Читать книгу Erkrankungen im Bewegungsapparat - Dr. Hanspeter Hemgesberg - Страница 16
„Stress-Achse“ und Gehirn-Stoffwechsel
ОглавлениеSchmerz stellt immer – in unterschiedlicher Graduierung – „Stress für den gesamten Organismus“ dar.
Insbesondere kommen dabei/dadurch in einen Unrundlauf einmal die wichtige sogen. „hormonelle Stress-Achse“ und andererseits der gesamte „Gehirn-Stoffwechsel“.
Zuerst zur „Stress-Achse“:
Seit einiger Zeit laufen die Erkenntnisse in der Schulmedizin darauf hinaus, dass sich in der ätiologischen Spurensuche eindeutige Indizien finden lassen, dass bei Stress/Distress und auch infolge von Schmerzen und insbesondere in der Stress-Reaktion bei chronischem Stress die immens wichtige „Hypothalamus-Hypophysenvorderlappen-Nebennierenrinden-Gonaden-Schilddrüsen-Achse“ mit „die“ Schlüsselstellung einnehmen!
Es handelt sich dabei um eine wichtige „Stress-Achse“.
Bei Schmerzen liegt immer ein chronischer Stress vor mit der Folge:
Hyperaktivität dieses endokrinen Verbundsystems! [bei Stress - physisch/ körperlich, psychisch/emotional, neuro-mental/kognitiv, also auch beim chronischen Schmerz! - werden die Katecholamine Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin freigesetzt und über Vermittlung des Corticotropin-releasing hormone (CRH) wird das Adrenocorticotropin (ACTH) freigesetzt, das die Synthese und Ausschüttung des Cortisols aus der Nebennierenrinde stimuliert. Der hauptsächliche Faktor, der die ACTH-Freisetzung steuert, ist wohl das CRH [Corticotropin Releasing Hormone], daneben führt jedoch Stress in jeder Form auch zur Freisetzung des Arginin-Vasopressins (AVP) und der Aktivierung des Sympathikus, die beide für sich wieder die ACTH-Freisetzung fördern. Auch die Plasmakonzentration von Prolaktin steigt bei Belastung, wobei die physiologische Bedeutung noch unklar ist. Ebenso lässt sich beta-Endorphin kurze Zeit nach Belastungsbeginn in vermehrtem Maß im Blut nachweisen].
In deren Folge kommt es zu einer gestörten Homöostase der Stress-Hormone mit der weiteren und unausweichlichen Folge für den Betroffenen:
Er ist in einem anhaltenden psychischen, später auch neuro-mentalen und zuletzt auch physischen Alarmzustand versetzt und wird dort unabwendbar festgehalten (Prof. Dr. Wolf-Dieter Gerber, Direktor des Instituts für medizinische Psychologie und medizinische Soziologie der Uni Kiel - publiziert 07/2011).
Nun zum „Gehirn-Stoffwechsel“:
In diesem Zusammenhang „Schmerzen“ müssen m.M.n. einige erklärende Worte zum Thema „Gehirnstoffwechsel“ gesagt werden:
Von großer Bedeutung und Wichtigkeit für einerseits bestmögliche Funktionsabläufe und andererseits Harmonie bzw. Balance der Prozesse in den Ebenen „Geist und Psyche“ ist die bestmögliche Einstellung und Funktionalität des „Gehirn-Stoffwechsels“.
Wie im Stoffwechsel allgemein, so ist auch hier zu unterscheiden zwischen dem primären und dem sekundären Hirnstoffwechsel.
Beim primären Stoffwechsel handelt es sich um den Teil des Zell-Stoffwechsels, in dem Saccharide (Kohlenhydrate/Zucker), Lipide (Fette), Aminosäuren (Eiweißkörper) () und ihre Derivate (= Abkömmlinge) umgesetzt werden.
Beim sekundären Stoffwechsel handelt es sich um den Teil, in dem komplexe Verbindungen aus Aminosäuren (Proteine), Sacchariden (Glykogen), Lipiden (Steroidhormonen und Neurotransmitter/ Biogene Amine) und Nucleinsäuren (DNA/RNA) () synthetisiert werden.
Um alle diese Funktionen und Prozesse bestmöglich leisten zu können, muss stets in ausreichender Menge als „Energielieferant“ Glucose zugeführt werden und vorhanden sein.
Unverzichtbar ist weiterhin ein adäquates Vorhandensein des Spurenelementes Zink.
Nicht zuletzt:
Unser Gehirn hat einen hohen Sauerstoffbedarf/-verbrauch; unter Ruhe-Bedingungen macht das ca. 20% des gesamten Sauerstoff-Verbrauchs unseres Organismus aus!
Weiter:
Ca. 80% der gesamten Energiezufuhr ‚verbrauchen‘ die Nervenzellen im Gehirn!
Das ist die eine Seite der Medaille „Gehirn-Stoffwechsel“ und die andere: Entzündungen – zumal chronische und zwar jedweder Ursache, so z.B. solche mit Schmerz-Reaktionen, – wirken sich schädigend aus und zwar durch Beeinflussung des Stoffwechsels der Aminosäuren (insbesondere kommt es zu einem Mangel an Tryptophan, was wiederum zu einem Mangel an Serotonin und Melatonin führt!).
Ferner greift Rauchen (bzw. die Inhaltsstoffe im Tabak) schädigend in den Hirnstoffwechsel ein (u.a. kommt es zu Veränderungen der endogenen Opioiden und besonders zu einer Synthese-Blockierung von Dopamin; bes. in Mitleidenschaft gezogen werden dadurch die ‚Emotionen‘).
Aber auch andere Krankheiten bringen den Gehirn-Stoffwechsel in Schieflage; besonders psychische Krankheiten (z.B. Depressionen, auch infolge chron. Schmerzen): hier kommt es in jedem Falle zu einer Minderung der wichtigen Gehirnbotenstoffe (Neurotransmitter/ Biogene Amine).
Alkohol – hier: der übermäßige und chronische Konsum – hat ebenfalls entscheidende Veränderungen im Gehirn zur Folge: Geschädigt werden das sogen. ‚Belohnungssystem‘, dann die Region im vorderen Teil der Hirnrinde (dort ist das Zentrum zur Planung und Umsetzung für Gedankengänge und Handlungen); zudem wird die Merkfähigkeit beeinträchtigt.
Aber auch einige Arzneimittel(wirkstoffe) greifen schädigend in den Hirn-Stoffwechsel ein (u.a. Psychopharmaka, Analgetika, Antihypertensiva).
Außerdem bestehen Interaktionen zum Immunsystem: dopaminerge, serotinerge und adrenerge Zentren im Gehirn sind mit einem dichten Geflecht von Zytokin-Rezeptoren (insbesondere Interleukin 1 und 6, Tumornekrosefaktor alpha) ausgestattet; andererseits verfügen Immunzellen über Rezeptoren für Hormone und Neurotransmitter (Botenstoffe).
So erklären sich Wechselwirkungen zwischen den ‚zentralen Regulations-Systemen’ des Körpers: ZNS/Autonomes Nervensystem, Immunsystem, hormonelles System.
Zentral wie peripher einwirkende Stressoren (Stress-Faktoren) können die Ausschüttung von Zytokinen aus Immunzellen im ZNS und Peripherie induzieren und die „Stress-Achse“ aktivieren mit der Folge: die Immun-Abwehr, die hormonelle Regulation und die neuro-mentale wie psychische Befindlichkeit und Stabilität werden nachhaltig beeinflusst.
„Glucose und Hirn-Stoffwechsel“:
Glucose stellt den ‚Motor’ für unser Gehirn dar, damit dieses alle seine Aufgaben rund um die Uhr korrekt erledigen kann – übrigens: Glucose sichert zudem den Energiebedarf der Organe, der Fettgewebe und Muskeln ab –.
Das Gehirn ist in Sachen Nervennahrung schlau und sorgt mit bestimmten Abläufe dafür, dass es in der Verteilung der Glucose nicht zu kurz kommt. In diesem komplexen Ablaufsystem „Energiebedarf“ spielen bestimmte Areale im Hippocampus, Hypothalamus und der Amygdala (s.o.) wichtige Rollen.
Durch den Vorgang des Essens und der Signal-Übertragung kommt es zu einem Mehr an Blutzucker im Blutkreislauf, was einer gezielten Energie-Bereitstellung gleichkommt.
Viele Faktoren – hier unter anderem Stress, Schmerzen – beeinflussen den Hirn-Stoffwechsel und lösen mitunter eine dauerhafte Überversorgung mit Nährstoffen aus. Die Glucose selbst gelangt eben über die Nahrungsaufnahme und somit über das Blut in das Gehirn und viele weitere Bereiche des Organismus. Als Helfer findet sich hier das Protein Glucosetransporter Glut 1 für die Versorgung des Gehirns (Glut 2 ist verantwortlich für die Versorgung der Muskeln).
Schlussendlich ist das Gehirn der eigentliche Verteiler, denn in erster Linie zieht es sich selbst die wichtige Glucose und verteilt anschließend den Rest auf die anderen Körperareale.
Eine Überversorgung mit Glucose führt allerdings nicht zu einer „Mehrleistung“ des Gehirns, sondern das Mehr wird an den Körper abgegeben und schlägt sich dort z.B. als ‚Hüftgold’ nieder!
Wesentlich gefährlicher ist allerdings eine Unterversorgung des Gehirns mit Glucose – zumal eine länger anhaltende, wie dies der Fall ist z.B. in Hungerzeiten, also auch bei Kohlenhydrat-eingeschränkten Diätkuren (!) oder bei Hypoglycämien –: es kommt zwangsläufig zu Störungen im Gehirn-Stoffwechsel.