eingekauft haben seien sie ihr Eigentum. Mir tun diese Tiere leid und ich frage mich warum in letzter Zeit so viele „Haus-Tiere“ ausbüxen und par tout nicht mehr zurückwollen? Ob sie auch ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmtheit wollen, wie wir Menschen auf diesem Planeten, die wir uns weltweit gegen Unterdrückung, Willkürherrschaft und Ausbeutung auflehnen, wie auf dem Tahrirplatz in Kairo und dem Maidan in der Ukraine?
Ist so sinnlos und wäre mit einfachsten Mitteln zu bewerkstelligen, aber da gibt es immer diese Leute denen es nur um „ihre“ Macht geht und sie denken wir seien ihre Untertanen und ihr Besitz. Alles Mist, alles Idioten! Könnt´ isch misch grad drübber uffreesche. Eschd!
Mein Katerlè, der mittlerweile der zärtlichste Kater der Welt geworden ist, nachdem er gemerkt hat dass er bei mir ein und ausgehen kann wie es ihm beliebt und dass ihm hier keiner wehtut, auch wenn er mir ein halbes Jahr mit seinen 10- Meter- Krallen, die ich ihm am Anfang nicht scheiden durfte die Haut von der Hand gerissen hatte wenn ich ihn mal streicheln wollte, schleppt mir oft nachts eine Maus ins Haus, bis vor mein Bett und hat letztens sogar eine vor meinen Augen verschlungen, Schreck.
Einmal legte er sogar eine, ganz freudig auf mein Kopfkissen weil ich nicht wach wurde und er mir etwas Gutes tun wollte und hoffte dass ich seinen Erfolg bewundern würde. Er wollte mich überraschen! Die Maus lebte aber noch und hüpfte auf mir herum, während ich einen lauten Schrei ausstieß. Katerlè fand das ganz toll und meinte ich rufe: Maus, Maus, wer kriegt sie zuerst? Das Spiel gefiel ihm, endlich war mal was los. Die Maus flüchtete unter den Küchenschrank und weg war sie.
Aber all das darf er, auch wenn es mich schüttelt, denn ich will nicht dass ihm etwas fehlt. Ich habe ihn einmal draußen beobachtet als er vor einem Mauseloch lauerte. Ich wollte ihn hochheben und ihn mit in die Wohnung nehmen, aber er war nicht zu bewegen. Jeder Muskel in seinem kleinen Körper war so angespannt wie Eisen und ich begriff dass das jetzt das Wichtigste und das Interessanteste auf Erden für ihn ist. Das ist seine Welt, die Jagd. Er geht nach getaner Arbeit dann immer mit senkrecht erhobenem Schwanz durch die Gegend, sowie: schaut her, ich bin der Größte. Ich habe es geschafft! Ich, ganz alleine!
Wenn ich bedenke wie gestört, verängstigt, misstrauisch und wütend er die ersten Monate gewesen war, und wie er bei jeder noch so harmlosen Hand- oder Fußbewegung entsetzt panikartig die Flucht ergriffen hat, kann ich mich natürlich über seinen Stolz nur freuen. Das ist die Welt eines Tieres, die frische Luft, die Natur, in der Erde wühlen zu können und selbst frische Nahrung zu sammeln oder zu jagen, je nach dem ob Raubtier oder Pflanzenfresser und was auch elementar wichtig ist, sind natürlich die Kontakte und Begegnungen mit anderen Tieren, egal ob Freund oder Feind. Auch sie wollen sich ihre Freunde selbst aussuchen und wenn sie einen nicht leiden können, ziehen sie weiter in ein anderes Revier! Was sie bei uns aber nicht können.
Manche Papageien müssen mit einem Idioten von Trottel, den sie zum Tod nicht mögen ein Leben lang mit ihm in einem engen Käfig verbringen, weil Frauchen das so schön findet, dass er jetzt nicht mehr so alleine ist. Was für eine Folter! Sie dürfen noch nicht einmal mehr fliegen, obwohl es das ist was einen Vogel überhaupt erst ausmacht. Gerade Papageien leben in riesigen Verbänden, wie in einer Großstadt und müssen hier, einsam und allein durch Gitterstäbe der Welt da draußen zu sehen, wo es keinen einzigen Freund gibt. Man kann auch Papageien halten und sie tagsüber draußen fliegen lassen, sie kehren abends wieder zurück, wie Katzen, wenn sie Hunger haben oder wenn sie uns mögen. Ich habe mich immer gerne mit freilebenden Tieren angefreundet, wenn es solche waren die mich nicht verspeisen wollen soweit das in der Stadt möglich ist, wie Amseln, Sperlinge oder Tauben. Ihnen ihre Freiheit zu nehmen finde ich unerträglich!
Ich will mich ja auch mit Dingen beschäftigen die mich ausmachen und die mich interessieren, wie das Malen, Schreiben und Singen. Da lässt mich mein Kater ja auch machen und legt sich sogar oft neben mich wenn er vom draußen Herumstromern genug hat und seinen Mittagsschlaf hält. Nur die Gitarre mag er nicht so, weil ihm die Töne irgendwie im Ohr zu kratzen scheinen. Aber doch bleibt er treu an meiner Seite liegen und versucht es auszuhalten wenn ich singe, obwohl ihm die Stahlsaiten des Instruments sichtbar den Nerv töten. Ich habe mich oft gefragt warum bleibt er, obwohl er es hasst? Er kann ja hingehen wo er will und ich habe ihm in jedem Raum Plätze gemacht, auch im Treppenhaus, mit weichen alten Decken, wenn er mir signalisiert hat dass er dort gerne liegt, weil es nicht zu zugig ist. Vielleicht denkt er: sie weint wieder, da will ich sie nicht alleine lassen! Mein bestes Stückchen!
Wenn ich telefoniere schaut er mich manchmal so mitleidig an und ich kann sehen dass es in ihm arbeitet was ich da wohl wieder Seltsames tue und ich hatte einmal das Bild dass er einer Verrückte zusieht die mit sich selber redet, laut lacht und dann wieder bewegungslos verharrt und ein Loch in die Luft starrt, an einer ganz speziellen Stelle, wo aber nix ist. Er begreift ja nicht dass das ein Telefon ist, er sieht nur mich und hört irgendein schnarrendes Geräusch das aus dem kleinen Kasten kommt.
Die Mäuse frisst er nicht weil er bei mir zu wenig zu essen bekommt (!!!), sondern weil Raubkatzen nun einmal frisches Blut brauchen, wie ich einmal herausgefunden habe. Sie haben einen ganz anderen Magen als wir Menschen. Außerdem wird er immer selbstständiger und will uns beide versorgen, wie ich es ja auch tue. Wenn ich vom Einkaufen komme, folgt er mir immer freudig ins Haus und denkt, ich war auf der Jagd und bringe Beute mit heim, denn danach gibt es immer etwas zu essen.
Manchmal leben die Mäuse noch, die er mir so begeistert vor die Füße legt und dabei ein Lob für seinen erfolgreichen Jagdeinsatz ergattern möchte, während ich nur einen spitzen Schrei ausstoße. Aber ich lernte bald schnell zuzupacken, bevor die Maus unterm Bett verschwinden kann, um mir nächtelang den Schlaf zu rauben. Sie graben sich ja durch alles durch und das laut und immer dann wenn man gerade so schön eingeschlafen ist, wo ich so entsetzliche Schlafstörungen habe. Ich habe nun eine saubergemachte Plastikschale von der Margarine neben meinem Bett stehen, mit Deckel, die ich sonst für Essensreste benutze (wer braucht schon Tupperware?) und muss sie nur schnell über die Maus stülpen, bevor sie aus ihrer Ohnmacht erwacht und abhaut.
Wenn ich Glück habe, gehen sie in die Lebendfallen, die ich in der Küche aufgestellt habe, wo sie manchmal unter dem Schrank hervor schießen wenn mir beim Essenzubereiten ein Krümel herunterfällt. Sie warten da schon und wenn sie mich kommen hören, beobachten sie meine Gewohnheiten und wissen genau wann es essen gibt.
Mir fällt es an dem Tag auf, als mir etwas herunterfällt und ich schnell die Karotte noch zu Ende schneide und dann das, was auf den Boden gefallen war aufheben will. Es ist weg und ich sehe noch, wie in der Ecke etwas davon huscht, mit etwas Rotem in den kleinen Händen. Ich kann ihnen nicht böse sein. Wenn ich sie kriege, trage ich sie hinunter in den dunklen Garten (grusel), was halt nur nachts geschieht weil sie nachtaktive Tiere sind und lasse sie dann frei. Man soll sie nicht länger als 5 Stunden in der Falle lassen, weil sie sonst verdursten. Das Freilassen liebe ich. Sie machen dann jedes Mal Riesen Sprünge wenn sie ins Gestrüpp verschwinden und denken sie haben clever ihre Chance genutzt, als ich die Tür der Fall öffnete und sie noch rausstupsen musste weil sie mit dem Hintern zur Tür stehen und nix schnallen.
Wenn ich sie aber nicht kriege, fressen sie meine Bettlaken und Handtücher auf, da ich keine Schränke habe, nur offene Regale. Sie machen dann ein Loch, senkrecht durch alle Schichten, 30 Zentimeter tief und ziehen dort ihre Jungen groß. Musste einmal einen ganzen Stapel Winterpullis wegwerfen da, als es Kalt wurde und ich meine Wintersachen herausholte genau vorne in der Mitte aller Pullis ein schönes rundes Loch prangte. Diese Maus, erinnere ich mich noch, hat mehrere Wochen bei mir/uns gelebt, bis ich oder Katerlè sie endlich gekriegt hatte. Wie lange ist eine Maus schwanger?
Nachdem die Freundin mit dem Näh- Kram gegangen ist bekomme ich einen hysterischen Weinkrampf, vor Dankbarkeit, froh, Morgen, am Montag etwas Gescheites zu essen kaufen zu können. Katerlè beobachtet mich ganz genau dabei und ich komme mir lächerlich vor. Muss ich immer so übertreiben und muss ich immer alles so intensiv empfinden? Warum bin ich immer nur so extrem? Aber normal, ist ja langweilig.
Der elfte Tag (das Ende der Welt!)
Heute ist mir bewusst geworden daß es auf der ganzen Erde keinen Menschen gibt, der zu checken scheint wie schlecht es mir geht. (Ich erzähle es ja auch nicht!) Es gibt Niemanden der sich Sorgen um mich macht. Keiner vermisst mich und keinem fällt auf dass ich mich so lange schon nicht mehr gemeldet habe. Nicht, daß ich will daß irgendwer schlechte Gefühle wegen mir hat, kann ich ja auch nicht ertragen, aber muss ich denn so still und leise vor mich hin verrecken? Wie kommt es nur, daß ich jedes Mal, wenn es mir schlecht geht so alleine bin? Habe auch alle Telefonnummern vergessen. Weg, alles weg! In meinem Kopf, nur ein leeres Nichts.
Wieso ist Niemand da? Wo sind denn alle und was tun sie da? Wenn die Freundin gestern nicht gekommen wäre, wären mein Kater und ich schon längst verhungert. Da wären nur noch ein paar Skelette in einer verlassenen Wohnung übrig gewesen! Oder ich müsste Mäuse essen, obwohl ich schon lange kein Tierblut mehr zu mir nehme.
Mein armer kleiner, großer Kater. Er ist da. Liegt neben mir. Ist immer an meiner Seite, meine treue Seele. Ich liebe ihn so sehr dass es wehtut. Ich heule nun auch deswegen und tu mir so leid und er tut mir auch so leid, flenn, obwohl es ihm gut geht. Besser als mir!
Hoffe nur daß er meine Traurigkeit nicht so sehr mitbekommt. Will nicht, daß er Angst kriegt. Habe mal erfahren dass Tiere telepatisch kommunizieren. In Bildern. Was ist, wenn er meine Selbstmordgedanken mal gesehen hat, als ich mir vorstellte vom Hochhaus zu hüpfen?
Habe mal mit der Telepathie ein Experiment gemacht, als ich davon erfuhr und voll die Gedanken der Katze sehen können. Als ich den anderen Kater, den wir aufgenommen hatten als die Nachbarin gestorben war fragte, in Gedanken, was er denn von mir will, sah ich vor mir ein trapezförmiges Teil (ein Viereck mit ungleichen Seiten). Er war ein sehr kommunikatives Wesen und genau richtig für diesen Versuch.
Ich musste eine Weile nachdenken, weil ich nicht entziffern konnte was das zu bedeuten hatte. Bis er mich in die Küche führte und mir den Schrank zeigte, wo sein Futter steht. Ich begriff immer noch nicht, gab ihm aber zu Essen und dann kam es mir. Wenn ich nur 30 Zentimeter groß wäre, würde ich die Schranktür nur von unten sehen können. Es wäre für mich so hoch wie ein 5-stöckiges Haus, im Vergleich zur Körpergröße und es wäre trapezförmig, weil sich, durch den Blickwinkel von unten die geraden Dinge nach oben hin verjüngen. Maler, wie Michelangelo mussten das immer bedenken wenn sie in großer Höhe Gegenstände malten, die von unten aber gerade aussehen sollten!
Ist doch interessant, nicht? Seitdem habe ich einen Mords Respekt vor der Wahrnehmung der Tiere und will meinen großen Kater, der andere ist nun schon gestorben, nicht verrückt machen, mit den Zerrörungs- Depressions- Bilder in meinem Kopf, denn ich habe eine extrem stark ausgeprägte Bildvorstellung, schließlich bin ich Künstlerin.
Die Phantasie ist mein Geschäft, auch wenn ich wahrscheinlich mein ganzes Leben für Gotteslohn arbeiten muss und die meisten nicht wissen wieso ich den ganzen Tag beschäftigt bin (die verdient doch nix, also macht sie auch nix!) und was ich da andauernd so Wichtiges zu tun habe dass ich ihnen nicht uneingeschränkt zur Verfügung stehe und sie fragen sich, warum ich nicht Löcher auf dem Friedhof grabe, um Geld zu verdienen? Sie haben ja recht! Aber das Bild ist mir wichtiger, das kann nur ich ausdrücken, aber das Loch für den nächsten Sarg kann auch ein Anderer graben, da ist die Idee ja längst geboren, sogar die Maße stehen schon fest und es wird nur noch reproduziert, was sich einmal einer ausgedacht hat.
Ich aber muss Dinge neu erschaffen. Aus nichts weiter als einem Gedanken heraus entsteht ein ganzes Werk, das man danach sogar anfassen kann, wo vorher absolut nichts war. Ist das nicht herrlich? Ich sammle mir das Holz auf der Straße und nagle und klebe sie zusammen, grundiere mein Bettlaken und darauf kommt eine Idee mit der kein Aas etwas anfangen kann. Haha!
Viele wollten mir einreden daß ich nicht „richtig“ male, weil es kein Geld bringt. Traurig. Sie messen alles am Geld und wissen nicht dass es Dinge gibt die man nicht kaufen kann wie eine Idee oder die Liebe, die ich nun einmal zur Kunst habe, dass ich bereit bin dafür solche Opfer zu bringen und mich auch noch dem Spott meiner Leute aussetzen muss.
Aber ich weiß, in 100 Jahren sind meine Sachen Millionen wert. Also hebt schön Eure Bilder von mir auf, auch wenn ich sie Euch angedreht habe und ihr nicht wisst was Ihr mit ihnen anfangen sollt. Eure Enkelkinder können sich davon einmal ein Haus kaufen…
Ich wische mir die Tränen ab und versuche zum Katerlè, als er kommt und mich aus dem Kreislauf meiner dunklen Gedanken reißt mit normaler Stimme zu sprechen und mich zusammenzureißen, damit er sich nicht um mich sorgen muss. Schließlich sind wir eine Familie! Wenn er nicht wäre, wäre ich auch nicht mehr. Ich brachte es nicht über s Herz ihn alleine zu lassen, als ich einmal keinen Ausweg mehr sah, so rettete er mir das Leben. Jetzt bin ich froh dass ich noch da bin, auch wenn es gerade ziemlich holprig ist.