Читать книгу Inferno - Edward Stilgebauer - Страница 7
IV.
ОглавлениеEine schöne Empfehlung von meinem Herrn Hauptmann. Ich soll der Frau Major diese Rosen bringen.
Weiß, der Bursche Adolfs, steht im Salon vor Melanie.
Ohne dass sie es in ihren Erinnerungen an die Vergangenheit bemerkt hat, ist er eingetreten. Jetzt steht er in strammer, militärischer Haltung an der Tür. Sie schlägt voll Verwirrung die stahlgrauen Augen zu ihm empor, als ob es nicht der Bursche, sondern der Herr selbst wäre. Es kommt ihr vor, als müsse sie im Anblick dieser Rosen den letzten Rest ihrer mühsam zusammengehaltenen Fassung verlieren.
Sie sind aus dem Vorgärtchen am Hause des Herrn Hauptmann, diese Rosen, Weiß, sagt sie endlich.
Jawohl, gnädige Frau! Der Herr Hauptmann haben doch selbst die Stämmchen vor ein paar Jahren einpflanzen lassen und sie eigenhändig veredelt.
Ich weiß es, Weiß, und ich kenne diese Rosen. Haben Sie mir sonst noch etwas auszurichten, mein Freund?
Sie weiß gar nicht, dass und wie das Wort Freund auf ihre Lippen getreten ist. Sie erinnert sich nur dunkel daran, dass das der Ausdruck ist, dessen sich der Major zu bedienen pflegt, wenn er, was selten vorkommt, seinen Untergebenen gegenüber eine joviale Anwandlung hat.
Der Herr Hauptmann werden selbst bald da sein, haben der Herr Hauptmann gesagt.
So — es ist gut, Weiß!
Zu Befehl, gnädige Frau!
Der Bursche will sich entfernen.
Halt, Weiß, nehmen Sie mir doch die Vase vom Schrank herunter. Sie sind größer als ich.
Die Meißener, die vom Bücherschrank, gnädige Frau?
Jawohl, Weiß, die Meißener Vase dort auf dem Bücherschrank.
Der Bursche folgt ihrem Befehl.
So, sagt Melanie, jetzt wollen wir die Rosen gleich ins Wasser stellen.
Sie geht an die Tür und klingelt nach Frau Hof.
Es dauert eine ganze Weile, bis die Alte eintritt.
Füllen Sie die Vase mit Wasser und stellen Sie die Rosen hinein! Sie bringen sie dann wieder hierher!
Schön, gnädige Frau!
Frau Hof wirft einen bitterbösen Blick auf die armen Rosen und trollt sich in die Küche, zwischen den Zähnen murmelt sie ein paar Worte, die Melanie nicht versteht.
Auch Weiß will gehen.
Bleiben Sie noch einen Moment, Weiß!
Zu Befehl, gnädige Frau!
Melanie geht an den Rauchtisch ihres Mannes, der neben dem Schreibtisch steht, und entnimmt einer Kiste ein paar echte Havannas.
Hier, eine Handvoll Feldzugszigarren, Weiß!
Ich danke der gnädigen Frau!
Hören Sie, Weiß!
Gnädige Frau!
Wie ist die Stimmung des Herrn Hauptmann, hat er gestern Abend etwas zu Ihnen gesagt?
Nicht dass ich wüsste, gnädige Frau. Er pfeift den ganzen Tag vor sich hin, auch gestern Abend, den ganzen Abend Melodien, doch das haben der Herr Hauptmann ja immer mit Vorliebe getan.
Und Sie, Weiß?
Wie meinen das die gnädige Frau?
Wie Ihre Stimmung ist? Es geht doch jetzt ins Feld, am Ende in den Tod, mein Freund!
Wieder dieses seltsam joviale Wort aus ihrem Munde, vor dem sie selbst erschrickt, nachdem es gesprochen ist. Sie meint es ja in dem wohlwollenden Tone des Majors, aber sie kann es nie und nimmer in diesem Tone hervorbringen, weil ihr Wohlwollen in seinem Sinne je und je fern gelegen hat. Und dennoch bedient sie sich dieses Wortes. Vielleicht denkt sie auch bei diesem Worte an den Herrn, während sie doch das Wort an den Diener richtet.
Weiß spielt verlegen mit seiner Mütze, er weiß nicht recht, was er der gnädigen Frau aus deren Frage erwidern
soll.
Nun, Weiß, und Sie, wie ist Ihre Stimmung am Tage vor dem Ausmarsch über die Grenze?
Gott, gnädige Frau, ich habe eine Braut, sagt er endlich.
Alle Soldaten haben Bräute. Weiß, da denkt man sich doch weiter nichts dabei, wenn man als Soldat eine Braut hat, sagt Melanie absichtlich leichthin.
Da steigt die Röte in das Gesicht des jungen Burschen.
Doch nicht so, gnädige Frau, eine wirkliche, eine richtige Braut!
Der Ernst des Burschen lächert sie einen Moment.
Aus diesem Gefühl heraus fährt sie jetzt fort:
Also nicht so, Weiß, eine richtige Braut, die Sie heiraten wollen?
Wahr und gewiss, gnädige Frau, ich wäre doch im September frei geworden, wenn der Krieg nicht gekommen wäre. Mein Vater hat ein Gütchen in Wolfach im Schwarzwald, meine Eltern warten schon lange auf mich und die Liesel ist eines reichen Bauern Tochter. Mit der hab’ ich mich im letzten Ernteurlaub versprochen, die Äcker grenzen doch aneinander, gnädige Frau!
Freilich, wenn die Acker aneinander grenzen!
Ein feines Lächeln geht über Melanies Züge.
Tout comme chez nous, fährt es durch ihren Kopf.
Doch sie will den armen Burschen nicht weiter quälen. Deshalb sagt sie:
In ein paar Monaten werden Sie als Sieger heimkehren, Weiß, dann werden Sie Ihre Liesel heimführen und die Äcker können zusammengegeben werden.
Das hoffe ich ja auch, gnädige Frau, wenn wir die Franzosen erst verhauen haben!
Und die Russen und die Engländer, Weiß, vergessen Sie das, bitte, nicht!
Die werden wir auch verhauen, gnädige Frau!
Melanie hört gar nicht mehr hin.
Der Bursche glaubt sich entlassen. Er klappt daher die Haken zusammen und sagt:
Adieu, Frau Major!
Und sie: Leben Sie wohl, mein Freund!
In diesem Augenblick tritt Frau Hof wieder ein. Sie trägt die Vase mit den Rosen in der Hand und stellt sie sorgsam auf den Schreibtisch.
Sie hat die letzten Worte gehört, die Melanie an den Burschen gerichtet, und ein Ausdruck unsäglicher Verachtung tritt in ihr Gesicht. Sie ist namenlos eifersüchtig auf ihren Herrn Major, und der da, der traut sie schlechterdings alles zu.
Ist es so recht, fragt sie.
Jawohl, es ist so recht, Frau Hof! Sie können wieder gehen.
Auch in dem Inneren Melanies steigt plötzlich so etwas wie instinktive Feindschaft gegen diese Frau Hof auf. Warum, weiß sie eigentlich selbst nicht. Die Frau steht doch so tief unter ihr, so tief, dass sie kaum eines feindlichen oder freundlichen Gefühles der gegenüber fähig sein sollte. Sozial schon so tief! Aber das meint sie gar nicht, nein! Sie empfindet es nur allzu deutlich, ein Abgrund trennt sie von dieser Frau. Frau Hofs schmutzige Gedanken reichen nie und nimmer an Melanie von Berkersburgs Reinheit heran. Und dennoch, die Alte hat das Ohr des Majors. Sie selbst, Melanie von Berkersburg, hat doch so oft gehört, dass Frauen das Herz alternder Männer auf dem Wege durch den Magen gewinnen. Frau Hof führt ihm seit fünfzehn Jahren die Wirtschaft, Frau Hof allein weiß, wie er dieses und jenes zubereitet haben will, und Frau Hof schwingt den Kommandostab in der Küche. Grund genug, um bei einem Manne wie dem Major dieser Frau Hof gegenüber auf der Hut zu sein, denkt Melanie.
Und Frau Hof steht immer noch unbeweglich im Rahmen der Tür.
Wünschen Sie am Ende noch etwas von mir, Frau Hof?
Gereizt kam diese Frage aus dem Munde Melanies.
Frau Hof bemerkt das wohl.
Einen Moment weidet sie sich an dem Ärger der jungen Frau, dann sagt sie langsam, jedes Wort deutlich betonend:
Der Herr Major sind vorhin bei mir in der Küche gewesen, gnädige Frau!
Eigentlich will Melanie auf diese Bemerkung, die sie als Frechheit empfindet, gar nichts erwidern. Aber sie lässt sich trotz aller guten Vorsätze dieser Person gegenüber hinreißen und sagt:
Und was wollte der Herr Major bei Ihnen in der Küche, Frau Hof, wenn ich fragen darf?
Der Herr Major haben nur den Speisezettel zu ändern für gut befunden, gnädige Frau!
Wir haben doch Besuch, stößt jetzt Melanie unbesonnen hervor.
Der Herr Major wünschen Lammbraten an Stelle der Hühner.
So — Herr Hauptmann Adolf isst aber keinen Lammbraten. Dann machen Sie beides, hören Sie, Frau Hof, den Lammbraten und die Hühner, und jetzt gehen Sie endlich, Sie ennuyieren mich, ich habe zu tun!
Schön, gnädige Frau, also beides! Wenn der Herr Major nur nicht ungehalten werden . . .
Lassen Sie das ganz meine Sorge sein, Frau Hof!
Das tue ich ja auch, gnädige Frau!
Frau Hof ist glücklich draußen.
Melanie nimmt die Vase mit den Rosen in die Hand und saugt deren köstlichen Duft mit vollen Zügen in sich hinein.
Für sie und für ihn haben die Rosen ihre Geschichte.
Adolf ist nicht nur Musiker, er ist auch ein großer Blumenfreund und er versteht sich auf Rosen. Melanie und er haben seinerzeit die Auswahl der Sorten getroffen, da er sich entschloss, das kahle Vorgärtchen des Hauses, in dem seine einsame Junggesellenwohnung lag, mit Rosenbäumen zu bepflanzen und diese selbst zu veredeln. Sie haben zusammen die schönsten Sorten bei Schmidt in Erfurt bestellt. Manche Abende, während der Major im Kasino Karten spielte, haben sie hier zusammen in der Villa gesessen und gewählt und gewählt.
Auch Frau Hof erinnert sich an diese Abende.
Melanie betrachtet die Rosen.
Da war die rosenrote, die La France, die Rose, für die sie schwärmte, nicht nur ihrer herrlichen Größe und wundervollen Farbe halber, sondern auch wegen ihres Namens! Sie, die in Paris gewesen, an Bertha von Amthors Seite, damals, als sie die Dame d’honneur der reichen Freundin im Hotel der Champs Elysees zum besten gehalten. Als Erinnerung an diese ihre schönste Zeit hatte Adolf diese Rose gewählt. Da war die purpurrote, die Lady Rothschild, und die blendend weiße, die Marquise Pompadour und endlich die gelbe, die schwefellohende Maréchal Niel, die das schwere Köpfchen wie in banger Sorge hängen ließ. Sie, die ihm über alle anderen ging! Zu der hatte er ihr die Heine’schen Verse ins Gedächtnis zurückgerufen:
Liebe, die mit Ärger kämpft,
Ärger, der die Liebe dämpft,
Lieben und sich dann erbosen.
Sie lächelt. Auch in diesem ernsten Augenblick kann sie in solcher Erinnerung lächeln. Sagte er doch, das sei seine Sache, wenn er sie an der Seite des Major betrachte. Lieben und sich dann erbosen!
So hatte er damals gesagt!
Die leuchtende Sonne des August ist hinter den Hügeln westlich des Stromes zur Rüste gegangen. Ein kühlerer Wind fährt über den Rhein. Er kündet zusammen mit dem werdenden Düster die kommende Nacht. In der Rheinallee flammen die elektrischen Bogenlampen auf.
Melanie schließt die auf die Altane führende Tür. Sie schaltet die Glühbirnen ein. Ein sanfte: Schimmer erfüllt den Salon, in dem sie seiner wartet.