Читать книгу Nie wieder Angst von Dr. Norbert Preetz - Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Norbert Preetz - Страница 3

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Kapitel 1: Angst weg in fünf Minuten

Es wird geschätzt, dass allein in Deutschland acht Millionen Menschen unter behandlungsbedürftigen Angststörungen leiden. Etwa 15 Prozent der Bevölkerung entwickeln mindestens einmal im Leben eine schwere Angststörung - Tendenz steigend. Ängste können das Leben ebenso stark beeinträchtigen wie körperliche Behinderungen. Die Folgen von Angststörungen betreffen alle Aspekte des Lebens. Sie umfassen psychische und körperliche Symptome und können zu schwersten Beeinträchtigungen im persönlichen und beruflichen Leben führen.

Vermutlich haben auch Sie gehört oder vielleicht sogar selbst erlebt, dass Ängste sich Behandlungsversuchen hartnäckig widersetzen können. Therapien dauern viele Jahre.

Viele Menschen mit therapiebedürftigen Ängsten werden nicht behandelt. Dabei kann so manch einem von ihnen mit relativ einfachen Mitteln geholfen werden. Wussten Sie, dass manche Ängste in wenigen Minuten vollständig und dauerhaft gelöst werden können, selbst wenn sie stark ausgeprägt sind und schon seit vielen Jahren bestehen? In diesem Buch lernen Sie Methoden kennen, die es ermöglichen, solche Ängste in wenigen Minuten zu überwinden. Um zu verstehen, wieso das möglich ist, werden wir uns zunächst mit der Entstehung von Angst beschäftigen.

Entstehung der Angst

Rascher als alles andere entsteht Angst.

(Leonardo da Vinci)

Ängste können verschiedene Ursachen haben, zum Beispiel eine psychische Erkrankung, eine Erkrankung des Nervensystems oder eine körperliche Erkrankung. Beispiele für Erkrankungen des Nervensystems, die Ängste verursachen können, sind Erkrankungen, die mit Schmerz- oder Schwindelattacken einhergehen, oder auch Verletzungen mit Gehirnblutungen sowie Entzündungen und Abbauprozesse im Gehirn, etwa Demenzerkrankungen oder Parkinson.

Bei den körperlichen Erkrankungen, die Ängste auslösen können, stehen Herzkrankheiten, Atemwegserkrankungen und Schilddrüsenüberfunktion im Vordergrund. Ängste können auch Folge von Missbrauch oder Entzug von Alkohol, Medikamenten oder Drogen sein. Studien mit eineiigen Zwillingen legen nahe, dass genetische Einflüsse eine eher geringe Rolle spielen.

In diesem Buch geht es um Ängste mit psychischen Ursachen, also Ängste, bei denen der Arzt sagt, er könne keine Ursache feststellen. Ängste können bei fast jedem psychischen Krankheitsbild auftreten, insbesondere jedoch bei Angststörungen, Depressionen und Zwangsstörungen.

Bei der Entstehung von psychisch bedingten Ängsten gibt es zwei zentrale Mechanismen. Im ersten Fall handelt es sich um Angst als erlernte Reaktion, sehr häufig in Form der konditionierten Angst. Im zweiten Fall ist die Angst Ausdruck tiefer liegender emotionaler Probleme, wie zum Beispiel unbewusste emotionale Konflikte oder unbewältigte belastende Situationen. Entsprechend der verschiedenen Entstehungsmechanismen unterscheiden sich sowohl die Vorgehensweisen bei der Behandlung als auch die Erfolgsaussichten, die Ängste in wenigen Minuten lösen zu können.

Konditionierte (erlernte) Ängste und solche mit tiefer liegenden Ursachen

Das Konzept der Konditionierung geht auf den russischen Nobelpreisträger Iwan Pawlow zurück. Bei seinen Studien an Hunden entdeckte er, dass es neben den unbedingten auch bedingte Reflexe gibt. Bei einem unbedingten Reflex folgt auf einen Auslösereiz eine biologisch vorgegebene Reaktion. So reagierten Pawlows Hunde mit Speichelsekretion, wenn ihnen das Futter gebracht wurde. Diese Reaktion ist genetisch programmiert und tritt in jedem Fall zwingend auf. Wenn etwa zeitgleich mit dem ersten Reiz ein anderer Reiz auftritt, kann dieser ebenfalls zum Auslöser werden. Pawlow ließ dazu unmittelbar vor der Futtergabe eine Lampe aufleuchten. Nachdem die Hunde dies mehrfach erlebt hatten, reichte es aus, die Lampe einzuschalten, um die Speichelreaktion auszulösen. Der zuvor neutrale Reiz »Lampe« war zum Auslöser für den Speichelfluss geworden.

Auf diese Weise können zufällig oder auch gezielt beliebige Reize zum Auslöser bedingter Reflexe werden. Das gilt auch für Angst. Wenn ein Mensch (oder Tier) eine angstbesetzte Situation erlebt, können Merkmale dieser Situation Auslösefunktion für die Angst erlangen. Stellen Sie sich vor, jemand fährt in der Dämmerung bei Schnee mit dem Auto. Während er die Kontrolle über seinen Wagen verliert und so einen schweren Unfall verursacht, der ihn fast das Leben kostet, ertönt in der Ferne zufällig das Nebelhorn eines Schiffs. Selbst Wochen oder Monate später kann der Fahrer in der Dämmerung, wenn er ein Nebelhorn hört oder beim Fahren auf Schnee, bewusst oder unbewusst an den Unfall erinnert werden und starke Angst bekommen. Jeder dieser Umgebungsreize, die der Fahrer während des Unfalls wahrnahm, kann zum Auslöser von Angst werden.

Jeder macht solche Erfahrungen, auch wenn sie nicht immer so dramatisch sind. Sie kennen das sicher auch. Wenn Sie im Radio ein Lied hören, das auf der Beerdigung eines geliebten Menschen gespielt wurde, macht es Sie traurig. Der Geruch von Zimtplätzchen, die Sie beim ersten Rendezvous mit Ihrer ersten großen Liebe gegessen haben, versetzt Sie in eine romantische Stimmung.

Damit ein Reiz zum Auslöser für Angst oder Panik werden kann, muss er hinreichend oft in zeitlichem Zusammenhang mit dem entsprechenden Gefühl auftreten. In einer emotional stark geladenen Situation kann jedoch eine einzige Konditionierung ausreichen, um diese Verknüpfung herzustellen. Genau dies ist beim Beispiel des Autounfalls geschehen. Ein zuvor neutraler Reiz (Nebelhorn) erlangt durch das zeitliche Zusammentreffen mit einer starken Emotion (Todesangst während des Unfalls) Auslösefunktion für diese Emotion. So, wie die Lampe bei Pawlows Hund den Speichelfluss auslöst, löst das Nebelhorn die Angst beim Autofahrer aus. Weil diese Konditionierung unbewusst erfolgt, kommt die Angst wie aus heiterem Himmel. Jedes Geräusch, jeder Anblick oder irgendein anderer Reiz kann zum Angstauslöser werden und Sie wissen nicht, wie Ihnen geschieht.

Konditionierung ist also die Verbindung eines Reizes mit einer körperlichen und/oder einer emotionalen Reaktion. Die Konditionierung kann gezielt erfolgen oder sie entsteht in der Situation quasi zufällig. Wir bemerken dabei nicht, dass eine Konditionierung erfolgt. Es kann sogar sein, dass wir den Reiz, der zum Auslösereiz wird, bewusst gar nicht wahrnehmen. Es kann auch sein, dass die Situation, in der die Konditionierung erfolgte, viele Jahre oder gar Jahrzehnte zurückliegt und vollkommen vergessen wurde.

Pawlow wies außerdem nach, dass man Neurosen und Ängste gezielt konditionieren und wieder heilen kann. So konditionierte er bei seinen Hunden gezielt eine Angstreaktion, die er anschließend wieder löschte.

Eine Patientin suchte mich in meiner Praxis auf, weil sie seit frühester Kindheit panische Angst vor Tauben hatte und in zunehmendem Maße auch Angst vor allen anderen Vögeln. Es stellte sich heraus, dass sie als wenige Monate altes Kind im Kinderwagen von einer Taube angeflogen worden war, die sich für einen kurzen Augenblick auf ihrem Gesicht niederließ, sodass sie glaubte, ersticken zu müssen. Die Todesangst und die Panik, die das Kind in dieser Situation erlebte, wurden mit dem Auslöser »Taube« fest verknüpft (konditioniert) und fortan immer wieder beim Anblick von Tauben wachgerufen. Die Erinnerung an das Ereignis wurde vergessen, die in dieser Situation entstandenen Gefühle von Angst und Panik jedoch nicht.

Eine vergessene oder verdrängte Erinnerung bedeutet also nicht, dass auch die mit ihr verknüpften Gefühle verschwunden sind, denn sie haben sich tief in das Gehirn eingebrannt und können später durch einen Erinnerungs- oder Ähnlichkeitsreiz wieder wachgerufen werden.

Wenn also jemand Angst bekommt, ohne zu wissen warum, kann dies daran liegen, dass die der Angst zugrunde liegende Situation vollständig vergessen wurde (wie im Beispiel mit der Taube). Es kann aber auch sein, dass der auslösende Reiz zwar bekannt ist, aber nicht bewusst wahrgenommen wurde (zum Beispiel das Nebelhorn in der Ferne). Ein weiterer Grund kann darin bestehen, dass die Angst nicht durch Konditionierung entstanden, sondern dass sie Ausdruck eines tiefer liegenden Problems ist. Im letztgenannten Fall ist die Angst ein Symptom, ein Signal, das anzeigt, dass es ein tiefer liegendes Problem gibt, das gelöst werden will.

Wie kann man erklären, dass selbst seit Jahren bestehende starke Ängste in wenigen Minuten aufgelöst werden können?

Das Gehirn kann Angstreaktionen unmittelbar ein- und ausschalten. Es gibt im Gehirn eine aus zwei Schaltkreisen bestehende Region, die Mandelkern genannt wird. Deren erster Schaltkreis ist für das Entstehen einer Angstreaktion zuständig. Der zweite Schaltkreis kann die Angstreaktion wieder aufheben. Eine Angstreaktion kann aber nicht nur kurzfristig ausgelöst und wieder abgeschaltet werden. Das Gehirn ist auch in der Lage, Ängste langfristig zu verankern und wieder zu löschen.

Eine sinnvolle Funktion des Gehirns besteht darin, dass Erinnerungen nicht fest verankert sind, sondern dass sie in einem dynamischen Prozess immer wieder neu abgespeichert werden. Es ist also möglich, den emotionalen Gehalt einer Erinnerung zu ändern und neu im Gehirn abzulegen. Weil bei der Erinnerung an eine Situation dieselben Hirnstrukturen aktiviert werden wie in der ursprünglichen Situation, ist es möglich, in einer therapeutischen Sitzung die unverarbeitete Situation wachzurufen und die mit dieser Situation verbundenen Gefühle zu ändern. Die Erinnerung wird nun vom Gehirn als neutral abgespeichert. Eine ehemals traumatische Situation ist jetzt eine neutrale Erinnerung und kann keine Angst oder Panik mehr auslösen.

Die moderne Forschung zeigt, dass das Gehirn über eine enorme Plastizität (Formbarkeit) und ein riesiges Heilungspotenzial verfügt. In traumatischen Situationen reagiert das Gehirn bereits unmittelbar nach dem Schockerlebnis mit nachweisbaren Veränderungen in Struktur und Funktion. Selbst in ganz alltäglichen, undramatischen Lernsituationen geschieht die Neuverdrahtung blitzschnell. Die neu entstehenden neuronalen Strukturen sind langfristig stabil. Die gleiche Hirnplastizität, die bei einer Traumatisierung oder bei der Konditionierung von Angstreaktionen zum Beispiel in einer Schrecksekunde zu Veränderungen im Gehirn führt, ist auch für die Überwindung eines Traumas und von Ängsten verfügbar.

Nie wieder Angst von Dr. Norbert Preetz

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