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13. Kapitel

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Sie traten nicht mehr weiter und ihr Boot schwappt leise an das mit Steinen ausgelegte Ufer.

Eine Menge Algen und Wasserpflanzen brachen unter einer Weide hervor, die ihre Äste tief in das trübe Wasser hängen ließ. Unzählige Farngewächse und Kletterpflanzen, die Ellen nicht beim Namen nennen konnte, weil sie Botanik nie wirklich interessiert hatte, wuchsen darauf und die Sträucher, die das Ufer zu ihrer linken säumten, bildeten eine Art Tunnel, in das ihr Boot nun eintauchte.

Bedächtig und still ließen sie sich hineintreiben, dorthin, wo sie niemand finden konnte. An einen Ort der Stille, an dem ihr Boot keine Welle mehr zu schlagen vermochte, noch fremder Lärm sie störte.

Ellen war Oskar so nah, dass er ihren warmen Atem an seinem Ohr zu spüren vermochte und Worte hörte, die ihre Lippen wie eine leise, traurige Melodie spielen ließen. Tiefe, innere Erregung erfasste ihn, als er seine Augen in einem Anflug von Hoffnung und Zärtlichkeit schloss.

‚Ich habe Angst vor dem Leben Oskar, Angst, dass du mich wieder verlässt. Ich hab unendliche Angst vor der Liebe und noch mehr Furcht habe ich vor mir selbst, weil ich nicht weiß, wer eigentlich in mir wohnt. Ich hab Angst, neu zu beginnen’.

Langsam öffnete Oskar seine Augen. Leuchtende Sonnenstrahlen, die durch das Gestrüpp über sie hereinbrachen, ließen ihm genug Sicht, um Ellens Gesicht zu betrachten.

‚Es ist lange her‘, sagte sie noch, ‚aber die Zeit kann nicht alle Wunden heilen Oskar! Die Zeit ohne dich war sehr einsam und traurig.’

In Ellens leiser Stimme lag der Klang der Verzweiflung. Ihre Worte waren soeben die ultimative Anklage an ihre Vergangenheit gewesen.

Oskars‘ Finger streichelten sanft über Ellens Haar, während sie ihren traurigen Blick zu verbergen versuchte.

‚Können deine Wunden denn irgendwann man heilen? Ich meine, Ellen was kann ich tun, damit du heilst?’ fragte Oskar zärtlich.

Ein sanfter flüchtiger Kuss, huschte über seine Lippen. Und Oskar ließ es geschehen. Wie ein leiser Windhauch war ihre Annäherung gewesen. Doch wie ein Orkan, der ihn mit aller Macht zu zerreißen drohte, toste sein Verlangen danach ihre Liebe zu erwidern. Er hatte nicht mit ihrem Kuss gerechnet, und nun, da sie seine Vergangenheit war, die er über all die Jahre verdrängen musste, hatte sie ihn mit dem unbändig schönsten Gefühl der Zuneigung, aber auch dem schrecklichsten aller Gefühle der Schuld zu ihr konfrontiert.

Unsicher sah er in Ellens Augen, die ihm mit ihrem entwaffnenden Blick den Beginn der Erfüllung eines Traumes signalisierten.

‚Vielleicht könntest du noch etwas für mich tun Oskar?’ Oskar nickte. ‚Was du willst!’

‚Nimm mich ruhig einfach öfter mal in den Arm, ich glaube, dass du mir so am besten helfen kannst, meiner Angst Herr zu werden’.

Und Oskar versprach es. In diesem Moment hätte er Ellen alles versprechen können.

Still und ganz in sich selbst versunken, drehten sie das Miettretboot an der Stelle, wo der Lendkanal bei Maria-Loretto in den Wörthersee mündet, und strampelten zurück zum Bootsverleih.

Ellen war froh dass es nun wieder heimwärts ging. Solch tiefe Gefühle wie heute, hatte sie noch nie für einen Mann empfunden und sie wusste, dass sie nur ganz knapp dem Verlust der totalen Selbstkontrolle entronnen war.

‚Oskar ist so wunderbar!’ dachte sie. ‚Er stellt keine lästigen Fragen, kein Ton von unverschämter Neugierde war über seine Lippen gekommen. Und er hatte keine unterschwelligen Absichten gezeigt, mich zu irgendwelchen Handlungen zu drängen, zu denen ich nicht bereit bin. Stattdessen war es, als würde er mich ohne Worte verstehen. Als würde er ohnedies Wissen wer ich bin. Als wäre Oskar die Antwort auf das große dunkle Fragezeichen Ellen’.

Ein leises, zufriedenes Seufzen kam über ihre Lippen.

‚Ich wusste es, dass er genau der Richtige für mich sein könnte!’

Noch einmal blickte sie an die Stelle zurück, an der sie das Boot gewendet hatten. Mittlerweile war es fast siebzehn Uhr geworden.

‚Verschlungen hätte er mich heute, der See‘, überlegte sie und Gänsehaut übermannte ihren Körper.

‚Verschlungen mit all seiner Kraft, mit all seiner Herrlichkeit und seiner unheimlichen Tiefe, die in ihm wohnt’. Ihr Blick glitt sehnsüchtig in die Ferne.

‚Der berauschende, geheimnisvolle Wörtersee, an dem man nur fahren sollte, wenn man sich ihm zu widersetzen weiß’, überlegte sie. ‚Wenn man im Rausch seiner eigenen Gefühle imstande geblieben ist, sich ihm nicht zu überantworten. Sich nicht gänzlich in ihm aufzugeben droht’.

Tief in ihrem Innersten spürte Ellen, wie sich im Bestehenden leise die Möglichkeit auftat, eine ihr völlig neue Welt zu entdecken. Ein Horizont schien sich vor ihr aufzutun, den sie noch niemals zuvor auch nur erahnt hatte, aber hinter diesem Geheimnis eine Chance zu erkennen kostete enorm viel Mut und Kraft. Sie hatte zum ersten Mal den Blickwinkel auf ihr Leben und den dazugehörigen neuen Möglichkeiten verändert. Doch noch musste sie vor all der Schönheit fliehen. Mit Oskar hatte sich ihre Chance beträchtlich erhöht, dem Leben mehr Wert und das Quäntchen Glück beizumengen, von dem sie wusste dass es ihr fehlte.

Und als sie in seine Augen blickte, sah sie, wie sich der See in ihnen widerspiegelte.

‚Oskar‘, hauchte sie leise, ‚das Leben schenkt mir soeben eine Chance!’

Feuervogel

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