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II. Überblick

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Periodisierungen der Geschichte sind arbiträr und umstritten. Die neuere Forschung hat den Beginn der Neuzeit – der Epoche, die sich dem Mittelalter anschließt – etwa auf die Schwellenzeit zwischen 1450 und 1500 angesetzt. Dafür sprechen gute Gründe, etwa die Erfindung des Buchdrucks, die Entstehung von Frühformen des modernen Kapitalismus, geistige Wandlungsprozesse hin zu einer Säkularisierung, die Entdeckung Amerikas oder die Reformation. Als Grobeinteilung hat sich zudem eingebürgert, etwa ab 1650 eine jüngere Neuzeit beginnen zu lassen. Dabei kommt der Zäsur des Jahres 1648 besondere Bedeutung zu.

Zeitlicher Rahmen der Darstellung

Der zeitliche Rahmen dieser Darstellung beginnt mit dem Westfälischen Frieden von 1648. Bereits darüber ließe sich streiten. Besonders in der angelsächsischen politikwissenschaftlich orientierten Forschung ist oft vom „Westphalian System“ gesprochen worden: Es habe sich damals das typische europäische Staatensystem ausgebildet, das bis zum Ausgang des 20. Jahrhunderts Gültigkeit besessen habe. Viele Historiker jedoch halten dieses Modell für zu holzschnittartig (siehe dazu Kap. III., 3. a). Dennoch: Trotz aller nötigen Differenzierungen im Einzelnen kann man wohl sagen, dass sich mit dem Westfälischen Frieden eine neue Grundlage der internationalen Ordnung, das moderne Staatensystem, Bahn brach. Hinzu kommt: Wenngleich weiterhin Kriege geführt wurden, so galt der Westfälische Frieden vielen Zeitgenossen nach den Verwüstungen und dem Grauen des Dreißigjährigen Krieges als die Erfüllung ihrer Sehnsucht schlechthin; in dieser Hinsicht war er ebenfalls ein bedeutender Einschnitt. Und schließlich war der Westfälische Frieden auch als reines Vertragswerk ein wichtiger Wendepunkt, der weit in die Zukunft wies. – Der zeitliche Endpunkt dieser Darstellung darf als weniger umstritten gelten: Der Zweite Weltkrieg als der bisherige Höhepunkt des totalen Krieges. Im abschließenden Ausblick werden die Veränderungen seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts skizziert.

Natürlich ist es angesichts einer so langen Zeitspanne von dreihundert Jahren nicht möglich, alle wichtigen Ereignisse und Entwicklungen „flächendeckend“ zu betrachten. Dies ist auch nicht das Ziel der Reihe „Kontroversen um die Geschichte“. Nicht Vollständigkeit wird angestrebt, sondern eine Diskussion von zentralen Forschungskontroversen.

Der vorliegende Überblick gibt keine chronologische Abfolge von Kriegen und Friedensschlüssen. Er geht vielmehr von einem problemorientierten Zugriff aus. Bei der Konzeptionalisierung dieses Bändchens und der Auswahl der zu behandelnden Schlüsselfragen bzw. Kontroversen standen am Anfang die Fragen: Welches sind die Schwerpunktsetzungen der Forschung zum Thema Krieg und Frieden? Welches sind die den jeweiligen Forschungen zugrunde liegenden Problemstellungen? Welche Kontroversen ergeben sich daraus? Anschließend wurde aus der Vielzahl der vorhandenen Forschungsprobleme wiederum eine Auswahl getroffen, zum Teil wurden zusammengehörende Forschungsprobleme aber auch gebündelt. Das Kriterium dafür war folgendes: Da ein Querschnittsbereich über einen langen historischen Zeitraum behandelt wird, sollte das Problem Krieg und Frieden systematisch von verschiedenen Seiten aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden: von der Seite der Friedensstrategien und der Friedenssicherungen in der Geschichte; von der Seite der Entstehung von Kriegen und der historischen Kriegsursachenforschung; aus der Perspektive des fundamentalen Umbruchs von Krieg und Frieden im Zeitalter der Französischen Revolution; von der zwischenstaatlichen Seite ebenso wie von der innergesellschaftlichen Seite; schließlich unter der Perspektive, wie es zu einer ‘Totalisierung’ des Krieges im 20. Jahrhundert kam, die auch den Frieden vor ganz neue Herausforderungen stellte.

Somit kann trotz aller notwendigen Beschränkungen, die die Reihe „Kontroversen um die Geschichte“ auferlegt, exemplarisch und doch umfassend, problemorientiert und doch verständlich in ein weites Themenfeld eingeführt werden. Grundvoraussetzung dafür ist, dass auch Theorien über Krieg und Frieden sowie die verschiedenen wissenschaftlichen Ansätze ihrer Erforschung behandelt werden – hier werden ganz grundsätzliche Kontroversen ausgetragen, die zu kennen wichtig ist, weil sonst der gesamte Forschungskomplex verschlossen bliebe.

1. Kapitel

Am Anfang der „Forschungsprobleme“ stehen deshalb zwei grundlegende theoretische und methodologische Kapitel. Das erste Kapitel geht der Frage nach, was Krieg und was Frieden eigentlich bedeuten. Die Begriffe sind keineswegs eindeutig, sondern höchst vieldeutig – und sie haben sich im Zeitverlauf teilweise dramatisch verschoben, wie im ersten Abschnitt über die historischen und ideengeschichtlichen Entwicklungslinien von der Antike bis in die Gegenwart dargestellt werden soll. Gehört Krieg notwendigerweise zum Dasein des Menschen, wie Augustinus meinte? Warum entfaltete die Lehre vom „gerechten Krieg“ in der Folgezeit eine große Wirksamkeit? Diskutiert wird auch, wie sich die Vorstellungen von Krieg und Frieden wandelten, etwa vom ius ad bello (Recht zum Krieg) zum ius in bello (Recht im Krieg): Wie konnte Krieg geführt werden, ohne die internationale Gemeinschaft insgesamt nachhaltig zu schädigen? Schließlich sollte nach dem Krieg auch ein stabiler Friedensschluss möglich sein.

An den philosophischen und politischen Schriften von Hobbes, Rousseau und Clausewitz lassen sich Veränderungen im Begriffsverständnis in der Neuzeit aufzeigen, die zu den gegenwärtigen, in hohem Maße umstrittenen Theorien über Krieg, Konflikt, Gewalt und Frieden überleiten. Seit zu Beginn der 1960er-Jahre eine kritische Friedensforschung entstand, streitet man um einen geeigneten Friedensbegriff. Ist Frieden mehr als nur die Abwesenheit von Krieg? Was ist ein „negativer“, was ist ein „positiver“ Frieden? Was ist mit Johan Galtungs Begriff der „strukturellen Gewalt“ gemeint, der seinerseits wieder höchst kontrovers diskutiert wird. Weiterhin: Wie lässt sich Krieg gegenüber anderen Formen der Gewalt abgrenzen? Welche Theorien dafür, dass immer wieder Kriege ausbrechen, gibt es? Vorgestellt werden hier die wesentlichen Erklärungsansätze, bis hin zur psychoanalytischen Lehre vom Aggressionstrieb des Menschen als Ursache von Kriegen.

2. Kapitel

Das zweite Kapitel diskutiert die methodischen Grundlagen, die Arbeitsweisen und die Erkenntnisinteressen der Fachdisziplinen Militärgeschichte und Historische Friedensforschung. Die traditionelle Militärgeschichte, wie sie sich vor allem im 19. Jahrhundert herausgebildet hat, galt lange Zeit als ein nahezu unwissenschaftliches Refugium der Militärs, die Kriegsgeschichte als eine Art handlungsorientierte Erfahrungslehre betrieben. Diese Zuordnung ist mittlerweile weitgehend passé, stattdessen hat eine „zivilistische Aneignung“ (3, S. 91) der Militärgeschichte gegriffen, und es haben sich eine „New Military History“ sowie eine Historische Friedensforschung etabliert. Pluralität der methodischen Ansätze und eine Multiperspektivität herrschen heute vor. Allerdings ist diese Militärgeschichte in der Erweiterung, die neue Themenfelder entdeckt und nicht mehr geschlechtsindifferent betrieben wird, selbst erneut umstritten. So wird ihr etwa vorgehalten, sie verliere das eigentliche Untersuchungsgebiet aus den Augen.

Fünf Epochen übergreifende Ansätze und Zugriffsweisen auf unser Thema werden in diesem Kapitel nach ihren Erkenntnismöglichkeiten und -grenzen überprüft. Sie sollen an dieser Stelle nur genannt werden: Krieg und Frieden in den internationalen Beziehungen, Kriegsalltag und Geschichte „von unten“, Krieg und Frieden in den Erinnerungskulturen, Kriegserfahrungen und Friedenserfahrungen, schließlich Gender Studies und Kinder im Krieg.

3. Kapitel

Ab dem dritten Kapitel beginnt sodann die Diskussion der sachthematischen Kontroversen. Zuerst werden die Linien ab dem Schlüsseljahr 1648 gezogen: Das Kapitel handelt von der neuzeitlichen „Erfindung des Friedens“. Der Westfälische Frieden ist einer der wichtigsten Friedensschlüsse der Geschichte überhaupt. Seine Charakterisierung war in den letzten Jahrhunderten jedoch extremen Schwankungen unterworfen. Galt er lange als französisch geprägtes, antideutsches „Machwerk“, so ist ihm neuerdings das Prädikat „größtes Friedenswerk der Geschichte“ verliehen worden. Wie erklären sich diese diametral entgegengesetzten Wertungen? War das Alte Reich die „Friedensmacht“ in Europa? Woran scheiterte letztlich die Friedensfähigkeit im internationalen Rahmen? Stichworte der Debatte lauten: Staatensystem, Völkerrecht, Souveränität. Und sie verweisen alle auf die Entstehung der Diplomatie als Mittel zur Friedenssicherung. Die Diplomatie hatte sich als ein fest geordnetes System zwischenstaatlicher Beziehungen seit dem 16. Jahrhundert entwickelt und wurde im Absolutismus zu einem der wichtigsten Instrumente der Politik.

Die Kritik der Gebildeten an der Konfliktanfälligkeit und mangelnden Friedensfähigkeit des absolutistischen Staates nahm im 18. Jahrhundert zu. Bestand zwischen den Kriegsursachen, wie sie die zeitgenössischen Autoren sahen, und dem jeweiligen Friedensbegriff ein direkter Zusammenhang? Mit Immanuel Kants kleinem, aber inhaltsschwerem Werk „Zum ewigen Frieden“ (1795) veranschlagen Teile der Forschung eine Art kopernikanische Wende in der Friedensdiskussion. Kant sei der Erste gewesen, der den Frieden philosophisch wirklich ernst genommen und ihn zu einem systematischen Zentrum seiner praktischen Philosophie erhoben habe. An Kant schieden sich zeitgenössisch und scheiden sich bis heute die Geister. Ob Ablehnung oder Befürwortung – seine Wirkungsgeschichte ist gewaltig.

Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wird der Blick auf ein neues, erst in jüngster Zeit bearbeitetes Forschungsfeld gerichtet: die gesellschaftliche und kulturelle Konstruktion von Frieden, etwa in Form von Friedensfesten. Denn es ist ja nicht so, dass nur „große Männer“ Politik und dementsprechend auch den Frieden machen, sondern dieser hat viel mehr Facetten.

4. Kapitel

Im vierten Kapitel wird das Zeitalter der Französischen Revolution 1789 – 1815 unter die Lupe genommen – die alles entscheidende Umbruchzeit für das Verständnis von Krieg und Frieden. Niemals zuvor forderte eine einzelne Person die europäische Welt so heraus wie Napoleon. Am Ende des 19. Jahrhunderts fasste Friedrich Nietzsche die exemplarische Bedeutung Napoleons für eine national-ideologische Kriegskultur scharfsichtig folgendermaßen zusammen: „Napoleon verdankt man’s (und ganz und gar nicht der französischen Revolution, welche auf ‘Brüderlichkeit’ von Volk zu Volk … aus gewesen ist), dass sich jetzt ein paar kriegerische Jahrhunderte aufeinander folgen dürfen, die in der Geschichte nicht ihresgleichen haben, kurz, dass wir ins klassische Zeitalter des Krieges eingetreten sind, des gelehrten und zugleich volkstümlichen Krieges im größten Maßstabe, auf das alle kommenden Jahrtausende als ein Stück Vollkommenheit mit Neid und Ehrfurcht zurückblicken werden – denn die nationale Bewegung, aus der diese Kriegsglorie herauswächst, ist nur der Gegenschock gegen Napoleon und wäre ohne Napoleon nicht vorhanden.“ (4, S. 235f.)

Nationalisierung, Aufhebung der Trennung von zivilem und militärischem Bereich, Volksbewaffnung und Volkskrieg, aber auch eine völlig neue Zielsetzung und Legitimierung des Krieges: Viele Hemmschwellen, die das Ausmaß des absolutistischen Krieges begrenzt hatten, wurden in der Epoche der Französischen Revolution weggespült. Hier lag zugleich auch ein enormes Problem für mögliche Friedensschlüsse. Was konnten, angesichts der Ideologisierung, ein „gerechter Krieg“ und ein „wirklicher Frieden“ noch sein? Gab es – über diese Frage streitet die Forschung – in der Geschichte der Französischen Revolution eine Wechselbeziehung zwischen auswärtiger Bedrohung und innerer Entwicklung bzw. Radikalisierung? Handelte es sich im Zeitraum zwischen 1792 und 1815 gar bereits um einen ersten Weltkrieg, der zudem die Tore zu einem „totalen Krieg“ öffnete?

In der Wissenschaft nicht minder umstritten ist die Situation in den deutschen Territorien zur Zeit der antinapoleonischen Befreiungskriege. Waren sie eine „Sternstunde der Nationalgeschichte“? War das Militär der Nationsstifter, und wurde die deutsche Nation durch Krieg zusammengeschmiedet und von Krieg geprägt? Oder handelt es sich hier um eine preußische Legendenbildung, die zwar weit über das 19. Jahrhundert hinaus wirkungsmächtig war, aber in sich zusammenbricht, wenn man den Blick über Preußen hinaus richtet? Denn Preußen war nicht Deutschland, und vieles, was diesbezüglich lange als unumstößlich galt, zeigt sich in der neueren Forschung in einem anderen Licht. Besonders wichtig sind hier die neuen geschlechtergeschichtlichen Studien zu Krieg und Frieden.

5. Kapitel

Eine der am häufigsten gestellten, aber am schwierigsten zu beantwortenden Fragen lautet: Wie entstehen Kriege? Darüber streitet sich die Kriegsursachenforschung, und im Längsschnitt vom Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 bis zum Imperialismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts wird dieses Thema im fünften Kapitel behandelt. Es ist kompliziert, typische Bedingungsfaktoren für den Ausbruch von Kriegen zu finden. Eine Schlüsselkontroverse lässt sich mit dem Begriffspaar umschreiben: Staatenkrieg oder Staatsbildungskrieg. Kriege förderten die Herausbildung von Staaten, wie umgekehrt die Herausbildung von Staaten mit der Entwicklung des Krieges einher ging. Aber wie ist das Verhältnis von Staat und Krieg genauer zu bestimmen? Und welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?

Staaten schließen auch Frieden miteinander, und nach dem Westfälischen Frieden ist der Wiener Kongress von 1815 einer der wichtigsten europäischen Friedensschlüsse – und ebenso umstritten. Welches waren die jeweiligen Zielvorstellungen der beteiligten Mächte? Wie ragte die „Deutsche Frage“ in den Kongress hinein? Wie war es um das Selbstbestimmungsrecht der Völker bestellt, welche Auswirkungen hatte diese internationale Friedensordnung auf die liberalen und nationalen Bewegungen in Europa? Das 19. Jahrhundert ab 1815 war für Europa eines der friedlichsten Jahrhunderte in seiner Geschichte überhaupt, deshalb schließt sich die Frage nach den politischen Deeskalationsstrategien, die Frage, wie Kriege vermieden wurden, an. Sie soll im zweiten Abschnitt dieses Kapitels untersucht werden.

6. Kapitel

Im sechsten Kapitel wird der Blick auf die innergesellschaftlichen Verhältnisse gerichtet, auf den Zusammenhang von Militär und Gesellschaft bzw. Friedensbewegung und Gesellschaft. Zunächst geht es darum, den umstrittenen Begriff der „Militarisierung“ zu klären, um danach eine der großen Debatten der Historiographie nachzuzeichnen: ob es eine Sozialmilitarisierung gegeben habe, die als „deutscher Sonderweg“ gelten kann. Eine lange Zeit vorherrschende „große Erzählung“ in der Geschichtswissenschaft handelte bekanntlich vom preußisch-deutschen Militarismus und beschrieb den Sündenfall, der eine ganze Nation auf einen Abweg von einem unterstellten Normalweg gebracht hatte und im Nationalsozialismus mündete. Internationale Vergleichsstudien haben jedoch mittlerweile das Forschungsparadigma des „deutschen Sonderwegs“ ganz erheblich relativiert und verschiedene Formen des Militarismus herausgearbeitet. Wenngleich somit das Deutsche Kaiserreich ab 1871 heute viel bürgerlicher erscheint als früher, so spielte das Militär dennoch eine gewichtige Rolle, nicht zuletzt als „Schule der Männlichkeit“.

Die sozial- und kulturwissenschaftliche Forschung hat die Perspektive „Militär und Gesellschaft“ darüber hinaus ausgedehnt auf die Epoche der Aufklärung, des Vormärzes und der Revolution von 1848. Sie rekonstruiert verschiedene Lebenswelten und Austauschprozesse zwischen Militär und Gesellschaft in Kriegs- wie in Friedenszeiten und fragt, wann tief greifende Wandlungsprozesse einsetzten. Vieles ist hier noch im Fluss und wird kontrovers beurteilt.

In diesen Kontext gehört auch die Frage, warum die organisierte Friedensbewegung, die ab Beginn des 19. Jahrhunderts von Amerika aus nach Europa übergriff, in Deutschland vergleichsweise schwach blieb. Oft wird die Konkurrenz zwischen der sozialistischen und der bürgerlichen Friedensbewegung als Grund dafür genannt, aber auch spezifische politische, soziale und ökonomische Bedingungen sowie nicht zuletzt innerorganisatorische Streitigkeiten. Vor 1914 waren viele pazifistische Organisationen einer Zerreißprobe ausgesetzt.

7. Kapitel

Das siebte Kapitel handelt von Vorläufern und der Vollendung des „totalen Krieges“. Zeigten sich – so wird kontrovers diskutiert – bereits im Amerikanischen Bürgerkrieg der Jahre 1861 – 1865, im Deutsch-Französischen Krieg 1870 / 71 und in verschiedenen Kolonialkriegen totalisierende Tendenzen des Krieges? Welches sind die Faktoren und Dimensionen eines „totalen Krieges“? Ausführlicher werden unter dieser Perspektive anschließend Forschungskontroversen zum Ersten und zum Zweiten Weltkrieg behandelt.

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts erklärt sich in vielerlei Hinsicht durch den Ersten Weltkrieg, der als dessen „Urkatastrophe“ bezeichnet wurde. Ohne ihn hätte es vermutlich keine Russische Revolution gegeben, die USA wären nicht so rasch zur Großmacht aufgestiegen, Faschismus und Nationalsozialismus in Europa lassen sich ohne ihn nur schwer begreifen. Einige Folgen des Krieges gingen erst 1989 zu Ende, und die Balkankriege am Ausgang des 20. Jahrhunderts verweisen wiederum auf den Vorabend des Ersten Weltkrieges bzw. auf die territoriale und politische Nachkriegsgestaltung zurück.

Die Erforschung des Ersten Weltkrieges unterlag bis heute vielfältigen Paradigmenwechseln, von der Politikgeschichte über die Sozialgeschichte bis hin zu neuen Ansätzen der Mentalitäts- und Erfahrungsgeschichte. Er war ein moderner, industrialisierter Krieg mit Massenmobilisierung, Kriegsökonomien, der Einbeziehung von Mann und Frau, von Front und Heimatfront, er wirkte als Katalysator des sozialen Wandels und setzte destruktive Potenziale des technischen Forstschritts frei. Vieles antizipierte bereits den Zweiten Weltkrieg, wenngleich dieser durch den rassischen Vernichtungskrieg und das Ausmaß an Kriegsverbrechen eine neue, bisher nie da gewesene Stufe erreichte. Bereits der Erste Weltkrieg stellte einen Krieg der Ideologien dar: Zivilisation kämpfte gegen Kultur, Gut gegen Böse, ein Einlenken kam für beide Seiten nicht in Betracht. Es zeigte sich schon hier eine Unbedingtheit, die zum Grundmuster des Zweiten Weltkrieges werden sollte.

Kann es nach einem totalen Krieg, der die Leidenschaften der Menschen aufputschte und den Schrecken ins Unermessliche steigerte, einen Frieden geben? Oder setzte sich der Krieg in der Nachkriegszeit fort? Der Versailler Vertrag von 1919 und die Situation nach 1945 brachen in vielfältiger Weise mit dem Muster früherer Friedensschlüsse. Gerade am Versailler Vertrag – der kein „Vergeben und Vergessen“ vorsah, wie die Friedensschlüsse vor ihm, sondern die deutsche Alleinkriegsschuld festschrieb – entzündete sich eine bis heute andauernde Kontroverse. Nach 1945 bildete der Nürnberger Kriegsverbrecherprozess das Scharnier zwischen Krieg und Frieden. Aber welche Wirkungen gingen von ihm aus? Und warum konnten eindeutige Verbrechen mit der Legende von der sauberen Wehrmacht vernebelt werden?

Ausblick

Am Schluss des Buches steht ein Ausblick. Er widmet sich den verschiedenen Interpretationen des Kalten Krieges und beleuchtet wichtige Rüstungstheorien, vor allem der amerikanischen Forschung. Er fragt nach der Bedeutung der UNO für die Friedenswahrung nach 1945: Kann Frieden ein Kriegsziel sein? Ist militärisches Eingreifen aus humanitären Gründen erlaubt? Schließlich skizziert er die Debatte über die „internationale Zivilgesellschaft“ und die grundlegenden Wandlungen von Krieg und Frieden unter den gegenwärtigen Bedingungen der Globalisierung, die in Zukunft vermutlich ganz neue Friedensstrategien erfordern wird.

Krieg und Frieden in der Neuzeit

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