Читать книгу Ich und der Fisch, der Fisch und ich - Dorothea Doris Tangel - Страница 13

Tag 12

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Gehe einkaufen. 20 Euro. Ich mache eine Liste und versuche mir das Geld einzuteilen, damit es die Woche reicht. Also:

Toilettenpapier 1,59

Katzenfutter 4,-

Brotbackmischung für 2 große Roggenbrote 1,-

Milch für Tee 1.-

Frisches Gemüse der Saison im Sonderangebot 1,50

Schokolade (muss sein, kann mir nicht alles auf einmal abgewöhnen!) 1,50

Sojabratlingsmischung 1,80

Frischkäse für die Gemüsesoße 0,50

Nudels 0,60

Käse für aufs Brot 0,50

Macht zusammen: 12,99 Euro. Nein. 13, 14? ...

Egal. Hauptsache Essen! Restgeld für Unvorhergesehenes, beruhigt mich.

Weiß auch nicht woran das liegt, dass ich immer pleite bin, ich bin nie vorbereitet, materiell. Bei der Kunst ist das was ganz anderes! Da kann ich planen, einteilen und vielleicht vorausschauen (das letzte Wort kommt mir gerade so komisch vor. Genau das ist es, ich kann nicht vorausschauend agieren). Das mit dem „Alltäglichen“ und mit dem „für sich sorgen“ und „vorsorgen“, kann ich nur eine Woche im Voraus. Ist schon immer so. Da ist irgendeine Synapse in meinem Gehirn zu kurz geraten und mehr als 7 Tage für die Schöpfung stehen mir anscheinend nicht zur Verfügung! Ist echt schwer wenn man so minderbemittelt ist wie ich, Gehirn- mäßig…

Es hat mir immer Stress bereitet Monate im Voraus planen zu müssen. Woher soll ich wissen wie es mir in ein paar Wochen geht? Feste Arbeitsverträge bargen immer ungeahnte Albträume, weil ich nie wusste ob ich das auch abliefern konnte. Ich wollte ja niemanden enttäuschen. Aber eins wusste ich definitiv, dass mir in ein paar Wochen andere Dinge wichtiger waren und genau die verlässliche Gleichförmigkeit, die andere so schätzten auf die Nerven ging. Ich brauchte einfach regelmäßige Abwechslung sonst verkümmerte ich.

Es gibt Berufe wo genau das gefragt ist, aber ich war damit beschäftigt, krampfhaft so sein zu wollen wie die anderen. Ein sehr sinnloses Unterfangen! Ich arbeitete die ganze Zeit gegen meine eigene Natur, anstatt zu nutzen was mir zur Verfügung stand und wunderte mich warum ich nie auf einen grünen Zweig kam. Ich befand mich dadurch nur immer auf dem absteigenden Ast, denn wo ein Körper ist, kann nun einmal kein anderer sein. Aber das hat wieder etwas mit dem Eigenwert zu tun. Ich musste lernen mich auch um mich selbst zu kümmern, nicht immer nur anderen zu Gefallen zu sein! Co- Abhängig heißt das, glaube ich. Immer alles tun, um den anderen zufriedenzustellen.

Irgendwann fiel mir auf, daß alle die ich kenne am Anfang des Jahres ihren Urlaub buchen und dann auch wirklich dorthin fahren und so lange bleiben wie geplant, egal wie schrecklich es dort ist. Habe ich nie verstanden. Könnte ich nicht! Gut, ich bin auch ein Mensch der reisen und die Welt sehen will und nicht an einem Ort vor sich hindümpeln möchte, nur um braun zu werden. Wozu eigentlich? Langweilig! Ich bin eben gerne unterwegs.

Ich hatte auch nie mehr als 50 oder 100 Mark, um durch halb Europa zu trampen oder mit dem Interrail- Ticket (eine Hammer Erfindung von der Bahn für junge Leute, um für eine Pauschale von damals 200 Mark, 1-3 Monate lang durch alle Länder fahren zu können). Wir alle nutzen das gerne und es war eine wirkliche Bereicherung! Für ein Hotel reichte es sowieso nie, aber wir alle hatten einen guten Schlafsack und morgens am Mittelmeer aufzuwachen, direkt am Strand ist eines der besten Erlebnisse die ich je hatte.

Ich spielte auf der Straße Gitarre und sang mir mein Frühstück oft zusammen und wenn alles Geld verbraucht war, trampte ich wieder nach Hause. Einmal hatte ich das Geld für die Faire von England zurück auf s Festland nicht mehr und der Verkauf meiner Gitarre hätte auch nur 20 gebracht. Damals gab es den Tunnel unter der Nordsee noch nicht. Die Schiffpassage kostete aber über 30 Pfund. Es brauchte bis ich jemand traf der mir das Geld leihen konnte und ich hatte aber dadurch die ungewöhnlichste Begegnung, auf der Suche nach Überleben in London, wo ich keinen kannte.

Mir fällt auf dass ich nach der Einführung des Euros gar nicht mehr weggewesen war. Wo ich doch so gerne unterwegs bin! Sesshaft zu sein ist echt anstrengend! Man trifft immer wieder dieselben Leute und muss auch noch dafür gerade stehen was man gestern verzapft hat. Ich sehne mich danach mal wieder was anderes zu sehen und an Orten zu sein, die einen anderen Geruch haben. Jedes Land riecht anders.

Armes Deutschland. Schon wieder ein Grund mir leid zu tun! Erst musste ich Jahre bei meinem sterbenden Vater bleiben, wollte Mutter mit der vielen Arbeit nicht alleine lassen und als ich danach einen gutbezahlten Job am Flughafen hatte und mal so richtig pompös hätte reisen können, ans Meer, sogar mit Hotel und Flugzeug, lag meine Mutter im Sterben und danach war ich dann wieder ewig pleite, bis heute. Wird sich denn nie etwas ändern?

War ich schon immer arm? Ich ewig arme Sau! Oder bin ich wirklich autistisch veranlagt, wie ein Freund mir einmal an den Kopf knallte, weil ich den ganzen Tag malte und er sich langweilte? Er wollte doch sowieso immer nur Sportschau gucken, womit ich eben nichts anfangen kann. Warum wollte er mich ändern? Ich ließ ihn doch auch wie er ist und tat eben etwas anderes. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, ihm seinen „passiv“- Sport gucken (haha!) zu verbieten. Wenn s ihn glücklich macht.

Aber anscheinend reichte ihm das dann doch nicht und er wollte irgendwann den stündlichen Beweis dass ich ihm wohl gesonnen bin indem ich ihn ständig befriedigte, wann immer er es verlangte. Bis zu 10 Mal an einem Tag, bis mir das zuviel wurde und ich mir wie ein Ding vorkam dass er nur benutzte, um seinen Willen zu haben und seine Macht an mir zu demonstrieren. Es war einfach blöd. Wenn ein Mann täglichen Sex verlangt, kann man tatsächlich davon ausgehen dass er nichts im Hirn hat oder zu faul ist zu denken!

ich wollte mir endlich einmal beweisen, dass ich es schaffe, trotz Freund meine Bilder malen zu können. Sonst hatte ich ja immer Schluss machen müssen, nur um Mal wieder Gitarre zu üben. Habe ich schon 1000 Mal geschrieben? Ist aber auch ein enormes Problem für mich! Beides bekam ich nie unter einen Hut und ich hasse es auch noch alleine zu sein! Ein ewiger Konflikt.

Wem soll ich es recht machen, mir oder dem anderen? Und wenn ich nicht tu was der andere will, wird er mich dann noch mögen oder wird er mich womöglich wegschicken? Ablehnung konnte ich nur schwer verkraften. Es erschütterte mich jedesmal in meinen Grundfesten, obwohl ich auf der anderen Seite immer ganz schnell zu war, wie eine Auster und der andere keine Chance mehr hatte an mich heranzukommen. Wenn ich mich einmal bedroht fühlte war es aus! Ich wusste nicht dass man seinen Raum einnehmen und trotzdem mit anderen Menschen Beziehung unterhalten kann, weder privat noch beruflich gelang mir das.

Vielleicht ist es mir eben nicht bestimmt einen Partner an meiner Seite zu haben. Aber wenigstens zum Arbeiten könnte ich doch ein paar Leute um mich haben, oder? Früher hatte ich doch auch immer eine Band und war auf Tour. Wie mir das fehlt. Mit anderen im Freien unterwegs…

Heute hocke ich hier herum und schlage mich mit meiner scheiß Zigarettensucht herum, als ob es nix anderes gäbe. Na ja…

Ich muss selber Äktschen machen. Anderen beim Tun zuzugucken hat mich schon immer ermüdet. Deshalb gehe ich auch nie auf Konzerte obwohl ich Musikerin bin, weil ich das „passiv dabeistehen müssen“ kaum aushalte. Ich will einfach nur mitmachen. Nichtstun kann ich auch zu Hause, im Bett, wenn ich schlafe!

Habe früher den Sängern sogar das Mikrophon aus der Hand gerissen, weil ich so gerne improvisiere und gerade eine so eine gute Idee hatte. Die meisten Leute auf der Bühne kannten mich gar nicht und wenn die langweilig waren musste ich eben einschreiten. Das Publikum fand es gut, in Frankfurt kannten sie mich ja und es kam Schwung in die Sache, aber die Bands waren jedesmal entsetzt wenn eine fremde Frau auf die Bühne sprang und dem Sänger das Mikro aus der Hand „roppte“ (iss hessisch!). War vielleicht Feueralarm? Aber dann begann ich zu singen und sie spielten weiter. Wundert mich heute richtig! Obwohl, auf der anderen Seite, wenn ich mit Bands auftrat habe ich das auch erlebt und nix dabei gefunden. Einer konnte mal singen wie Elvis, habe ich nie vergessen.

Ich musste mir das, in andere Bands „einmischen“ richtig schmerzhaft abgewöhnen, sogar in der Jahrhunderthalle kämpfte ich mit mir, um Frank Zappa nicht das Mikrophon aus der Hand zu reißen. Ich hatte so viele Ideen und die wollte ich doch nur loswerden! Ich stand am Bühnenrand, bereit jeden Moment einzuspringen! Ist mir das heute peinlich, und dann beschwere ich mich über meinen Sexsüchtigen Freund, der so gar nichts merkte. War ich denn klüger? Kriegte ich denn noch was mit?

Ich ging bei Zappa und den anderen Berühmtheiten, nur deshalb nicht auf die Bühne weil ich vor diesen Welt- Größen der Musik so viel Respekt hatte und einfach nur zu unsicher war. Hätte ich meine Scheu überwunden, hätte ich es getan! Ich wartete echt immer nur auf den passenden Moment!

Ich dachte gar nicht so weit, dass ich vielleicht von den Saalordnern zu Boden gerissen werden würde, weil sie dachten ich wollte den Star ermorden oder küssen und ich wäre, mit dem Arm auf m Rücken abgeführt worden und hätte vielleicht auch noch Saalverbot auf Lebenszeit bekommen. Eine Katastrophe!

Ich war nach den Konzerten dann immer mächtig enttäuscht von „mir“, weil ich mich wieder nicht getraut hatte mitzumachen, ich feige Sau, ich traute mich doch nie was! Ich kam gar nicht auf die Idee dass es vielleicht unhöflich sein könnte… Auweia!

Aber bei meinen Beziehungen ließ ich mich immer leicht verunsichern und ich ließ mir auch alles gefallen, unfähig mal zu widersprechen oder meine Grenzen zu akzeptieren. Ich ließ den anderen so lange gewähren, bis ich ihn keine Sekunde mehr ertragen konnte und ich hätte kotzen können wenn ich nur an ihn dachte, weil das Fass bis zum überlaufen voll geworden war aber der andere keine Ahnung hatte, warum ich plötzlich so ablehnend reagierte dass er so gar nicht mehr an mich herankam. Ich war doch immer so nett gewesen, die ganze Zeit, ohne Ausnahme und immer mit allem einverstanden gewesen. Was war denn nur so plötzlich in mich gefahren?

Ich hatte mich ja nie geäußert. Konnte nie sagen was ich wirklich empfand und machte auch noch jedesmal, zu allem möglichen Mist ein freundliches Gesicht. Aber das rächt sich immer, denn irgendwann ist das verdrängte Gefühl stärker als man selbst und der Körper nimmt die Beine in die Hand und läuft, ohne dass man es erklären oder aufhalten könnte. Man reagiert nur noch, bis man wieder ausgeglichen ist. Ich denke schon, dass aus diesem Grund so manch einer zum Mörder wird, nur weil wir nicht gelernt haben unsere Gefühle ernst zu nehmen. Es sind doch nur blöde Gefühle! Nix womit man sich etwas kaufen kann!

In dieser Hinsicht war ich wirklich auf dem Entwicklungsstand einer Amöbe. Als mein letzter Freund damals herum meckerte weil ich malte oder meine Musikstücke auf ein geliehenes 4- Spur Band aufnahm, dass ich nur 5 Tage zur Verfügung hatte, bekam ich sofort ein schlechtes Gewissen. Das war aber wichtig für mich! Die Musik! Meine Ideen festzuhalten und zu manifestieren! Das war irgendwie der Sinn meines Daseins. Ich konnte gar nichts dagegen machen. Die Ideen plumpsen den ganzen Tag aus mir heraus, ohne daß ich etwas dagegen machen kann oder dafür tun muss! „Ich kann nichts dafür“, möchte ich den ganzen Tag in die Welt herausschreien. Wenn ich es nicht tue, bin ich extrem unglücklich und mir fehlt so viel, als hätte ich weder Arme, Beine, Augen, noch Ohren…

Mein Gott, es gibt Leute die bewundern andere dafür dass sie malen und singen können und ich suche mir ausgerechnet immer den in der Meute aus, der nur ein hübsches Gesichten sucht dass ihn den ganzen Tag anhimmelt. Gähn! Es gibt wirklich aufregenderes im Leben!

Warum freute er sich nicht für mich? Das war meine Arbeit. Andere gehen tagsüber ins Büro, da sagt doch auch keiner was. Ich malte und arbeitete eben zu Hause. Aber damals hätte ich nicht gewagt das Wort überhaupt in den Mund zu nehmen. „Das ist mein Beruf!“. Ich verdiente ja nix damit oder nur selten, deshalb war es ja sinnlos. Alles muss immer sichtbare Ergebnisse bringen sonst ist es nichts wert. Wie materialistisch ich doch selbst immer noch eingestellt war.

Wenn einer nur schief guckte dachte ich sofort es wäre etwas Schlimmes was ich tat und es ist meine Schuld dass er sich jetzt auch noch deswegen unwohl fühlt. Ich war immer an allem Schuld, für alles verantwortlich. Muss mir heute noch oft vorbeten: ich bin nicht verantwortlich für die Stimmungen anderer Leute. Sie fühlen sowieso was sie fühlen, ob mit oder ohne mich! Ich kann da sein und ihnen beistehen wenn sie mich brauchen. Doch ich muss nicht aufhören zu malen, um es ihnen recht zu machen. Sie würden es gar nicht bemerken ob ich es tät oder nicht.

Wenn ich keinen Freund hatte, der mir meine Arbeit vermieste, traf ich als Ersatz Leute die mich in solchen Momenten ankeiften: Haben Sie studiert? Und schon war alles für die Katz` was ich die letzten 40 Jahre geschaffen hatte. Jede Minute meines Lebens hatte ich Atemluft verschwendet, wie verbrecherisch. Ich sollte wirklich alle Bilder verbrennen!

Anscheinend brauchte ich dass, obwohl ich es hasste, um mir mit etwas klar zu werden, aber mit was?

Meine Kunst frisst doch kein Brot! Gut, sie bringt auch keins. Jedenfalls keins das man essen oder in dem man wohnen kann. Aber der Mensch lebt nun einmal nicht nur vom Brot alleine. Steht schon in der Bibel, oder? Mein Freund und die, die mich so gerne klein machten bis nichts mehr von mir übrig war, haben nie an sich gezweifelt, und wenn ich mal genau hinschaue was die eigentlich ihr Leben lang getan haben, muss ich ehrlich fragen: die greifen mich an? Die?

War es der Neid, weil ich etwas hatte dass mich glücklich machen konnte, wenn auch nur für die Zeit die ich damit beschäftigt war?

Warum denke ich immer daß das was ich tue überflüssig ist und ich nix wert bin und wieso glaube ich immer denen die mich nur nichtswürdig machen wollen weil sie sich gerade langweilen? Wen geht es etwas an dass ich male und was ich male? Die meisten gucken doch nicht einmal hin, meckern aber trotzdem an mir herum!

Um was geht es?

Andere gehen zum Fußball, besaufen, prügeln sich und brüllen wie Geistesgestörte stundenlang im Stadion herum und verkloppen danach die Fans der Gegenmannschaft und manche sogar die Polizei. Was also ist so verwerflich daran dass ich den ganzen Tag Kunst mache? Warum gönne ich mir nix? Glaube ich, ich habe es nicht verdient? Wieso lasse ich mich so behandeln? Wieso gehe ich nicht weg und wieso gehen die nicht weg, wenn wir uns so zum Kotzen finden? Es war mein Muster. Mein eigenes Denken über mich, das da bestätigt wurde! Ich glaubte ja selbst ich sei nichts wert. Und ich schämte mich wenn ich glücklich war. (Fraach misch nett!)

Ich hatte einmal einen Freund, der mir eine Szene machte, als er mich am Ende unseres Urlaubs zum Essen einladen musste, weil auf der Heimreise mein Geld verbraucht war. Dabei war dieser Stopp nicht eingeplant und nur er wollte unbedingt in dieses Restaurant.

Was ist das nur an mir daß ich mich immer so unter Wert verkaufe? Was ist mein Wert überhaupt und warum kenne ich ihn nicht? Und wieso hatte mich mein Freund nicht zum ganzen Urlaub eingeladen, wie es bei meinen Freundinnen so üblich war, da die Männer 3- 4 Mal mehr verdienen als wir Frauen? Und wieso wollte er in unserem Urlaub die ganze Zeit nur Sex von mir, den ganzen Tag und nix anderes? Immer der gleiche Film! Weiß auch nicht wieso? Dabei bin ich noch nicht einmal schön oder sexy, ganz im Gegenteil. Meistens sehe ich aus wie ein Typ und kleide mich auch so, heute noch. Wer braucht schon einen Ausschnitt im Kleid, um den Busen zu betonen? Lächerlich.

Ich wollte mit meinem Freund auch Mal reden oder wohin gehen und mir die Gegend ansehen. Gerade im Urlaub. Deshalb waren wir doch so weit gefahren, um mal etwas anderes zu sehen und dann guckte er noch nicht mal hin. Eigenartig.

Er flippte aus, als er mir ein (in Zahlen 1) Essen bezahlen musste. Ich hätte auch im Auto auf ihn warten können bis er gegessen hatte, aber an diese Alternative dachte ich damals nicht. Ich konnte nicht nein sagen, nicht widersprechen und glaubte lange, eine andere Meinung zu haben sei verboten!

Es sollte so sein, damit ich wach wurde. Nicht nur bei ihm! Ich war ihm egal, er wollte nur die Urlaubsgratisbefriediung und als ich nicht mehr gefügig war wie am Anfang, wo man sich ja immer von der besten Seite zeigen will, froh dass einen einer überhaupt beachtet und noch alles mitmacht, glaubte er ich wäre ihm etwas schuldig geblieben. Er rechnete mir etwas auf, weil er damit gerechnet hatte, ohne mich zu fragen ob ich damit einverstanden war. Wie es mir damit ging und ob ich überhaupt gerade Lust auf Sex hatte kam bei ihm gar nicht vor. Er behandelte mich wie sein Eigentum, ein Ding, das man aus der Schublade holt und wieder wegsperrt wenn man es nicht mehr braucht. Ich war ein menschliches Wesen, genau wie er, mit Gefühlen, Gedanken und eigenen Wünschen und Bedürfnissen. Aber so einen Satz hatte ich damals nicht zur Verfügung.

Hätte mir ruhig mal einer mitteilen können, wenn er mich wenigstens etwas gemocht hätte, er war schließlich mein engster Freund. Intimer und näher als in einer Beziehung kann man gar nicht sein, aber was tat er stattdessen? Anstatt mich zu unterstützen und mir was Gutes, oder das Beste zu gönnen, benutzte er mich nur und trat mich sofort mit Füßen wenn es nicht geschmeidig lief!

Er wollte nur billig und bequem Urlaub mit täglicher Sexbezahlung, weil er das Auto hatte, oder so! Er brauchte keine Partnerin, einen lebenden Menschen, er hätte sich auch eine aufblasbare Plastikfickpuppe mitnehmen können, der Unterschied wäre ihm gar nicht aufgefallen.

Wenn Männer wüssten was sie für eine verdunkelte Energie damit manifestieren wenn sie Sex erzwingen, oder glauben kaufen zu können ohne Verantwortung für den Intimpartner zu übernehmen, auch wenn es nur für 5 Minuten ist. Es gibt nicht nur Aids und Hepatitis mit dem man andere verseuchen kann. Sie vergiften nicht nur ihr eigenes Körperfeld, es saugt in Wahrheit auch Kraft aus und die Frauen verachten sie, auch wenn sie nett lächeln und sie hassen, wenn Gewalt und Willenbrechen im Spiel war. Ich habe nichts gegen Prostitution, ich rede von den Freiern und „anderen seinen Willen aufzwingen“ und den anderen mit Absicht zu ignorieren.

Ich habe nie etwas verlangt von meinem damaligen Freund, sondern war immer nur damit beschäftig, sein zu dürfen wie ich war und ihm zu Diensten zu sein. Ich hätte ihm auf die Finger kloppen müssen und ihm eine Szene nach der anderen machen sollen, damit er endlich etwas mitkriegt, der Idiot!

Aber ich war so pflegeleicht und bin dann lieber selber gegangen anstatt ihm das Leben zur Hölle zu machen, weil nämlich er mir vorgemacht hatte, er sei mein Freund. Tatsächlich war er aber nicht da, als ich einen Freund dringend gebraucht hatte, weil ein Mann (er) mich bedrängte und nötigte und dazu fiel er mir auch noch ständig in den Rücken anstatt mir den Rücken zu stärken.

Ich ließ ihn gehen und dumm sterben. Unverzeihlich. Heute denke ich da anders. Heute hätte ich ihm „bescheid“ gesagt, alleine um der anderen Frauen Willen, die nach mir kämen! Das kann ich heute nicht mehr verantworten! Ich weiß ja wie verletzend rücksichtsloses Verhalten ist und er soll es das nächste Mal gefälligst besser machen oder sich wenigstes Gedanken darüber machen das in seinem Verhalten etwas nicht stimmte. Wie sollte er es wissen ich schwieg ja immer wie ein Grab. Was für eine eigenartige Redewendung. Weil es der Tod ist wenn man sich nicht zeigt?

Als wir aus diesem Urlaub in Frankfurt ankamen, lud ich mit festgefrorenem Lächeln und leicht schräg gelegtem Kopf meine Sachen aus dem Auto, machte noch ein lustiges Foto von uns und am nächsten Tag sofort Schluss. Ich konnte ihn keine Minute mehr leiden. Ich ekelte mich richtig vor ihm und auch vor mir. Er war ein Benutzer und ich ließ mich benutzen. Es interessierte ihn nicht die Bohne wie ich mich fühlte. Ich kam in dieser Beziehung gar nicht vor. Also, was machte ich da?

Ich muss mich lieben, sonst wird das nichts mit dem Glücklichsein und ich werde mich zudem auch noch für den Rest meines Lebens ungeliebt fühlen, weil ich gar nicht weiß, wie Liebe geht…

Ich muss mich echt mehr anstrengen…

*

Heule mir wieder die Seele aus´ m Leib, sogar aufm Weg zum Supermarkt. Ich laufe schnell in den Friedhof hinein, weil ich einen Heulkrampf bekomme der nicht aufzuhalten ist. Ich laufe dort schnell in die Toilette, damit keiner das laute „Krampfschluchzen“ sieht und um, als es aufhört die Nase zu putzen und das Gesicht trocken zu wischen. Dort es gibt exakt noch ein Blatt Klopapier und nix für die Hände. Die Nase läuft mir wie blöd, aber es reicht. Ich wasche mir die Rotze und die Tränen mit Wasser ab und reibe mich mit diesem winzigen Stück Papier trocken.

So komme ich endlich einmal dazu das Grab meiner Eltern zu besuchen. Vielmehr die moderne Urnenmauer. Ich gehe nicht gerne auf Friedhöfe, habe früher nur immer meine Mutter begleitet. Ich starre diese Mauer mit den vielen Nischen an. Schöner Schriftzug. Aber hier fühle ich nie etwas. Ist ja nur Asche und ein paar Steine. Meine Eltern sind woanders und wir kommunizieren ab und zu noch miteinander, dafür brauche ich nicht auf den Friedhof zu gehen, denn sie sind ja aus Luft und können überall sein wo sie wollen. Sie brauchen ja keine Bahn mehr fahren zu müssen um wohin zu kommen, sie brauchen nur daran zu denken und schon können sie China besuchen.

Neben meinen Eltern ist die Urne der besten Freundin meiner Mutter. Haben sie gut hingekriegt. Ob das Zufall ist oder ob sie das so geplant hatten?

Sie waren ein ganzes Leben miteinander verbunden und haben sogar mit 14 ihre Lehre als Wäscherin und Büglerin gemeinsam gemacht und hatten eine Beziehung, die immer von Treue, Respekt und Liebe geprägt war. Eine karmische Verbindung. Über die Spanne eines einzigen Lebens hinaus. Wer weiß wie oft die beiden schon auf den Schlachtfeldern der Weltgeschichte, Seite an Seite gekämpft haben, für Cäsar, Alexander und den Kaiser, froh sich heute wiedergefunden und diesen Krieg überlebt zu haben?

Mutter meinte damals, wenn ich mit ihr die Runde machte um die Gräber zu versorgen: „Ich nehme mir so eine Nische in der Urnenmauer, so braucht sich keiner darum kümmern und ich bezahle auch alles vorher, weil du ja nie Geld hast, damit ich nicht verscharrt werde (wie Mozart) und ein Grab wird von Dir sowieso nie gepflegt werden weil du nicht freiwillig hierher gehst.“

Recht hatte sie.

Die Bank, auf die ich mich damals immer gesetzt hatte ist nicht mehr da. Auf der hatte ich immer mit meiner Mutter gesessen, nachdem die Runde gemacht war und wir wieder am Ausgang angekommen waren. Alle Gräber wurden gewissenhaft besucht und bei jedem gab es die gleiche Geschichte, die ich zwar kannte und schon mitsprechen konnte, aber ich gönnte ihr den Besuch bei ihren Ahnen und alten Freunden und Parteikollegen und die Erinnerungen daran. Aber bei meinem Vater, ihrem eigenen Mann (für 50 Jahre!) wollte sie nur schnell vorbeihuschen. Hier sagte ich dann jedes Mal: "Ich rauche noch eine", und setzte mich einfach um mir eine Zigarette zu drehen und sie setzte sich dazu. Wohl oder übel. Lieb.

Dann sprachen wir manchmal über ihm und die Erinnerungen waren nicht mehr so verletzend. Arme Mutter, armer Vater. Immer waren sie uneins gewesen immer hatten sie sich bekämpft. Ob sie sich jemals verzeihen werden können, in zukünftiger Zukunft, wenn sie sich wiedertreffen und ob sie womöglich eines Tages Freunde werden könnten?

Nach ihrer beider Tod hatte ich einmal einen Traum, in dem sie, nach einer gewissen Zeit des Übergangs gemeinsam unterwegs waren und sich tatsächlich vertragen hatten. Sie sahen gut aus und sprühten vor Lebendigkeit. Sie hatten volle und leuchtende Haare in einer satten Farbe, wie ich oft bei Verstorbenen, die sich von mir noch schnell verabschiedeten, in der Nacht in der sie gegangen waren beobachtet habe.

Der Tod ist anscheinend eine Art Jungbrunnen für Lebenskraft, wenn der Schock überwunden ist dass der Körper sich nun auflöst. Aber man erkennt auch, wenn man sich wieder beruhigt hat, dass das „Ich bin“ immer noch da ist und gar nicht sterben kann. Wir sind ja nicht nur unser Körper! Auch Nichtmaterie existiert und ist real und sie kann gutes wie Verheerendes anrichten, man denke nur an Radioaktivität, die ganze Landstriche über Jahrtausende unbewohnbar machen kann obwohl man sie nicht sieht!

Meine Eltern kamen, nach dem Tod ihrer irdischen Hülle anscheinend gut miteinander aus. Das überraschte mich. Sie waren so friedlich zusammen, wie ich sie selten erlebt hatte und sie hatten auch viel Wichtiges und anscheinend Interessantes zu tun, denn sie machten einen glücklichen und auch einen vielbeschäftigten Eindruck.

Auch dort „drüben“ gibt es zu tun, denn viele von uns kümmern sich um die zurückgebliebenen (örtlich, nicht geistig), auch wenn wir das hier nur selten mitkriegen. Und wenn, denken wir, wir hätten uns nur eingebildet dass ein verstorbener Vertrauter nach uns schaut oder uns gerade bei einer schwierigen Sache geholfen hatte. Es ist tatsächlich so. Wir übernehmen auf der anderen Seite gerne solche Aufgaben. Denn nun sind wir befreit von der Schwere des Erdendaseins, dem ständig urteilen und überleben zu müssen und wir sind auch unseren Gefühlen nicht so ausgeliefert wie auf dieser, auf der körperlichen Seite…

Ich glaube auch dass wir uns, als Seelen ziemlich viel um die vergiftete Umwelt kümmern müssen, denn die Erde ist ja auch ein Lebewesen, das gerade, von einigen hirnverbrannten Idioten ermordet werden soll. Weil ihnen ihr Portemonnaie wichtiger ist als ihre Lungen. Sie wissen nicht, so kluge und studierte Männer dass wir alle, sekündlich die Luft zum Atmen brauchen…

*

Heute Mittag fängt mein Herz plötzlich an weh zu tun. Ich kann kaum noch atmen, und wenn ich huste oder niesen will gibt es einen Stich in der Brust daß ich denke, ich stehe kurz vorm Infarkt.

Werde ich jetzt sterben? Ist es also soweit? Mein armer Kater. Was wird aus ihm? Wer wird sich um ihn kümmern? Soll ich schon mal nach Jemandem suchen der ihn nimmt? Habe ich noch Zeit? Was, wenn ich ins Krankenhaus muss? Werde ich operiert werden müssen? Meine Venen sind bestimmt ziemlich am Ende, bei den vielen Lastern die ich gelebt habe…

Habe heute gehört, daß ein berühmter Schauspieler das Rauchen aufgegeben hat. Er ist mittlerweile 103 Jahre alt. Er hätte 90 Jahre geraucht. Aha.

Was mache ich mir eigentlich so einen Stress? Ach so, ich bin ja pleite. Aber irgendwie bin ich auch innerlich pleite. Mein Selbstwert ist auf dem Nullpunkt und mein Immunsystem bricht bei der kleinsten emotionalen Irritation sofort total zusammen. 40 Jahre Gewohnheit ist nicht einfach abzuschaffen, es kommt immer wieder hoch…

Auf einem Plakat von einer Theatertruppe aus Niederrad steht dass sie hier proben und auftreten. Ich überlege ernsthaft ob ich dort mal anrufen soll. Wollte schon immer mal schauspielern...

Der Chef von „det Janze“ ist ein Mann aus meinen Kindertagen, als ich im Faschingsverein in einer Garde getanzt hatte und mit 11 schon Büttenreden hielt, die ich nie verstanden habe. Aber ich habe die Leute gerne zum Lachen gebracht. Diesen Trainer habe ich noch in guter Erinnerung. Er war ein geduldiger, freundlicher und absolut gewaltfreier Mann. So eine kleine Nebenrolle für den Einstieg, warum nicht? Vielleicht könnte ich ihn ja überreden es einmal mit mir zu versuchen?

Stelle mir vor daß ich wirklich Talent hätte und alle überrascht sind und mich bewundern und mich lieben. Am nächsten Tag schon habe ich es wieder vergessen!

Gerade Niederrad ist mir nicht geheuer und ich will hier gar keine zusätzlichen neuen Kontakte, die mich womöglich mit meiner unseligen Vergangenheit verknüpfen, die ich ja gerade abzustreifen hoffe. Hier kennt jeder jeden. Überall nur nicht hier.

Die Schmerzen in meiner Brust werden stärker. Habe ich überhaupt noch die Kraft weiterzuleben? Hat ja doch alles keinen Sinn mehr. Wer interessiert sich schon für meine Kunst? Wer will überhaupt noch etwas mit mir zu tun haben? Ich, das Jammertal...

Wer weiß schon, was ich da alles gemalt, geschrieben und komponiert habe. Ich bin Luft. Warum ist immer alles was ich mache so nichts? So nicht wichtig? So nicht vorhanden? Nichts wert? Ich bin ein Nichts!

Existiere ich noch? Kann man Jahre in einem Erdloch im Wald verbringen, ohne das überhaupt einer jemals erfährt daß man gelebt hat? Wozu hat man dann gelebt? Es ist als bin ich nicht mehr vorhanden. Mein ganzes Leben lang musste ich mich aufdrängeln. Wie ich das hasse. Da es mir das Gefühl vermittelt, dass keiner freiwillig mit mir zusammen sein will. Mit mir und wegen mir! Habe das Gefühl alle wollen mich nur schnell wieder loswerden. Mache ich andere unglücklich weil ich es selber bin? Geht es den anderen besser ohne mich? Der Grad ist gefährlich schmal auf dem ich gerade wandle, wenn ich vergesse warum und ob ich leben soll…

Warum wurde ich nur geboren? Ich bin eine Last, für alle und für mich auch. Ich habe nichts zu geben und bin nichts wert. Meine ganze Existenz, eine reine Vergeudung von Atemluft.

Wasser ist all. Trinke Leitungswasser. Schmeckt so beschissen in Niederrad dass man den Mund verzieht. Will ich wirklich aufhören zu rauchen? Ist es das wert? Mache ich mir da etwas vor? Es könnte alles so einfach sein…

Wirklich?

Lebe noch.

Ich und der Fisch, der Fisch und ich

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