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e) Gender Studies und Kinder im Krieg

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Friedfertige Frauen, kriegerische Männer?

Lange Zeit kennzeichnete die Militärgeschichtsschreibung ein doppelt männlich geprägter Blick: männliche Historiker beschäftigten sich mit männlichen Akteuren. Die geschlechtergeschichtliche Perspektive blieb nahezu vollständig ausgeblendet. Mehr noch: Feministische Wissenschaftlerinnen der ersten Stunde gingen ihrerseits lange von einer Dichotomie aus, derzufolge die bürgerliche Gesellschaft vom Gegensatzpaar „friedfertige“ Frau und „kriegerischer“ Mann geprägt sei und es sich deshalb erübrige, sich mit dieser Männerdomäne zu befassen (41). Die heutige Geschlechterforschung hat jedoch diese Dichotomie selbst als ein Produkt sozialer, kultureller und politischer Konstruktion erkannt. Sie fragt deshalb nach den Zusammenhängen von Militärverfassung, Kriegführung und Geschlechterordnung von der Zeit der Söldnerheere der Frühen Neuzeit bis zum Beginn einer industriellen Massenkriegführung im Zeitalter der Weltkriege (55).

Die scharfe Trennung zwischen Bevölkerung und Armee ist erst eine Erscheinung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Zuvor überschnitten sich zivile und militärische Welt permanent. Die Tross- und Lagergesellschaft der Frühen Neuzeit bestand bis zu 50 Prozent aus Frauen und Kindern, mitziehende Soldatenfamilien gehörten zu den Heeren auch noch des 18. Jahrhunderts. Erst im Zuge tief greifender Wandlungsprozesse seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die fast alle Länder Europas erfassten und zur allgemeinen männlichen Wehrpflicht sowie zur Kasernierung führten, änderte sich dies schlagartig. Der Gegensatz zwischen „Front“ und „Etappe“ stellt sich im Lichte geschlechtergeschichtlicher Betrachtung weniger als eine militärisch-funktionale Grenzziehung dar, sondern als eine symbolische, die zwischen Männern und Frauen gezogen wurde.

Geschlechterbilder

Neuere Untersuchungen haben mittlerweile beispielsweise herausgearbeitet, dass Geschlechterbilder für die Entwicklung nationaler Ideologien und Bewegungen sowie für die Mobilisierung von nationaler Kriegsbereitschaft eine nicht zu unterschätzende Bedeutung besaßen (54), und dass zudem die Kriege im 19. und 20. Jahrhundert auf die Entwicklung von Geschlechterordnungen eine zutiefst konservative Wirkung hatten. Veränderungen im Verhältnis zwischen Mann und Frau, die während der Kriegszeit eintraten, erscheinen in der heutigen Forschung mehr und mehr oberflächlich und provisorisch; sie hatten in der Nachkriegszeit häufig keinen Bestand. Die neue Geschlechterforschung widmet sich auch militärischen Männlichkeitsvorstellungen, sei es im Krieg oder in der zivilen Welt. Wie wurden, so lauten einige ihrer bevorzugten Fragen, Geschlecht in den militärischen Diskursen von Kriegs- und Nachkriegszeiten konstruiert, wie in Beziehung gesetzt zum staatlich legitimierten Töten? Wie beeinflussten sich militärische und zivile Deutungsmuster gegenseitig? Daneben wird freilich auch nach den aktiv teilnehmenden Frauen in kriegerischen Auseinandersetzungen gesucht, wobei längst nicht mehr umstritten ist, dass es seit der Antike Frauen in Waffen gab, und Frauen von derselben Aggressionsbereitschaft beseelt sein konnten und können wie Männer.

Frauen als Soldatinnen

Kontrovers und z. T. polemisch diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hingegen, ob es sich bei den Frauen in Waffen um Emanzipationserscheinungen handelt (66) oder vielmehr um Tendenzen des militärischen Niedergangs, wie einer der führenden israelischen Militärhistoriker der Gegenwart, Martin van Creveld, argumentiert. Seine höchst provokative These lautet, dass Frauen zwar als Anstifterinnen, Ursachen und Ziele, als Opfer oder Schutzbefohlene der Männer unverzichtbar für den Krieg seien, ja dass es ohne Frauen keinen Krieg gäbe; aber jenseits dieser „Funktionen“ würden sich Frauen und Militär nicht vertragen. Van Creveld versucht detailliert darzulegen, „wie dem Niedergang des Militärs der Zustrom von Frauen folgte und der Zustrom der Frauen den Niedergang des Militärs weiter beschleunigte“ (68, S. 18). Je mehr Frauen in die Streitkräfte verschiedener Länder der Erde eingetreten seien, desto weniger würden die Streitkräfte bereit und in der Lage sein zu kämpfen. Schon aufgrund ihrer physischen Unterlegenheit gegenüber Männern gehören nach van Creveld Krieg und Kampf nicht zur Rolle der Frau – alles andere zu behaupten sei eine große Illusion.

Kinder im Krieg

Bei solchen Thesen fragt man sich natürlich, wie es dann um Kinder im Krieg bestellt ist. Zu allen Zeiten haben Kriege auch Kinder und Jugendliche betroffen, als Opfer und Täter, und in den gegenwärtigen Medienberichten aus den Kriegszonen der Welt erschüttert es manchen Betrachter schon nicht mehr, Kindersoldaten mit schweren Maschinengewehren zum Töten bereit zu sehen. Wie gehen Gesellschaften in Extremsituationen mit ihren Kindern um? Wer überhaupt ist in unterschiedlichen historischen Gesellschaften als „Kind“ oder „Jugendlicher“ zu bezeichnen? Wie prägen kindliche Kriegserfahrungen das spätere Erwachsenenleben? Während die konventionelle Militärgeschichte diesen Themen fast gar keine Aufmerksamkeit gewidmet hat, möchten neuere Untersuchungen herausfinden, „wie in je unterschiedlichen zeitlichen und kulturellen Kontexten Kinder und Jugendliche während und nach Kriegen behandelt wurden, ob und inwieweit Gesellschaften dies überhaupt wahrnahmen und wie sie darauf reagierten“ (48, S. IX). So ist der geschlechtergeschichtliche Zugriff auf das Thema Krieg und Frieden um den ebenso wichtigen, aber noch in den Kinderschuhen steckenden generationengeschichtlichen Zugriff erweitert worden.

Krieg und Frieden in der Neuzeit

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