Читать книгу Wenn der Orthopäde Rücken hat - Dr. med. Matthias Manke - Страница 15
HEY DOC, HILF MIR! SO ERKENNE ICH GUTE PATIENTEN
ОглавлениеNachdem du jetzt weißt, was einen guten Arzt ausmacht, erlaube ich mir auch ein paar Hinweise auf einen guten Patienten. Als Arzt macht es mir Spaß, mit Patienten zusammenzuarbeiten, die nicht nur nett, freundlich und aufgeschlossen für neue Behandlungsansätze sind, sondern darüber hinaus auch die Motivation haben, selbst an ihrer Genesung mitzuwirken. Bevor du eine Praxis mit dem Anspruch „Hey Doc, hilf mir und therapier mich“ aufsuchst, solltest du dich fragen: Warum gehst du eigentlich zu deinem Arzt? Weil er ein cooler Typ ist, mit dem du gerne mal ein Selfie machen würdest? Das kommt bei mir zwar auch immer wieder mal vor und ehrt mich, aber eigentlich geht man ja nur zum Arzt, weil man ein schmerzhaftes Problem hat. Das soll der Arzt des Vertrauens wieder richten: Therapieren ist angesagt.
Möge mein Arzt mir etwas Leckeres
aus meinen Lieblingszutaten zaubern
Dabei bemerke ich etwas Befremdliches, das in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat und mich beim effektiven Arbeiten irritiert. Ich habe das Gefühl, dass immer mehr Patienten glauben, wenn sie ihre Krankenversicherungskarte ins Terminal schieben, haben sie etwas gekauft, das sie jetzt möglichst bequem nutzen können. Das ist ein bisschen so, als ob man einen Burger nach dem Motto bestellt: Das Produkt ist bezahlt, jetzt nenne ich meinem Arzt noch meine Lieblingszutaten und dann soll er mir was Leckeres daraus machen. Das schmackhafte Endprodukt ist ein schneller Therapieerfolg.
Mal abgesehen davon, dass einige Ärzte nur einen Tiefkühl-Burger auf die Schnelle liefern können und das mit der geringen Bezahlung an der Anmeldung rechtfertigen, ist mein Anspruch ein ganz anderer. Deswegen gibt’s bei mir auch immer nur einen Burger. Wer hingegen mehrere verschiedene Burger auf einmal erwartet, den muss ich enttäuschen. Die Kunst ist es, einen leckeren Burger zu zaubern, der beim Patienten Lust auf mehr macht und ihn dazu inspiriert, beim Braten mitzuhelfen.
Auch mir fiel es schwer, konsequent
mitzumachen, aber ich blieb dran
Aufgepasst, diese Metapher enthält zwei wichtige Hinweise für meine Patienten: Ich werde nicht gleich zehn Probleme während einer Behandlung lösen und ich benötige meistens die Mithilfe des Schmerzgeplagten. Ich erwarte von dir deine Mitarbeit, denn es geht ja auch um dein Problem.
Zum Trost: Das ist auch mir nicht immer leichtgefallen, als ich selbst Rückenpatient war. Im Gegenteil, es fiel mir am Anfang sogar sehr schwer. Insbesondere als ich Beckenbodentraining probieren sollte. Ich wurde nicht innerhalb von zwei Wochen geheilt, während ich genüsslich meinen Long Island Ice Tea auf der Couch schlürfen konnte. Die Heilung dauerte Monate und war mühsam. Ich konnte mich nicht nur auf andere verlassen, sondern musste mein Wohlergehen auch in die eigene Hand nehmen. Natürlich hatte ich mehrmals den Gedanken, dass das doch alles gar keinen Sinn macht. Doch mein Optimismus und all die Ziele, die ich noch erreichen wollte, waren der Katalysator für meine Mitarbeit am Behandlungserfolg.
Wenn du zu mir kommst, darfst du Klartext reden. Das tue ich auch. Reduziere deine Krankheitsgeschichte aufs Wesentliche. Für mich musst du nichts blumig ausschmücken. Als typischer Revierler mag ich es direkt. Halte nicht zwanghaft an Befunden fest, die andere Ärzte oder Dr. Google gestellt haben. Denn damit verbaust du dir eventuell eine reelle Chance auf die richtige Therapie. Nimm’s nicht krumm, wenn der Arzt dich eventuell mal wieder auf dein Übergewicht anspricht. Der meint das nicht vorwurfsvoll. Er will nur helfen.
Igle dich nicht ein, sondern öffne dich. Eine gute Therapie basiert auf einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Arzt und Patient. Beide müssen geben und nehmen.
Die eine Spritze, die dich von allen
Qualen erlöst, gibt es leider nicht
Oft haben Patienten bereits ganz spezielle Vorstellungen von ihrer Therapie, wenn sie zu mir kommen. Da sie die Ursache ihrer Beschwerden mehr oder weniger erfolgreich gegoogelt haben, wissen sie offenbar, was gut für sie ist. Gerne zum Beispiel eine klassische Massage oder – wenn die mal nicht gefordert wird – „die Spritze“. Als ob eine Spritze existiert, die alles sofort heilt. Zugegeben: Es gab früher fixe Kombinationen, die man mal in den Po gespritzt hat. Die Wirkung war auch effektiv, aber leider traten danach dramatische Komplikationen auf. Schlimmstenfalls fehlte die Hälfte des Hinterns, nachdem ein Chirurg die Gewebeverletzungen entfernen musste. Genau deshalb sind diese Spritzen heute überholt und dürfen nicht mehr verabreicht werden. Dennoch stellen meine orthopädischen Kollegen und ich manchmal fest, dass ein fachfremder Arzt diese Kombination immer noch spritzt.
Beim Hinweis auf Wundermittel
werde ich leider sofort skeptisch
Besonders herausfordernd sind für mich Patienten, die noch mehr wollen: Medikamente oder Maßnahmen, die beim Bruder der Frau ihres Nachbarn angeblich zu Wunderheilungen geführt haben. Auch wenn ich diese Leutchen in ihrem festen Glauben an Halbgötter in Weiß schon fast lieb habe, muss ich sagen: Jetzt aber mal hallo! Wenn du als Brillenträger meine Brille trägst, heißt das noch lange nicht, dass du damit gut gucken kannst. Im Gegenteil: Bei längerem Gebrauch könnten meine Gläser bei dir sogar zu einem fortschreitenden Augenschaden führen. Die Therapie muss sich immer nach dem Grund der Beschwerden richten.
Natürlich kann der Rückenschmerzgeplagte bei unkomplizierten Beschwerden, die erst ein paar Tage bestehen, nur die Symptome behandeln, aber spätestens wenn ich als Facharzt konsultiert werde, muss ich die Schmerzursache identifizieren und individuell behandeln. Ich kann meine Patienten nicht alle in einen Topf werfen und den Burger nach der immer selben Rezeptur braten. Okay, streng genommen könnte ich das schon, aber das Ergebnis würde dir und den meisten anderen wahrscheinlich nicht schmecken.
Hart, aber ehrlich: Wenn du nicht
mitmachst, wirst du ein Pflegefall
Ich möchte meine Patienten mit ins Boot holen, ihnen Ursachen und Zusammenhänge erklären. Auch wenn es im turbulenten Praxisalltag oft schwierig ist, versuche ich, Arzt, Therapeut, Aufklärer und Motivator in Personalunion zu sein. Doch wenn meine Worte im Sande verlaufen und ich es trotz aller Bemühungen nicht schaffe, den Mitmachgedanken im Patientenkopf zu wecken und zu verankern, dann bleibt mir nur noch eine Möglichkeit: Motivation durch Angst. Mir rutscht in solchen Fällen manchmal der Satz heraus, der mir selbst die größte Panik einflößte, als ich am Boden lag: Wenn du nicht mitmachst, wirst du ein Pflegefall. Das klingt hart, ist aber ehrlich gemeint – und hat mir selbst geholfen. Der Satz war meine stärkste Triebfeder.
Niemand sollte die Verantwortung für
sich selbst an einen anderen abgeben
Jetzt übertreibt der Doc aber, um meinen Schweinehund zu ärgern, denkst du vielleicht. Aber du kannst mir glauben: Ich übertreibe nicht. Schließlich kenne ich Verläufe über mehrere Jahrzehnte, bei denen ich am Anfang schon wusste, dass der Betroffene arge Probleme bekommen wird, wenn er nichts ändert. Im Nachhinein hat sich genau das vielfach bestätigt.
Auch heute noch stört es mich, wenn Patienten regelmäßig mit den immer gleichen Beschwerden zur Behandlung kommen und wirklich nichts von dem tun, was ich ihnen mit auf den Weg gegeben habe. Ihr Jammern stößt bei mir dann auf relativ taube Ohren, denn man kann die Verantwortung für seinen Körper nicht an einen anderen Menschen abgeben. Wer sich heute keine Zeit für Bewegung nimmt, wird später viel Zeit und Geld in die Behandlung investieren müssen.
Bei Rückenschmerzen hast du zwei Möglichkeiten: Entweder ergibst du dich deinem Schicksal oder du kämpfst für deine (Beschwerde-)Freiheit und nimmst den oft langwierigen und beschwerlichen Weg auf dich. Ich eröffne dir zumindest die Chance auf Linderung. Dabei erwarte ich von dir kein Umdenken von jetzt auf gleich. Für mich ist ein Patient schon dann ein guter Patient, wenn er sein Verhalten nach und nach verändert.