Читать книгу Feuervogel - E. W. Schreiber - Страница 15
12. Kapitel
ОглавлениеIhr Weg führte sie nicht ins städtische Strandbad, sondern an den Lendkanal zum Bootsverleih.
Ellen ließ die Seele baumeln, während sie gemeinsam mit Oskar auf einem Miettretboot den Kanal nach Maria- Loretto entgegen strampelte. Immer gerade aus, der Sonne entgegen.
Ellens Gedanken schwappten wie die Wellen, die sanft an das Boot schlugen, an ihren Traum zurück. Sie hatte darin Oskars Stimme wiedererkannt. Einen kleinen Unterschied aber gab es in ihr. Ein wenig rauer und männlicher war die Stimme geworden. Ein heimeliges, beschützendes Gefühl überkam sie, wenn sie seinen Worten lauschte. Wie ein rasender Überfall aber, heftete sich nun wieder das entsetzliche Gekeuche des Verfolgers, an ihre Fersen.
Ellen trat, als wäre sie erneut auf der Flucht, fester in die Pedale des Bootes, und versuchte Oskar damit anzustiften, mit ihr zu treten. Schneller und heftiger sollten sie kommen, die Wellen, die hinter ihnen ans Ufer schwappten.
‚Ist es Zorn, der sie jetzt so antreibt?’ Oskars Blick richtete sich fragend an Ellen. Und ohne ein Wort zu sagen versuchte er dem Tempo, das sie vorgab, zu folgen.
Doch dann löste er seine Zunge. Er musste etwas loswerden. Eine Entschuldigung, die längst fällig war und die er noch nicht ausgesprochen hatte. Oskar hatte Angst. Sein Gefühl verriet ihm, dass keine Entschuldigung der Welt ausreichen würde, um das verzeihen zu können, worum er nun Ellen bitten wollte.
‚Es tut mir so leid, Ellen’, sagte er und ihm war, als verkrampften sich dabei die Eingeweide, als er sich das sagen hörte. ‚Ich hätte mich wirklich mal bei dir melden sollen, nachdem ich das Kinderheim verlasse hatte. Ich hätte dich nicht vergessen und im Stich lassen dürfen! Aber jetzt bin ich da, es ist nicht zu spät oder? Das ist es doch nicht?’
Aber das war es. Er sah es in ihrem traurigen Blick, dass es zu spät war und die verfluchte Zeit seines fern Bleibens niemals mehr wieder rückgängig zu machen war.
‚Wer kann es dir verübeln, Oskar, ich wäre ja auch gerne irgendwohin abgehauen!’ erwiderte sie ihm. In ihrer Stimme lag plötzlich ein Hauch von Unheimlichkeit, weil sie so viel an Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte und Oskar in einen Zustand von Hilflosigkeit versetzte, als wäre er es gewesen, der von Ellen verlassen wurde.
‚Oskar!’ sagte Ellen dann nachdenklich, nachdem sie noch einmal tief Atem geholt hatte um ihm von ihrem Traum zu erzählen.
‚Oskar‘, wiederholte sie. ‚Ich hab dich nie vergessen. Ich hatte jahrelang von dir geträumt. Bis gestern, genauer gesagt! Ich hab zwar keine Ahnung, was diese Träume bedeuten, aber’, Ellen machte eine kurze Pause, ‚aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Jetzt bist du plötzlich nach all den Jahren wieder da. Und ich bin so froh!’ Ellens Gesichtszüge wirkten entspannt.
Und Oskar lächelte, als er erwiderte: ‚Ich hoffe du hast nur Gutes geträumt?’
‚Na, ja nicht unbedingt, Oskar. Ich werde bloß von irgendetwas Ekelhaftem in der Dunkelheit verfolgt. Und ich weiß, dass ich sterben muss. Doch jemand hilft mir, der sich scheinbar auch auf der Flucht befindet. Er hat deine Stimme, Oskar!’
Ein sanfter Windstoß blies Ellens langes Haar sanft aus ihrem Gesicht.
Oskars Herz begann zu rasen. Er hatte Angst. Solch quälende Angst, wie schon lange nicht mehr. Sein Gesicht war in Sekundenschnelle kreidebleich geworden, und ihm war, als müsste er sich jeden Moment übergeben.
Oskar wusste wovon Ellen sprach. Er wusste, was sie verfolgte und ihn gleich mit ihr.
‚Du musst dich beherrschen, Oskar!‘ Seine Gedanken kreisten um Ellen. ‚Du musst dich zusammenreißen!‘ ermahnte er sich streng. ‚Sie braucht dich und du kannst alles wieder gut machen. Du hast ihr nicht geholfen, aber jetzt, jetzt hast du die Chance dazu!’.