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9. Kapitel
ОглавлениеFür einen Moment war alles ganz still. Selbst die Musik schien nicht mehr so laut wie vorhin zu dröhnen.
Ellen löste ihre Hände von ihren Augen. Chris lag wie ein Käfer auf dem Rücken und wagte sich nicht mehr zu rühren. Er war überwältigt worden. Während sich ein Bein auf seine Brust gestellt hatte und ihn zu Boden drückte, wurde Ellen klar, dass sie wieder mal glimpflich davon gekommen war, und dass es auch anders hätte ausgehen können.
‚Ich hoffe, das war dir eine Lehre, brummte eine kraftvolle, männliche Stimme. ‚Loser haben in meiner Bar nichts verloren. Raus hier!’
Mit geschickter Handbewegung schnappte sich der etwa ein Meter fünfundachtzig große schwarzhaarige Typ den Kragen von Ellens Angreifer und warf ihn hochkant aus der Bar. In Carlas Augen funkelte plötzlich so etwas wie Bewunderung. ‚Oh, du hast ja so etwas Animalisches an Dir, Oskar!’ rief Carla laut und warf sich ihm um den Hals.
‚Wo warst du denn so lange?’ wollte sie wissen. ‚Ich hab auf dich gewartet!’
Sein Blick erreichte Ellen, und seine Augen füllten sich mit Tränen.
‚Ellen‘, flüsterte Oskar zärtlich. Und es war ihm, als wäre die Zeit soeben für sie beide stehen geblieben. Eine Zeit, die er ihnen beiden gestohlen hatte, und ein Jahrzehnt voller Sehnsucht, das sich in Ellens Augen nun vor ihm aufzutun schien. Ellens entrückter Blick schien ihm ein Tor zu öffnen, das er nun nicht mehr schließen konnte.
Ellen starrte fassungslos in Oskars braune Augen. Wie vom Schlag getroffen stand sie da, und ihr war, als wäre das Himmelsgewölbe soeben über ihr zusammengeschlagen. Sie hatte ihn wieder, den Menschen, der es als einziger geschafft hatte, ihre Sehnsucht am Leben zu erhalten. Er war ihr Licht gewesen, in all den dunklen Tagen und Nächten, die sie in ihrer Kindheit verbracht hatte. Und dann war er zu ihrem Albtraum geworden, weil er nicht mehr da war, weil er sich geschlichen hatte, aus unerfindlichen Gründen sich einfach ins Ausland davon gemacht hatte, ohne ein Wort über sein Verschwinden zu verlieren.
Verstört hatte er sie mit dreizehn Jahren zurückgelassen. Und jetzt war er wieder da, einfach so in ihr Leben getreten, um sie zu retten. Und Ellen wusste, nichts würde mehr wie früher sein. Alles hatte sich mit Oskars Auftauchen geändert.
Ihr Blick war der Welt entrückt. Als würde sie durch einen Schleier blicken, so formte sich ihre Wirklichkeit neu. Eine Realität die ihr immer unwirklicher vorkam, umso länger sie in seine Augen blickte.
Diese wunderbaren, vertrauten Augen, die ihr so viel zu erzählen schienen, und von denen sie nun nicht mehr loskam. Der Glanz darin ließ sie in einem Zustand von innerer Euphorie zurück.
In ihnen hatte sie sich soeben verloren. In seinem erwidernden Blick, der sie durch die Dunkelheit führte, bis hin zu dem Licht von dem sie so sehr gehofft hatte, es eines Tages wieder zu erblicken. Und doch schien sie so sehr verloren und gefangen in der Vergangenheit mit ihm, dass sie ihr Glück, Oskar wiederzusehen, vielmehr als Traum als die Wirklichkeit begreifen konnte. Und Ellen war klar, dass sich mit diesem Augenblick alles umkehrte, dass mit diesem Wiedersehen, auf das sie hoffte, so lange sie denken konnte, ihr Leben für immer verändern würde.
‚Oskar’ hauchte sie und ihr war, als würde sie vergehen in dem Moment, in dem ihr bewusst wurde, dass er noch am Leben war, dass er es war, den sie so sehr vermisst und verloren geglaubt hatte.
‚Selbst in diesem Moment‘, dachte Oskar zärtlich, ‚zeigt sie ihre ganze Klasse. Was für eine Frau!’
Chris war vergessen, und auch Carla, die nun in die stille Idylle einbrach, und auf sich aufmerksam zu machen versuchte.
‚Hallo, ihr zwei!‘ Sie fuchtelte wie wild mit den Armen zwischen Oskar und Ellen umher, als würde sie um Hilfe betteln. ‚Ich sehe, ihr kennt euch. Nun gut, Ellen’, sagte sie, ‚darf ich dir trotzdem Oskar vorstellen, Oskar, das ist meine Freundin Ellen, von der ich dir erzählt hab. Du weißt schon’.
Oskar nickt und lächelt verschmitzt.
‚Ihr zwei habt jetzt wohl ein Date. Ja, Ellen, man möchte es nicht glauben. Aber es gibt ja niemanden, der dich interessiert, nicht wahr?’
Ellens Wangen wurden rot vor Verlegenheit und kleinlaut erwiderte sie: ‚Tja, wie man sich doch irren kann!’
‚Übrigens’, wollte Carla noch in Erfahrung bringen. ‚Woher kennt ihr euch eigentlich?’
‚Oh‘, machten Oskar und Ellen gleichzeitig. Doch Oskar ließ Ellen den Vortritt. ‚Das ist ne furchtbar lange Geschichte.’ Und Oskar fuhr lächelnd fort. ‚Die wir uns zuerst selbst erzählen möchten. Nicht wahr, Ellen?’
Seine angespannten Gesichtszüge von vorhin, als er Chris aus seinem Lokal geworfen hatte, waren schlagartig verschwunden, stattdessen spiegelte sich ein leiser Schleier von Zärtlichkeit und unruhiger Neugierde in seiner Mimik wieder. ‚Du verstehst?’
Carla hatte den Wink verstanden.
Sie war schon auf dem Weg nach draußen, da flüsterte sie Ellen noch leise ins Ohr: ‚Wenn du dich verlieren solltest, dann weißt du ja, ich werde dich auffangen. Viel Glück!‘
‚Carla!’, rief Ellen ihr noch einmal und lächelte selig. Carla drehte sich noch einmal zu ihr um.
‚Danke!’
‚Wofür?’
‚Für diesen Abend. Danke noch einmal, dass du nicht locker gelassen hast.’
Carlas Genugtuung, die man in ihrem Gesicht ablesen konnte, war Dankeschön genug für sie selbst. Sie lächelte zurück. ‚Keine Ursache, hab ich doch gerne gemacht! Also dann!’
Ja, Ellen hatte ein Date. Und es war nicht irgendein Date. Nein, es war die ultimative Wiedergeburt. Es war ein Date, wie es nur einmal in einem Jahrhundert geschah. Zumindest war dies Ellens Meinung.
Er war wieder da. Oskar war zurückgekehrt.