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b) Kriegsalltag – Geschichte „von unten“

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Wie erlebten die „kleinen Leute“ den Krieg?

Während Wissenschaftler, die sich mit den internationalen Beziehungen beschäftigen, gleichsam mit dem Fernrohr arbeiten, legen Alltags- und Mentalitätshistoriker ihren häufig kleinräumigen Untersuchungsgegenstand unter ein Mikroskop. Der regionale oder lokale sozialräumliche bzw. der alltagsgeschichtliche Bezug ist von einem neuen Forschungszweig seit den 1980er-Jahren stark heraus gestellt worden. Dabei hat diese Forschung auch ein methodisches Instrumentarium entwickelt, mit dem die der Widerständigkeit von handelnden Menschen im „Parterre der Gesellschaft“ (Dieter Langewiesche) und ihr Eigensinn gegenüber Regierungsansprüchen „von oben“ unterschieden werden können. Nicht die großen politischen und militärischen Ereignisse werden analysiert, sondern wie der Krieg von „gewöhnlichen“ Menschen vor Ort erlebt wurde, welche Überlebensstrategien ausgebildet wurden, wie Soldatenleben und Frauenschicksale aus der Nähe aussahen.

Solche alltagsgeschichtlichen Fragen sind vor einigen Jahren in einem bemerkenswerten Band an den Dreißigjährigen Krieg 1618 – 1648 herangetragen worden, der das Spannungsfeld zwischen Alltag und Katastrophe durchmisst (59). Dabei stützt sich die Analyse vor allem auf „Ego-Dokumente“, Selbstzeugnisse einfacher Menschen, aber auch auf bildliche, musikalische und literarische Quellen, die Krieg und Frieden verarbeiteten.

Selbstzeugnisse der Neuzeit, also Aufzeichnungen, die individuelle und auf das „Selbst“ bezogene Beobachtungen und Erfahrungen zum Ausdruck bringen, sind für alle Versuche unverzichtbar, soziale Praxis, Erfahrungszusammenhänge und Lebenswelten besonders von Unter- und Mittelschichten zu rekonstruieren. Sie eröffnen Zugänge, um Menschen als empfindende, leidende oder handelnde Personen zu zeigen. Das gilt für den Dreißigjährigen Krieg ebenso wie für den Deutsch-Französischen Krieg von 1870 / 71 oder für die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts.

Als Quelle, um Aufschlüsse über die Lebensweise, Erlebnisverarbeitung, das Denken und Fühlen von „kleinen Leuten“ im Krieg zu erhalten, sind vor einigen Jahren die Millionen erhalten gebliebener Feldpostbriefe entdeckt worden. Gerade mit Blick auf den Ersten Weltkrieg sind Feldpostbriefe zur Standardquelle der Erforschung von Kriegsalltag geworden. Da sie stets eine Doppelperspektive umfassen – es handelt sich ja um einen Briefwechsel zwischen Soldaten und ihren Frauen, Freunden oder Angehörigen in der Heimat –, können sie einmal Auskunft geben über den Kriegsalltag an der Front. Zugleich können sie als ein Barometer für die Stimmung in der Heimat und als Gradmesser für die Durchschlagkraft offizieller Kriegspropaganda gelesen werden. Dazu muss man sich allerdings bewusst sein, dass mit dieser Quellengattung zahlreiche methodische Probleme verbunden sind, worüber sich auch Kontroversen entzündet haben (siehe dazu Kap. III., 7. b). So darf – um nur ein Beispiel zu nennen – die Zensur der Militärbehörden nicht außer Acht gelassen werden.

Desertion

Geschichte „von unten“ betrifft ein weiteres, umstrittenes Themenfeld: die Desertion, über die die meisten Geschichtsbücher schweigen. Wurde Desertion öffentlich oder auch in der Wissenschaft thematisiert, so geschah dies lange Zeit meist im Zusammenhang einer politischen Agitation gegen das Militär. Zu diesem Zweck wurden dann nicht selten Deserteure idealisiert. Abseits von solchen Instrumentalisierungen hat die neuere Forschung die Desertion eingehender untersucht: Wie wirkten sich Behandlung und Versorgung der Soldaten auf die Desertion aus? Welche Faktoren bestimmten Loyalität und Einsatzbereitschaft von Soldaten? Wie wurde Desertion zu unterschiedlichen Zeiten bewertet, verfolgt und bestraft? Solche Fragen machen deutlich, dass sich im Spiegel der Desertion charakteristische Merkmale von Armeen und ihren Soldaten unterschiedlicher Epochen und Gesellschaften freilegen lassen (42).

Krieg und Frieden in der Neuzeit

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