Читать книгу Ich und der Fisch, der Fisch und ich - Dorothea Doris Tangel - Страница 5

Kapitel 3

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Eigentlich müsste ich mittlerweile so etwas wie ein Profi auf diesem Gebiet geworden sein, bei dem was ich mir schon alles abgewöhnt habe. Ich gehöre zu der Kiffer- Generation und bei uns war es üblich abends, nach getaner Arbeit Joints zu rauchen. Das wurde schnell zu meiner Lieblingsdroge.

Ansonsten und auf Partys knallten wir uns noch mit Bier, Schnaps oder Sekt für die Damen die Birne zu und alles was uns zudröhnte, wurde begeistert geschluckt und wir wetteiferten darin wer mehr vertragen konnte. Mit 16 hatte ich schon ein so hohes Alkohol- Pensum dass ich gestandene Männer unter den Tisch saufen konnte. Ich war stolz darauf, wurde auch noch dafür gelobt und gerne eingeladen. Man motivierte mich quasi so weiterzumachen…

Zu fortgeschrittener Nachtzeit tat man dann so als wäre man noch komplett nüchtern. Man wollte vermeiden völlig verblödet herumzulallen oder besoffen zu wirken. Immer Haltung bewahren.

Als ich 20 wurde fragte ich mich, wie meine Freundinnen, nachdem wir vor einem Fest eine Wasserpfeife geraucht hatten immer noch Smalltalk machen und flirten konnten? Egal wie schief sie schon in der Gegend herumstanden und egal wieviel sie getrunken hatten, sie hielten sich wacker und konnten anscheinend immer noch denken. Ich konnte das nicht.

Wenn ich nur getrunken hatte verlor ich jede Selbstbeherrschung und war so euphorisch dass es sogar mir schon wehtat und ich alle nur nervte, weil ich viel zu überschwänglich und laut war. Glücklich war ich damit nie und immer passierte dann auch irgendeine Kleinigkeit, die mich so aus der Bahn warf dass ich plötzlich völlig hysterisch anfing zu heulen und nicht mehr zu beruhigen war.

Es war eher eine Art Schmerz, den ich mit meinem lautem Lachen zu überdecken suchte und nach mittlerweile vielen Jahren täglich high oder betrunken sagte ich nach einem Schillum lieber nichts mehr, denn meine Zunge war irgendwie zu groß für meinen Mund geworden und versperrte mir den Ausgang für die Worte. Sie kamen dann immer so verkrumpelt heraus dass keiner verstehen konnte was ich meinte, aber auch das fiel nicht größer auf, denn alle waren ja breit und hatten sich zugeknallt mit allem Möglichen in flüssiger oder fester Form.

Mein Gehirn schrumpfte dann immer auf Erbsengröße und kullerte laut klackernd in meinem leeren Schädel herum und ich verlor ständig den Faden. Ich konnte angefangene Sätze nicht mehr zu Ende bringen wenn ich bekifft war, weil ich einfach nicht mehr wusste was ich hatte sagen wollen, als ich vor einer zehntel Sekunde einen Satz angefangen hatte.

Auch wenn es schien dass das bei meinen Freunden zum Normalzustand gehörte, machte mir das aber doch etwas aus und es machte mir auch bald keinen Spaß mehr mit so großen Lücken in meinem Gehirn herumzulaufen, wo ich mich doch so gerne mit anderen unterhalte. Auch das was andere sagten wusste ich schon nach einer halben Minute nicht mehr und stellte immer wieder dieselbe Frage, weil ich die Antwort sofort wieder vergessen hatte.

Wo wohnst Du? Fragte ich manchmal 3 Mal, bis ich mich schämte dass es immer noch nicht bei mir angekommen war. Ich sollte fragen, ob er uns vielleicht mit seinem Auto mitnehmen könnte, wenn er in die gleiche Richtung fuhr.

Wir stritten uns auch ständig herum, weil sich manche am nächsten Tag noch meinten erinnern zu können, wer was gesagt hatte. „Das hab´ ich nie gesagt!“, hörte man bei unseren Diskussionen immer einen laut ausrufen. Wir konnten deswegen richtig wütend werden, weil jeder recht haben wollte, bis andere auch bestätigten dass es anders gewesen war. Mir war das immer sehr peinlich. Ich war zwar nicht die Intelligenteste, aber dumm wollte ich auch nicht sein.

*

Obwohl ich mein High- sein immer zu verbergen suchte und mir nichts anmerken lassen wollte, verblödete ich trotzdem und wurde immer paranoider. Irgendwie wirkte bei mir alles intensiver als bei den anderen. Sie waren nie paranoid und mussten nicht stundenlang nachts nach Hause laufen, weil sie nicht mehr in der Lage waren in eine Straßenbahn einzusteigen, nur weil dort schon ein paar Leute drin saßen. Gut, die meisten hatten auch ein Auto!

Wenn ich stoned war und auf der Straße an Leuten vorbeilaufen musste, hielt ich immer die Luft an, der Boden unter mir wurde zu Treibsand und ich fing an über meine eigenen Füße zu stolpern. Da wechselte lieber schnell die Straßenseite, wenn mir jemand entgegen kam, obwohl mich keiner beachtete und mir keiner was tat. Ich lief lieber 2 Stunden nach Hause als einen Bus zu nehmen, obwohl ich müde war.

Ich wollte nicht, dass mich einer so sieht!

Ich schaffte es einfach nicht, wenn ich Haschisch geraucht oder stärkere Sachen intus hatte, ohne Panik mit Fremden in einem Raum oder auf einer Straßenseite zu sein. Viel später, mit 35 versuchte ich lieber zu verzichten wenn ich mir bei Freunden ein Piece besorgte und das Schillum herumgereicht wurde und schaffte es immer öfter erst zu Hause etwas zu rauchen. Es dauerte 20 Jahre bis ich das mit dem Straßenbahn fahren anders organisieren konnte und in den Griff bekam, meistens wenigstens!

Heute weiß ich dass das die ersten Anzeichen eines „süchtigen Kindes“ sind, die Sucht hinter sich lassen. Man hat nur noch nicht die Kraft und Wege gefunden, wie das geht. Ich bin vielen Menschen begegnet, die nie auch nur eine Sekunde daran gedacht haben sich von ihrem Bierchen zu verabschieden, obwohl sie täglich so extrem viel konsumiert haben dass sie allabendlich nach Hause beschleppt werden mussten weil sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnten und sonst irgendwo schlafend auf der Straße herumgelegen hätten. Sie wollten es nicht und sie brauchten es anscheinend nicht, aber ich brauchte es!

Ich erkenne heute die vielen, kleinen unsichtbaren Schritte, die es braucht, um innerlich eine Basis aufzubauen wenn sich einer von der Abhängigkeit lösen und in die Freiheit will und ich weiß endlich auch dass es wirklich zu schaffen ist. Man muss es wollen. Das ist der erste Schritt, egal wie lange es bis zur Ausführung dauert. Man muss dafür seinen Willen erst einmal in eine andere Richtung lenken, auf ein positives Ziel.

Das mit dem „erst später“ und „nein“ zu sagen fiel mir extrem schwer. Überhaupt fiel es mir schwer, so ganz allgemein im Leben Ablehnung zu zeigen, wenn mir etwas nicht passte oder etwas mir nicht gut tat. Ich konnte mich nur verweigern, weil ich keine Worte für diesen Umstand hatte. Darf ich überhaupt nein sagen? Und wie sage ich es, ohne dass ich eine auf s Maul kriege? Oder muss ich immer tun was andere von mir verlangen?

Ich musste erst einmal kleine Päckchen packen, um eines Tages vielleicht den ganzen, großen Berg bewältigen zu können. Es beruhigte mich zu wissen dass ich ja abends kiffen „konnte“. An dieser Stelle bekam ich mich zu fassen. Die Verzögerungstaktik war der erste Schritt, zeigte es doch dass ich etwas verändern und kleine Disziplinen aufbringen konnte, auch wenn es nicht für „ewig“ war. Was aber genau die Sache war die mich überforderte und mir eine höllische Angst einjagte. Aber ich erlebte so wenigstens tagsüber schon mal klare Zeiten. Auch die Umgewöhnung an andere Zustände war in kleineren Dosen besser zu verarbeiten.

Ich war „un- nüchtern“ einfach nicht gesellschaftskompatibel! Irgendwann strengte es mich zu sehr an mit anderen Leuten zu reden wenn ich etwas intus hatte. Ich tat immer so als wäre alles O.K., obwohl ich mit manchen Gestalten wirklich nicht reden wollte und sogar Angst vor ihnen hatte.

Es war extrem kräftezehrend mir nichts anmerken zu lassen und ich dachte sie dürfen nicht merken dass ich nicht „ d´ accord“ bin! Was n Krampf! Meine Augen taten mir manchmal weh, so sehr verbog ich mich. Ich wollte niemanden verletzen obwohl ich hätte schreien können, so schlimm fand ich einige mit denen ich damals zu tun hatte.

Bei manchen bekam ich sogar Herzrasen wenn ich sie nur sah, die mich aber sehr mochten, da ich ihnen immer brav zuhörte und nie widersprach. Je mehr Angst ich vor manchen Gesellen hatte desto freundlicher war ich zu ihnen. Nie Drachen den reizen!

Dafür verabscheute ich mich dann aber nur noch mehr und mein Verhalten baute mein Selbstwertgefühl auch nicht gerade auf. Aber das brauchte ich unbedingt für ein neues Leben. Es sollte 100 Millionen Jahre dauern bis ich es schafft mich von Rassisten und Unterdrücker zu befreien und ihnen die Stirn zu bieten. Komischerweise nahmen die es mir weniger übel als meine eigene Familie, als ich anfing zu zeigen dass ich anderer Meinung war.

Später war ich dann lieber alleine stoned. Die Heimlichkeit! Der direkte Weg in die Isolation. Auch eine gefährliche Suchtfalle. So verschwindet das peinliche Problem zwar aus dem Blickfeld der anderen, aber man selbst verschwindet auch, da man glaubt nur noch alleine klarkommen zu müssen, bis man sich aufgelöst und ganz verlernt hat zu kommunizieren und nur noch jedem misstraut.

*

Ich beschloss eines Tages dass ich anderes zu tun hatte als stundenlang nach Hause zu laufen und das „tagsüber nüchtern Sein“ fing an mir Spaß zu machen. Ich erkannte dass ich wieder alles tun konnte was ich mir vornahm, was vorher sofort unmöglich geworden war wenn ich zu früh am Tag an einem Schillum gezogen hatte und der Rest des Tages gelaufen war. Nun konnte ich wieder überall hingehen, mit jedem reden und es machte mir nichts aus wenn mich einer ansah.

Ich versuchte das neue Verhalten zu kultivieren und zu meiner neuen Gewohnheit werden zu lassen. Wie man sich etwas angewöhnt hat kann man es sich vielleicht auch wieder abgewöhnen. Es ist ja ein Prozess der seine Zeit dauert. Ich war ja auch von Anfang an nicht gleich Kettenraucher, auch wenn das bei mir ziemlich schnell kam! Meine Tage wurden langsam wieder heller.

Irgendwann fiel mir auf wieviel Stunden am Tag ich nur damit beschäftigt war Haschisch zu besorgen. Alles drehte sich nur um meine Sucht. Damals wünschte ich mir, man hätte es wie Wein an der Tankstelle kaufen können. Ich wollte, wenn ich gerade keine Auftritte oder keinen Job hatte mir morgens als erstes etwas besorgen, damit ich das erledigt hatte. Ich wollte sicher sein etwas im Haus zu haben, denn bis zum Abend konnte ich ganz gut durchhalten nüchtern zu bleiben, aber nachts nicht. Auch lag mein Problem darin dass ich mir nur kleine Mengen kaufen konnte, da mein Budget stark begrenzt war. Aber das war auch vielleicht mein Glück, da ich sonst noch mehr geraucht hätte. So musste ich es mir immer sehr genau einteilen, bis ich wieder ein paar Mark verdient hatte.

Das Drogen- besorgen war auch die schwierigste Aufgabe des Tages, weshalb ich das hinter mich bringen wollte, um mich danach beruhigt anderen Dingen zuwenden zu können. Es war mir das Wichtigste, sonst konnte ich mich auf nichts und niemanden konzentrieren weil ich ständig nachdachte wo ich noch was herkriegen konnte und Panik hatte, ich würde meine Freundinnen, die das Haschisch verkauften, wenn ich mich nicht beeilte nicht mehr antreffen.

Aber ich saß dann doch oft einen halben Tag in Treppenhäuser herum, um auf meine Dealerinnen zu warten. Damals gab es noch keine Händies. Ich verplemperte meine Zeit damit, auf andere zu warten (anscheinend eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, die ich heute noch hasse) weil ich nichts anderes tun konnte, bis das erledigt war. Hatte ich etwas in der Tasche, beruhigte ich mich sofort und konnte noch bis spät Nachts nüchtern bleiben, ohne Probleme. Zu wissen, ich kann ja, gab mir Halt. Der Gedanke, ich kann es heute nicht mehr, machte mich wahnsinnig und war nicht auszuhalten. Nicht einen Tag konnte ich ohne.

Als ich nach Jahren Pause wieder anfing zu malen (Kunst ist ja sinnlos, hatte ich gedacht und denen geglaubt die mir eingeredet hatten, ich solle etwas Richtiges machen. Nachdem ich mit allem aufgehört hatte, was mich ausmachte, worüber ich den Verstand verlor stellte ich fest dass ich die Kunst nun einmal brauchte um zu überleben), wurden mir meine Tage zu kostbar. (Schöner und schrecklicher Satz!)

Mit was verbrachte ich eigentlich meine ganze Lebenszeit, in der ich 1000 Bilder hätte malen und 500 Lieder hätte schreiben können? Ich war jahrelang nicht mehr aufgetreten und die Betäubung wurde zu meinem Hauptberuf, denn ohne kreativen Auswurf staute sich alles in mir. Ich hatte irgendwie kein Ventil, wie die anderen. So entstand ein enormer Überdruck, den ich versuchte zu ignorieren indem ich jede Empfindung verdrängte und anschließend zuschüttete, bis ich nicht mehr daran denken musste. Was aber nur so lange funktionierte wie der Rausch anhielt. Sobald ich morgens ein Augenlid geöffnet hatte klopfte der Horror wieder an meine Tür.

Ich konnte auch einen Rausch nicht in kleinen Dosen genießen wie andere, die nach ein paar Gläsern oder Joints aufhören konnten weil sie genug hatten, ich musste immer bis zur Ohnmacht, bis ich in komatösen Schlaf fallen konnte, bis ich ganz weg war! Aber dadurch ging „es“ dann aber doch nicht weg. Am nächsten Morgen war es wieder da, war ich wieder da! Dieselbe Ich! Mit denselben Bedürfnissen und Sehnsüchten und demselben unstillbaren Hunger nach mehr Leben, nach meinem eigenen Leben und nach Leuten die sich für ähnliche Sachen interessierten wie ich. Mir fehlten Gleichgesinnte.

Die Verdrängung meiner „unwichtigen“ Bedürfnisse, erzeugte eine Angst die immer mehr wuchs. Ich dachte Bedürfnisse sind nur Trinken und Atmen, was anderes zählt nicht! Aber das Ignorieren meiner Wünsche und Vorlieben erzeugte ein Vakuum dass sich, ohne mein Zutun mit Dämonen anfüllte, die jede Nacht ihre Partys auf meinem schlafenden und ungeschützten Körper feierten, mein ganzes Leben war nur noch ein einziger Albtraum, bis ich lernte sie nach Hause zu schicken.

Ich war so unnormal in meiner Welt, obwohl Kunst kein Verbrechen ist. Ich wusste damals noch nicht dass vieles angeboren ist und Menschen mit bestimmten Veranlagungen als Kinder schon wissen was sie einmal „werden“ wollen. Ich hatte es auch gewusst: Schauspielerin oder Sängerin. Malerin war ich ja schon seit dem Kindergarten. Dort bekam ich von Erwachsenen regelmäßig Aufträge, zu besonderen Anlässen wie Hochzeit, Geburtstag oder Taufe Postkarten zu malen. Was mich mit Stolz erfüllte und was ich immer gerne tat.

Wenn man seinen Anlagen nicht nachgehen kann (egal wie lachhaft sie die Geschwister finden mögen), durch die Umstände oder durch mangelndes Selbstwertgefühl, hat man das ganze Leben den Eindruck man wäre fehl am Platz und man gehört nicht dazu. Ich müsste eigentlich jetzt wo ganz anders sein, dachte ich oft.

Als ich einmal eine Rede halten musste, was mir überraschenderweise sehr leicht fiel und ich aus dem Stehgreif improvisieren konnte, dachte es nach 10 Minuten plötzlich ganz laut in mir: warum singe ich eigentlich nicht? Da wusste ich, das war meine Bestimmung! Das war ich! Schwingungen, Farbe und Töne…

Meine Familie hatte offiziell nicht viel mit Kunst zu tun und wir waren nie auf Konzerte oder Ausstellungen gewesen, eine mir fremde Welt, obwohl mein Vater sehr musikalisch war, Akkordeon spielte und eine wohlklingende, angenehme und warme Stimme hatte.

Aber als er nur noch spielte wenn er besoffen war, konnten wir es alle nicht mehr ertragen. Er hörte auf damit als ich noch sehr jung war und verkniff sich so anscheinend einen so großen sinnlichen Teil von sich, dass es keinen Raum mehr für ihn gab und er immer unleidlicher wurde. Bis der eigentlich sensible Mann (ein einfühlsamer Krebs), bald nicht mehr zu erkennen war.

Vielleicht ging es ihm wie mir, dass durch das Musikmachen eine so große Leidenschaft in ihm entfacht wurde, dass die Sehnsucht, nach etwas „das ich nicht zu nennen weiß“ einfach nicht auszuhalten war. Man ließ also lieber ganz die Finger davon. Es war zu übermächtig. Da war so viel was gelebt werden wollte und so unerfüllbar war. So aussichtslos!

Wie macht man das, wenn man so weit weg ist von allem? Wir wussten es alle nicht wie man mit seinen Leidenschaften umgeht, auf gesunde Art und Weise. Wir dachten man muss immer Stark sein. Schwäche ist was Schlechtes. Aber man sagte auch: „ich habe eine Schwäche für etwas…“ und das klingt eigentlich ganz zärtlich!

Da ihm dieser euphorische Zustand unheimlich war, drückte er ihn dann lieber weg indem er jeden Morgen schon ab 4 Uhr früh so viel Bier und Schnaps draufschüttete bis man es nicht mehr sehen konnte, sein anderes Ich. Aber hören tat man dann doch was. War er das wirklich oder ein böser Geist der von ihm Besitz ergriffen hatte, als er Mal nicht anwesend gewesen war?

Keiner von uns konnte seine Gefühle beherrschen und wurden sie geweckt, liefen sie doch nur aus dem Ruder, bis es wieder zu unschönen Streits und Gewaltausbrüchen kam. Ich hatte zwar kein Bedürfnis andere zu schlagen, aber ich zerstörte auch, wenn auch nur mich selbst.

Wie findet man das was einem so sehr zu fehlen scheint dass man leidet wie ein Hund und es vorzieht als alles mögliche zu leben nur nicht als sich selbst und wie macht man das, wenn da etwas ist, von dem man nicht weiß wie man es auf natürliche Weise leben kann? Was war nur mit uns los? Wieso fanden wir keine Erfüllung im Leben, weshalb gönnten wir uns das Glücklich sein nicht und warum konnten wir nie satt werden? Wir nahmen alle definitiv die falsche Nahrung zu uns, aber keiner wusste was für ihn ganz persönlich die richtige war, oder stand dazu!

Nur Mutter fand, als sie reifer wurde heraus dass sie die politische Arbeit brauchte und berichtete mir stolz von ihren Kämpfen an der Startbahn West, wo sie als Krankenschwester ein Mittel gegen die Wasserwerfer und Rauchbomben in ihrer Handtasche mitführte, um den jungen Leuten zu helfen wenn ihnen die Augen brannten. Noch heute schaue ich, wenn es Berichte darüber im Fernsehen gibt ob sie nicht dazwischen zu sehen ist. Sie hatte es geliebt für ihre Ideale in den Krieg gegen die Obrigkeit zu ziehen. Sie brauchte keinen Alkohol, sie brauchte die Auseinandersetzung und den Kampf für die Gerechtigkeit. Das befriedigte sie enorm und gab ihr Sinn.

Meine Seele brauchte also auch Nahrung, nicht nur mein Körper! Mein Leben war einfach sinnlos ohne Kunst. Auch wenn ich lange nur mit Leuten zu tun hatte, für die das keine Bedeutung hatte, so bedeutete es doch pures Leben für mich. Lebenskraft, Lebensfreude und Lebenszufriedenheit. Daraus konnte ich schon immer Energie schöpfen, wie Sprit für ein Auto. Nach einem Auftritt fiel mir oft auf wie friedlich es in mir war und wie sehr ich alle Leute lieben konnte wenn wir danach noch mit den anderen Bands vom Festival und ein paar Fans essen gingen. Ich saß dann dazwischen, beobachtete die Leute und war einfach nur glücklich, so ganz still und erfüllt, tief in mir drin. Ich hatte mich ausgepowert und es hatte auch andere mitreißen und uns allen Freude bringen können.

Durch die Kunstabstinenz war mein Selbstwertgefühl im Keller und ich tat alles idiotische, nur um nicht daran denken zu müssen, aber ich wurde dadurch auch immer weniger. Ich brauchte etwas ganz anderes als all die anderen mit denen ich täglich zu tun hatte. So war es nun einmal und ich wollte einfach nicht wahrhaben dass ich nur hier war, um zu sein der ich bin und sonst Niemand!

Wo ein Körper ist, kann nun einmal kein anderer sein! Sonst zerbricht man in 2 Teile und wird seines Lebens nicht mehr froh! Das ist vielleicht das einzige was wir unseren Kindern wirklich mitgeben können um lebenstüchtig zu sein, dass wir sie fördern ihre eigene Art zu erkennen, auszuleben, um sie später selber weiterentwickeln und um sich einbringen zu können. Man will doch dabei sein, dazu gehören und etwas gut können können…

Nach ein paar Jahren Kunstentzug fehlte mir das Malen so entsetzlich, dass ich begann davon zu träumen. Ich hatte mir selbst eine Zwangspause verordnet, in der ich mit aller Kunst konsequent aufgehört hatte weil alles aus dem Ruder gelaufen war. Ich hoffte, wenn ich, im Außen wie die anderen bin dass ich dann auch innen normal würde, normal fühlte und normal leben könnte.

Aber ich erbte dadurch nur die Schattenseite der Angepasstheit, nämlich die Produkte der Selbstunterdrückung und Selbstverleugnung. Meine Wut nahm ungeahnte Ausmaße an und richtete sich gegen mich, da ich schon immer ungern anderen wehtun wollte. Ich kannte den körperlichen und seelischen Schmerz den andere einem zufügen können zur Genüge. Also versuchte ich mir wehzutun um es nicht mehr spüren zu müssen.

Ich gab auch anderen immer die Schuld für alles und sah lange nicht dass ich so nicht weiterkam. Ich musste mich selbst ins Rad stemmen und mich aus meinem selbstgeschaufelten Grab herausholen und ich musste vergeben lernen, um loslassen zu können.

Ich musste etwas wollen, eine Richtung finden. Wo wollte ich eigentlich hin? Ich hatte nur Negativsätze, wie: das und das will ich nicht mehr, und das soll aufhören und das soll sofort weggehen. Aber ich hatte keine positive Wegweisung, wohin mein Lebensschiff steuern sollte. Ich trieb im offenen Meer, immer im Kreis und keiner hisste die Segel, um das Land der Verheißung zu finden. Ich wollte auch immer nur weg, von hier, von jetzt, von manchen Leuten die mir Angst machten, aber ich saß dann danach nur wieder alleine herum und mir fehlte „die tägliche Ansprache“, wie mein einsamer Vater im Alter immer zu mir sagte.

Ich brauchte etwas um die Lücke, die Leere füllen zu können die entsteht wenn man etwas verändert, sonst wurde ich immer wieder rückfällig. Ich hatte keine andere Welt als diese. Aber ich brauchte etwas anderes im Leben. Ich brauchte ein neues Leben.

Meine Aggressionen wollten auch raus und dadurch dass ich mir meine Wut nicht erlaubte, man muss ja immer höflich sein wurden meine Gedanken immer gewalttätiger. Ich wollte mich auslöschen, bis ich nur noch ans Sterben dachte. Ich entwickelte eine richtige Todessehnsucht und wollte mich ständig töten. Alles war schöner als das hier. Wenn es nur endlich vorbei wäre. Ohne es zu merken war ich lieber bereit eine Mörderin zu werden, auch wenn es nur mein eigener selbstbegangener Tod war, als endlich zu mir zu stehen.

Energien sind da und sie können transformiert (umgewandelt) und genutzt werden, aber sie gehen nicht weg nur weil ich sie nicht wahrhaben will. Meine Energie kam schließlich auch irgendwo her und wollte irgendwohin, aber ich stoppte mich die ganze Zeit ab und bremste mich aus bis ich implodierte und auch vor einem Mord nicht mehr zurückschreckte.

Ob das auch anders geht? Wie geht Leben überhaupt und kann man es lernen wie ein Instrument oder eine Sprache? Warum eigentlich nicht? Kann man das Dunkle wieder in etwas Helles verwandeln? Alles ist möglich, auch das Gute! Ich glaubte nur an das Schlechte und erlebte alles nur durch eine Negativschablone.

Sogar wenn ich die gleiche Situation mit einigen Freundinnen erlebte, ging es mir danach schlecht, denen aber nicht. Was war mit mir los? Warum wurde bei mir alles zu einem Horrortrip? Sogar scheinbar Harmloses löste bei mir Zustände aus, die ich nicht mehr in den Griff kriegen konnte. Was schleppte ich da mit mir herum das so stark war dass es alles schwarz färbte und wie kriegt man den Scheiß wieder los?

Ich und der Fisch, der Fisch und ich

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