Читать книгу Pyria - Elin Bedelis - Страница 11
ОглавлениеStürmische See
Hätte ihn jemand vor die Wahl gestellt, hätte Gwyn die gesamte Schifffahrt am Fuße des größten Mastes verbracht und auf die Reling gestarrt, anstatt auf diesem Kahn hin und her zu rennen. Dass Machairi andere Pläne hatte, wusste er auch, ohne ihn zu fragen. Nachdem er Vica und Mico davon abgehalten hatte, sich gegenseitig umzubringen, lehnte er nun neben Rish an der Reling und sah hinaus auf die tödlichen Weiten des Meeres. Auch wenn er zugeben musste, dass es schön aussah, konnte er nicht ignorieren, was für Wassermassen sich unter ihm und um ihn herum befanden. Verzweifelt versuchte er, nicht darüber nachzudenken, was es bedeuten würde, über Bord zu gehen, aber immer wieder suchte ihn der Gedanke heim und brachte altvertraute Angst mit. Jedes Mal schluckte er es herunter und konzentrierte sich lieber wieder auf seine Unterhaltung mit Rish. Er war dazu übergegangen, sie Rish zu nennen, weil er wusste, dass Reed das so wollte. Trotzdem fand er Leén etwas passender und schöner. Dadurch dass sie dabei war, fühlte es sich wenigstens nicht mehr so an, als sei er die einzige halbwegs normale Person in dieser Gruppe. Mico war ein wenig unheimlich, weil Gwyn seine Fähigkeiten nachhaltig unterschätzte und keine Ahnung hatte, wozu er alles fähig war, Vica war auch ein Fall für sich und von Machairi selbst musste er gar nicht erst anfangen. Rish dagegen war beruhigend normal, auch wenn er auch bei ihr das Gefühl hatte, dass mehr in ihr steckte, als sie vielleicht selbst wusste. Vermutlich sah das auch Machairi und das war der Grund dafür, dass er sich dafür entschieden hatte, auf sie aufzupassen und sie mitzunehmen.
In der Ferne traf das Meer den Himmel und Gwyn fragte sich, wie lange die Überfahrt wohl dauern würde. Er hatte den heimischen Kontinent nie verlassen. Vor langer Zeit war er einmal auf eine Insel hinausgefahren, die an der Westküste Cecilias lag, danach war er noch ein zweites unseliges Mal auf einem Schiff gewesen und danach nie wieder. Eigentlich hätte er wissen müssen, dass er eines Tages mit Machairi auf einem Kahn wie diesem landen würde. Im Grunde lief dennoch alles viel zu gut. Es war nicht üblich, dass ihnen das Schicksal wohlgesonnen war. Normalerweise wurde alles, was sie anfassten, so kompliziert es ging. Bisher hatten sie jedoch immer einen Ausweg gefunden, was hauptsächlich Reed zu verdanken war, der scheinbar jedes Hindernis vorausahnen und bezwingen konnte.
»Wo kommst du eigentlich her, Gwyn?«, fragte Rish unverhofft von der Seite und sah ihn neugierig an.
»Ganz kleines Dorf bei Atlek in Emprin … ist wirklich nichts was man kennen muss.« Schmunzelnd dachte er zurück an die Höfe, die im Schatten der Berge die Felder bestellten und an das kleine Bauernhaus, in dem seine Eltern vielleicht noch immer lebten.
»Sind die Zhaki nicht eigentlich ein Wandervolk?«,
»Waren sie mal, ja.« Gwyn zuckte mit den Schultern. »Aber mit der Zeit sind die meisten sesshaft geworden.«
Rishs Augen funkelten, als sie offensichtlich zu träumen anfing. »Ein Leben, wo man überall zuhause ist, muss doch eigentlich grandios sein! Ich habe die Zhaki zu Hause immer beneidet.«
Gwyn zögerte, aber dann schüttelte er den Kopf. »Das habe ich auch mal gedacht, aber eigentlich endet es damit, dass du hinterher nirgends mehr zuhause bist. Für Reisende ist die Familie das Zuhause, aber so ganz allein …« Mit einem Anflug von Wehmut dachte er zurück an seine Kindheit. »Ich bin mit einer wandernden Gauklergruppe schon viel zu früh von Zuhause weggegangen«, murmelte er. Eine seltsame Melancholie überkam ihn bei der Erinnerung, so wie es immer war, wenn er über alles nachdachte, was er erlebt hatte, bevor er nach Kefa gekommen war.
»Also war es nicht schön?«, fragte Rish vorsichtig und sah ihn von der Seite an. Sorge lag in ihrem Blick. Gwyn hatte schon fast vergessen, wie es war, mit sozial- und empathiefähigen Menschen zusammen zu sein.
Schmunzelnd sah er zu ihr und zuckte dann mit den Schultern. »Doch, schon. Es war spannend und aufregend und unter den Gauklern habe ich gelernt, so zu tun, als sei alles nur ein Trick.« Eigentlich hatte er eine kleine Flamme rufen wollen, aber er stoppte sich mitten in der Bewegung. Auf einem Schiff aus Holz war ein Feuer vielleicht keine gute Idee. »Ich war dort definitiv besser aufgehoben als in dem Dorf.«
»Aber …?«, fragte sie und legte den Kopf leicht schief, während sie ihn forschend musterte.
Gwyn spürte, wie er nervös wurde. Normalerweise hasste er es, in seiner Vergangenheit zu wühlen, und vermied das Thema. Andererseits war mit Rish zu reden etwas ganz anderes, als zum Beispiel mit Chitra Wache zu schieben. Bei ihr hatte er das Gefühl, dass es sie vielleicht wirklich interessierte und dass sie bereit war, ihm zuzuhören, wenn er redete. Gleichzeitig hatte er auch Interesse daran, selbst mehr über das Mädchen zu wissen, das Geheimnisse zu hüten schien, von denen sie selbst nichts wusste. Das, oder sie war eine verdammt gute, sehr gerissene Schauspielerin und er ging ihr geradewegs ins Netz. Seine Menschenkenntnis litt zuweilen unter seinem Optimismus, dessen war er sich wohl bewusst. Er wollte einfach zu gerne das Gute in einem Menschen sehen.
Trotzdem hatte Rish ihm noch nicht den geringsten Grund gegeben, ihr Verhalten anzuzweifeln und deshalb beschloss er erneut, dass man ihr vermutlich vertrauen konnte. »Das ist alles nicht so einfach, wenn man sich immer verstecken muss und nicht weiß, wem man trauen kann«, sagte er schließlich langsam. Er erinnerte sich zurück an die zahllosen Jahrmärkte, auf denen sie aufgetreten waren, und an die normalen Marktplätze, auf denen sie den ganz normalen Bewohnern eines Dorfes den Tag versüßten. Manchmal vermisste er die Gaukler, mit denen er gereist war, auch wenn es Dinge gab, an die er sich lieber nicht erinnerte. »Ich habe allerdings auch viele unheimlich nette Menschen getroffen und unter den Gauklern waren einige der schlausten Menschen, die ich je getroffen habe. Aber man wird es halt doch irgendwann überdrüssig, in zugigen Zelten auf dem Boden zu schlafen, niemals wirklich irgendwo anzukommen und sich eigentlich nur irgendwie über den Tag zu retten.« Zumindest hatte er das inzwischen so beschlossen. Ob er das tatsächlich schon damals so gesehen hatte, vermochte er nicht mehr zu sagen.
Rish nickte und hörte interessiert zu. Vermutlich stellte sie sich eine fröhliche, bunte Karawane vor, die singend und turnend im Gänsemarsch von Dorf zu Dorf zog. Das war das Bild, das die Meisten im Kopf hatten, wenn sie an fahrende Gaukler dachten. »Also bist du einfach in Kefa geblieben«, schloss sie dann und sah zurück in die Richtung, in der Cecilia liegen musste.
»Nicht ganz, aber so ähnlich«, antwortete er nur. Er war schon lange nicht mehr Teil der Gruppe gewesen, als er ohne irgendwelchen Besitz in Kefa angekommen war. Die wirklich furchtbaren Dinge waren in der Zwischenzeit passiert, aber damit würde er sie – und auch sich selbst – jetzt nicht belasten. Die Reise, die vor ihnen lag, war auch ohne vergangene Laster schwer genug und er zog es vor, diese Dinge zu lassen, wo sie immer gewesen waren. Jetzt wurde es Zeit, den Spieß umzudrehen. »Und du?«, fragte er. »Also, ich weiß, dass du aus Hareth kommst und dass du mit deinem Vater gekommen bist.«
Rish senkte den Kopf und sah auf die Reling, als könnte sie die Geschichte dort geschrieben sehen. »Ja, meine Mutter ist letzten Autram gestorben. Wir haben nahe der Küste gelebt und ohne sie meinte mein Vater, dass wir vermutlich nicht länger erwünscht seien.«
»Warum nicht?« Überrascht hob Gwyn die Augenbrauen und beobachtete sie dabei, wie sie angestrengt alles ansah, nur nicht ihn.
»Mein Vater ist Cecilian und ich kann nicht behaupten, dass die Vorurteile nicht auf Gegenseitigkeit beruhen. Er ist immer kritisch beäugt worden und ohne meine Mutter … die Leute haben geredet.« Angespannt knetete sie ihre Hände. »Irgendwie hat er wohl geglaubt, dass in seiner alten Heimat alles wieder gut werden könnte.«
»Und dann ist er verhaftet worden«, murmelte Gwyn und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
»Das ist nicht mal alles. Seit ihrem Tod war er anders, fast paranoid und immerzu besorgt. Ich weiß nicht warum, aber er schien fest davon überzeugt, dass wir uns in Gefahr befänden, und jetzt sieht es so aus, als seien wir der Gefahr geradewegs in die Arme gelaufen.«
»Das tut mir leid«, murmelte Gwyn und sah sie mitleidig an. Er konnte sich gut vorstellen, dass auch sie genug von unglücklichen Ereignissen hatte. Leider konnte er ihr nicht einmal sagen, dass alles gut werden würde. Er glaubte, dass nicht einmal Machairi ihr eine solche Aussicht hätte stellen können, und wozu sollte er eine leere Phrase klopfen.
»Danke, Gwyn«, hauchte Rish und sah wieder auf das weite Meer hinaus. »Ich hoffe einfach, dass ich ihn noch wiedersehen werde.«
»Wer weiß, wie die Dinge stehen, wenn wir aus Hareth zurückkehren. Vielleicht lässt sich dann ein gewisser Schatten doch dazu überreden, deinen Vater aus den Kerkern zu holen«, versuchte Gwyn sie aufzuheitern.
Jetzt schmunzelte Rish wenigstens ein bisschen. »Nicht einmal du weißt, was er tun wird und was nicht, oder?«
Amüsiert lachte Gwyn auf. Nein, Machairi war für ihn ebenso unberechenbar wie für alle anderen auch. »Ich schätze, dass das niemand weiß … manchmal habe ich fast den Eindruck, dass er selbst nicht so sicher ist, was er tun wird und was nicht, aber vermutlich wünsche ich mir das einfach nur.«
»Ich hoffe, dass er ganz genau weiß, was er tut, wenn er mit uns durch die Wüste will, sonst leitet er uns geradewegs ins Verderben. Diese Wüste ist … tückisch.« Sie erschauderte. »Selbst erfahrene Wüstenläufer kehren häufig nicht zurück und es scheint mehr ein Glücksspiel als tatsächliches Können zu sein, ob man den Weg überlebt oder nicht.«
»Klingt wie für uns gemacht«, schmunzelte Gwyn und blickte hinab auf seine bandagierte Hand. Immerhin war die Wahrscheinlichkeit, dass man in der Wüste ertrank, doch recht gering. Außer es gab dort Treibsandfelder, dann war es vielleicht doch nicht unmöglich, aber er zog es vor, nicht darüber nachzudenken. Ein Teil von ihm befürchtete ohnehin schon die ganze Zeit, dass sich dieses Mal vielleicht sogar Reed überschätzte. Die Leute sagten ihm immer wieder, dass auch ein Machairi irgendwann nachhaltig Pech haben würde und eigentlich wollte er das nicht miterleben.
Rish schüttelte den Kopf, teils amüsiert, teils besorgt. »Ihr seid schon alle wahnsinnig.«
»Wir, Rish. Wir sind wahnsinnig«, erinnerte Gwyn sie grinsend. »Du wirst mit uns zusammen sterben, ist das nicht schön?«, witzelte er.
»Ein Traum!« Sie lachte, aber es klang auch die Sorge darin mit, die er auch selbst jedes Mal nicht abschütteln konnte und dennoch hinter einem Grinsen versteckte.
»Wir haben schon ganz anderen Wahnsinn überlebt«, sagte er sich und ihr, um sie beide zu beruhigen. »So eine Wüste kann nicht unser Ende sein!«
Rish nickte und drehte sich um, sodass sie nun rücklings an der Reling lehnte und das Deck überblicken konnte. Ihr Blick wanderte zu Machairi, der oben auf dem Achterdeck stand und über die Matrosen blickte, die geschäftig ihren Aufgaben nachgingen.
Gwyn folgte ihrem Beispiel und beobachte ihren langen Zopf, der ein bisschen hin und her baumelte, wann immer sie sich bewegte, und dessen Ende ein hübsches Haarband mit einem kleinen Stein zierte. Gelegentlich fuhr sie gedankenverloren darüber und folgte den Strähnen mit den Fingern, bis sie ihn wieder losließ. Die Kleider, die Reed für sie besorgt hatte, unterstrichen ihre Schönheit mehr als die Lumpen, in denen sie eingetroffen war, und Gwyn fand, dass sie wahrlich außergewöhnlich hübsch war. Einen ganzen Moment betrachtete er sie nachdenklich, als könnte er ihr ihre Geheimnisse doch noch von ihrem Körper ablesen, doch dann sah er aus dem Augenwinkel einen kleinen Schatten über Deck huschen. Über ihm flatterte ein Pergament und er hüpfte hin und her, um den Matrosen auszuweichen, an denen er vorbeikam. Ein langer buschiger Schwanz ragte unter dem Pergament hervor und Gwyn konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, als er Puki erkannte. Das Wiesel hatte offensichtlich Schwierigkeiten, das viel zu große Stück Pergament mit sich zu tragen und gleichzeitig nicht zertreten zu werden. Trotzdem hielt es einigermaßen zielstrebig auf den Schatten zu und sprang dann die Treppe zum Achterdeck hinauf, wurde allerdings von einem Windstoß erfasst und von dem Pergament, das sich blähte wie ein Segel wieder hinabgeworfen. Gwyn hatte sich schon halb auf den Weg gemacht, um der kleinen Kreatur zu helfen, als es auf der Hälfte des Weges von Machairi von dem Pergament befreit wurde.
Auch Rish hatte zugesehen, aber sie sah nur schuldbewusst belustigt aus, während Gwyn sich köstlich amüsierte. Ihr Blick haftete nun ebenfalls auf dem Schatten und Gwyn fragte sich, was das war, was da in ihrem Blick lag, wenn sie zu ihm sah. Es war nicht nur Angst oder ein gewisses Maß an Bewunderung. Da war noch etwas anderes und Gwyn war sich nicht sicher, ob sie sich damit einen Gefallen tat.
Reed entfaltete das Pergament und betrachtete was immer darauf stand mit einer solch bitteren Entschlossenheit, dass Gwyn das Lachen verging. Er kannte diesen Blick. Was auch immer Vica mitzuteilen hatte – etwas Gutes war es nicht. Puki hatte inzwischen den Rückweg angetreten und lief nun wesentlich geschmeidiger. Das Pergament hatte die Aerodynamik des Wiesels wohl doch nennenswert beeinträchtigt. Wieder konnte Gwyn beobachten, wie sich Reed dem Kapitän zuwandte und kurz einige Worte mit ihm wechselte. Dabei konnte er nicht verleugnen, dass es ihn unheimlich interessierte, was nun auf diesem Pergament stand. Die wichtigste Frage war vermutlich: Wie schlimm ist es? Und die nächste dann: Was ist es?
»Ich frag mal, was los ist«, murmelte er an Rish gewandt und stieß sich von der Reling ab. Das Holz unter seinen Füßen fühlte sich noch immer beunruhigend beweglich an und er gab sich größte Mühe, sich seine Anspannung nicht anmerken zu lassen. Vielleicht taumelte er ein wenig, aber er glaubte, dass er einigermaßen natürlich aussah, während er auf die Treppe zuhielt. Eilig stieg er hinauf und versuchte weiterhin, das flaue Gefühl in seiner Magengegend zu verdrängen, das sich nicht vollständig zurückziehen wollte. Der Wind fuhr ihm durch die Haare, wehte ihm einzelne braune Strähnen ins Gesicht und er gab es schnell auf, sie sich aus der Stirn streichen zu wollen. Hier auf dem Achterdeck gab es keinen Windschutz und somit war das ein hoffnungsloses Unterfangen. Reed stand ein paar Schritte entfernt vom Steuer und blickte starr nach vorne. Fast hätte man meinen können, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass sich ihm jemand näherte, aber er war Machairi. Ihm entging nichts. »Was hat Vica so Wichtiges zu sagen, dass sie ihr Wiesel schickt? Wie schlimm ist es?«, fragte Gwyn locker und gesellte sich zu ihm an das Geländer, das das Achterdeck begrenzte.
»Eine Möwe in Seenot«, antwortete Reed und blickte weiter gen Horizont. »Ein Sturm zieht auf.«
Gwyn merkte, wie ihm deutlich kälter wurde bei dem Gedanken, und folgte dem Blick des Schattens. Dort in der Ferne türmen sich tatsächlich dunkle Wolken auf. Unheilvoll wäre eine nette Beschreibung gewesen. Es wirkte mehr wie ein sicherer Untergang. »Und jetzt?«, fragte Gwyn und versuchte krampfhaft, die aufkommende Panik zu unterdrücken. Ein Schiff war schon schlimm genug, aber ein Schiff in Seenot war praktisch der größte Horror, den er sich vorstellen konnte.
»Nichts jetzt. Dieses Schiff hat schon Schlimmeres überstanden!«, meldete sich der Kapitän von hinten zu Wort, der neben dem Steuer stand und die Wolkenberge mit einem Fernrohr betrachtete.
Skeptisch betrachtete Gwyn den Schatten und versuchte, zu sehen, ob Reed sich Sorgen machte oder tatsächlich nicht an ein Problem glaubte. Es war wie so oft unmöglich, hinter die Maske zu blicken, die der Messerdämon zur Schau trug. »Glaubst du ihm?«, fragte Gwyn leise, ohne seine Skepsis verbergen zu können. Zu oft schon hatte er von Schiffen gehört, die in den Tiefen der blauen See verschwunden waren. Die Wucht, die ein Schiff aushalten konnte, war eindeutig begrenzter, als ihm lieb war und das klobige Sklavenschiff war sicherlich nicht wendig genug, um sich tatsächlich durch ein Unwetter zu manövrieren. Die einzige Hoffnung war, dass es so breit war, dass es nicht so leicht zum Kentern gebracht wurde. Doch selbst das schien nicht beruhigend, wenn er an Geschichten dachte, von Wellen, so hoch wie ein Haus und gnadenlosen Strömungen, die selbst erfahrene Seeleute in die tödlichen Tiefen hinabsogen. Seine Hände wurden kalt und er dehnte nervös seine Finger.
»Es ist besser für ihn, wenn er Recht behält.« Reed nahm den Blick noch immer nicht von den Wolkenbergen vor ihnen, die nun mit jedem Augenblick näher zu kommen schienen. Die Segel blähten sich und der Wind frischte auf.
»Das ist aus deinem Munde etwas zu wenig,« murmelte Gwyn und vergrub die Finger im Geländer. Er bekam keine Antwort. Schweigend standen sie nebeneinander und blickten dem Unwetter entgegen, während die ruhige Geschäftigkeit der Crew sich in hektische Aufregung verwandelte. Gwyns Blick fiel auf Rish, die noch immer an der Reling stand und zu ihnen hinaufsah. Fragend sah sie zu ihm und stieß sich schließlich von der Reling ab, als er nichts tat, als ihr ein besorgt verzogenes Lächeln zuzuwerfen. Zögerlich kam sie ebenfalls auf das Achterdeck, wich immer wieder den Seeleuten aus, die über das ganze Schiff eilten, und stand schließlich hinter ihnen. Angespannt drehte er sich um und sah ihren besorgten Blick, in dem sich alles widerspiegelte, was er selbst befürchtete. Natürlich hatte auch sie inzwischen die dunklen Wolken gesehen und sich den Rest selbst zusammengereimt. Gwyn musste dennoch etwas sagen, um das angespannte Schweigen zu brechen. »Da vorne zieht sich eine ganz schöne Brühe zusammen.«
Rish nickte. »Was passiert jetzt? Wir wollen doch nicht ernsthaft weiter direkt darauf zufahren?« Damit sprach sie ihm aus der Seele, aber er zuckte nur mit den Schultern. Was sollte es bringen, sich gemeinsam verrückt zu machen. »Ich glaub mir wird schlecht«, murmelte sie darauf und sah unglücklich den Wolkenbergen entgegen, die unerbittlich näherkamen.
»Ja, das heranziehende Verderben kann einem schon richtig die Laune verderben«, versuchte Gwyn möglichst leichthin zu sagen, auch wenn er sich am liebsten in eine Ecke gekauert hätte. Für einen Moment glaubte er, bereits im Wasser zu stehen, das sich unaufhaltsam in die Gauklerkleider sog und ihn ertränken wollte.
Als hätte er auf sein Stichwort gewartet, tauchte nun auch Mico bei ihnen auf. »Warum drehen wir nicht bei?«, verlangte er laut zu wissen und sah grimmig von Gwyn zu Rish zu Reeds Rücken, der sich noch immer nicht regte.
Als niemand antwortete, übernahm Gwyn das. »Der Kapitän meint, dass das kein Problem ist«, klärte Gwyn ihn auf und musste ihm voll zustimmen, als er das Gesicht verzog und Rish zur Seite stieß, um hinter Machairi zu treten.
»Wir müssen beidrehen und zurückfahren, solange wir noch können!« Die Eindringlichkeit, die er an den Tag legte, zeigte nur zu deutlich, dass auch ihn das Grausen gepackt hatte, aber Machairi zeigte nicht einmal eine Regung. Sein Blick blieb auf die Wolken geheftet und er schwieg. »Du musst ihm sagen, dass er umdrehen muss!«, stieß Mico hervor und war tatsächlich aufgebracht genug, um eine der ungeschriebenen Regeln zu brechen: Er fasste nach Machairis Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen.
Gwyn machte automatisch einen Schritt zurück und die erwartete Reaktion folgte prompt. Reed griff nach Micos Handgelenk, drehte es mit einer schnellen Bewegung nach hinten und nagelte den Ärmel an der Reling fest, sodass Mico gezwungen war, sich weiter zurückzulehnen. »Das ist nicht mein Schiff und wir haben ein Ziel«, erinnerte Reed ihn in einem ruhigen und leisen Tonfall. Fast freundlich und trotzdem bedrohlich – wie üblich.
Mit wütend verzogenem Gesicht befreite Mico den weiten Ärmel von dem Messer und rammte es zurück in das Holz des Geländers. »Das wird uns alle den Hals kosten«, knurrte er und funkelte in Machairis Richtung, sah aber davon ab, ihm nochmal näher zu kommen.
»Geh unter Deck«, befahl Reed und drehte sich wieder den Wolken zu. »Ihr alle«, setzte er dann hinzu.
Gwyn erschrak. »Was? Aber wenn das Schiff tastsächlich vollläuft und die Stiege irgendwie versperrt ist …?«
»Möchtest du lieber von Deck gespült werden, Gwyn?«, fragte Reed kühl, ohne ihn anzusehen.
»Nein, aber ich möchte auch nicht da unten eingesperrt sein!« Allein die Vorstellung reichte beinahe aus, dass er sich übergeben musste. Auch Rish sah nicht begeistert aus, aber sie schien sich an seinen Rat zu erinnern und sich auf die Zunge zu beißen, anstatt zu widersprechen. »Kann ich mich nicht irgendwo … festbinden?« Seine Finger zitterten so sehr, dass sie sich fremd anfühlten, und die Panik hatte sich in seinem Magen verhärtet.
»Das Schiff ist aus Holz, Gwyn. Wenn es sinkt, kannst du dir deinen eigenen Weg schaffen«, erinnerte Reed und Gwyn rang die Hände.
»Nasses Holz!«, stieß er hervor und konnte nicht verhindern, dass sich alles in ihm sträubte.
Jetzt drehte Machairi ihm doch den Kopf zu und die schwarzen Augen durchbohrten Gwyn beinahe. »Geh«, wiederholte er und ließ keinen Platz für weiteren Widerspruch. »Hab ein Auge auf Vica und reiß dich zusammen.«
Schnaubend wandte Gwyn sich ab. Natürlich hatte er die Diskussion verloren. Er verlor sie jedes Mal. »Komm«, murmelte er Rish zu und stapfte unter Deck, auch wenn jeder Schritt ihn zurückzog. Er konnte das. Er musste das können.
Zhaki beteten üblicherweise zu dem Propheten Sulli – einem Schutzpatron der Reisenden. Wenn sie starben, wurden sie ein Teil des Landes. Es gab kein Leben nach dem Tod für sie, keine Göttertafel und keine Unterwelt, aber wenn er an eine solche geglaubt hätte, dann hätte er sie sich in etwa so vorgestellt, wie diesen Schiffsbauch. Immer mehr hatte das Schiff zu schaukeln begonnen und bald hatten sie den Regen hören können, wie er auf das Deck über ihnen prasselte. Inzwischen grummelte regelmäßig ein bedrohlicher Donner über ihnen und durchbrach das Trommeln des Regens. Rish, Mico, Gwyn und Puki wurden gehörig hin und her geworfen, während sie versuchten, Vica in einer einigermaßen kontinuierlichen Pose zu halten. Gwyn war schlecht. Er hätte sich hier und jetzt übergeben können und die Gegenstände, die umfielen und durch den Raum flogen, sodass sie sich regelmäßig davor in Sicherheit bringen mussten, machten es nicht unbedingt einfacher, sich zu entspannen. Er hasste es. Er hasste es so sehr. Irgendwann war er gezwungen, es Rish und Mico (also Rish) zu überlassen, sich um Vica zu kümmern, weil er all seine Willenskraft brauchte, um seinen Magen davon zu überzeugen, seinen Inhalt bei sich zu behalten. Die Lampe hatten sie gelöscht und so war es unheimlich dunkel in diesem Raum. Kein Feuer, kein Licht, keine Wärme. Dafür Kälte, drückende Wassermassen, die von nichts als einer dünnen Holzschicht zurückgehalten wurden, Dunkelheit und ein wackeliger Schiffsbauch.
Er hatte sich immer für mutig gehalten, aber vielleicht zeigte sich nicht, wie mutig man wirklich war, bis man so nah drankam, ein altes Trauma noch einmal zu durchleben. Alles drehte sich, zusätzlich zum tatsächlichen Schaukeln des Bootes. Gwyn war verkrampft und er fühlte sich wie gelähmt. Sein Kopf schien nichts tun zu können, als daran zu denken, dass die nächste Welle, die gegen den Schiffsbauch in seinem Rücken schlug, ihr Ende bedeuten könnte. Er zitterte erbärmlich. Es ärgerte ihn, aber er konnte es nicht ändern. Immer mehr wurde die Realität von Erinnerungsfetzen durchsetzt, an drückendes Wasser, eisige Nässe und schwindenden Atem.
Für einen Wimpernschlag war unnachgiebiges Metall vor ihm, oder hinter ihm, um ihn herum. Wasser drückte von überall her auf ihn nieder und nahm ihm die Luft zum Atmen, füllte seine Lungen. Dann war er zurück im Schiffsbauch, atmete so tief ein, wie es seine zugeschnürte Kehle zuließ, und versuchte, bei sich zu bleiben und nicht völlig den Verstand zu verlieren. Er hörte Micos abfällige Kommentare kaum. Er nahm zur Kenntnis, dass Rish sich offenbar sorgte, während sie darum kämpfte, Vica ihre Konzentration zu lassen, die noch immer irgendwo im Kopf eines Tieres allein gegen den Sturm ankommen musste.
Hätte er doch nur glauben können, dass alles gut werden würde! Dann wäre die Angst erträglicher gewesen, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass das Schiff dem noch lange standhalten würde. Es wurde von den Wellen hin und her geworfen wie ein Spielzeug und bald würde es unter der Gewalt des Wassers zerschellen. Selbst wenn sie es aus dem Schiffsbauch hinausschafften, wenn das Holz trocken genug war, dass er ein Loch hineinbrennen konnte oder Micos Künste sie vielleicht auf einem angestammten Weg hinausbringen würden – was dann? Um sie herum war meilenweit nichts als Wasser. Tödliches, tiefes Wasser, das sie verschlingen würde, noch bevor der Sturm vorüber war. Wenn das Sklavenschiff sank, würden auch die Beiboote keine Hilfe mehr sein. Wie konnte Reed nur glauben, dass sie diesen Sturm überstehen würden? Wie konnte er davon ausgehen, dass der Kapitän in der Lage war, die Situation einzuschätzen? Wer wusste denn, wie viel Erfahrung der wirklich hatte? Seine Gedanken jagten sich selbst, bis sie ihm wieder entglitten und ihn unter die Wasseroberfläche zerrten.
Er konnte nicht atmen, konnte nicht auftauchen. War gefangen in diesem nassen Untergang. Kein Ausweg. Links, rechts, vorne, hinten, oben, unten. Kein Ausweg. Keine Luft. Wasser. Nur Wasser. Unendlich kalt und gnadenlos. Das sichere Ende. Er wollte schreien, aber da war nur Wasser in seiner Lunge, keine Luft zum Schreien. Er wollte Feuer machen, es ihn befreien lassen, aber er brachte nur Schlieren im Wasser zustande. Immer dunkler, immer kälter wurde es. Der Druck auf seinen Ohren wurde zur Stille und dann war alles schwarz.
»Gwyn!« Jemand schüttelte ihn. »Gwyn!«, wiederholte das Mädchen.
Keuchend schlug er die Augen auf, hustete, wollte das Wasser ausspucken, doch nichts geschah. Seine Lungen waren gefüllt mit Luft. Alles war, wie es sein sollte. Er war der festen Überzeugung, ertrunken zu sein, aber offenbar war er seinem eigenen Kopf erlegen. Rish saß vor ihm und sah besorgt auf ihn hinab. Sie waren noch immer im Bauch des Sklavenschiffes. Mico saß an der Wand und drehte grimmig eine silberne Münze durch die Finger und Vica hockte am Boden, offenbar noch immer weit fort. Puki hatte sich in ihren Schoß gerollt und sah ganz friedlich aus.
Benommen setzte er sich auf. Das Zimmer war verwüstet, und das Schiff bewegte sich noch immer mehr als bei ruhiger See, aber das aggressive Trommeln des Regens war einem leichten Prasseln gewichen und kein Donner zerriss mehr die Ruhe. Noch immer unruhig fuhr er sich durch die Haare. Seine gebräunte Haut war von Ruß bedeckt und als er sich umsah, erkannte er, dass er in einem rußigen Fleck gelegen hatte. »Was ist passiert?«, murmelte er, auch wenn er befürchtete, die Antwort schon zu kennen.
»Du bist … ohnmächtig geworden und vorher hast du um dich geschlagen und fast das Schiff in Brand gesteckt und … du hast … geschrien.« Das Letzte flüsterte sie mehr, als wollte sie ihn davor bewahren, es laut auszusprechen.
Peinlich berührt kniff er die Augen zusammen und versuchte, sich zu erinnern, was wirklich passiert war. Er war nicht ertrunken – offensichtlich. Er war nicht einmal im Wasser gewesen und als er versucht hatte das Feuer zu rufen, war es wie gewohnt erschienen und hätte sie beinahe doch noch versenkt. Stöhnend schüttelte er den Kopf. »Tut mir leid«, murmelte er dann, ohne die Augen zu öffnen. Mindestens Mico würde ihn das wohl seinen Lebtag nicht mehr vergessen lassen.
»Das muss es nicht. Geht es dir gut?«, fragte Rish und fasste sacht nach seiner Schulter. Ihre Sorge war gleichzeitig wohltuend und noch beschämender.
»Mir geht’s gut«, log er seufzend und wischte sich die Hände an der schwarzen Kleidung ab. Die angedeuteten Flammen an den Ärmeln waren schwarz verschmiert vom Ruß und er fragte sich, wie er so sehr hatte die Kontrolle verlieren können. Wie konnten ein paar unliebsame Erinnerungen einen solchen Schaden anrichten? »Ich hoffe, ich habe niemanden verletzt«, fügte er dann hinzu und sah zögerlich in die Runde. Ob sie sich auch noch gegen Angriffe von Gwyn hatten verteidigen müssen? Er konnte sich jedenfalls nicht erinnern, dass überhaupt jemand in seiner Nähe gewesen war. Hoffentlich erfuhr Machairi nie davon!
»Nein, alles gut. Zumindest hier unten. Keine Ahnung, wie es an Deck aussieht. Sie haben die Luke verriegelt«, erklärte sie ihm. »Aber ich bin sicher, dass alles soweit in Ordnung ist«, versuchte sie ihn aufzuheitern. »Offenbar hat sich das Unwetter etwas beruhigt und du hast eigentlich Glück. Den schlimmsten Teil hast du gar nicht mitbekommen.«
»Ja, sehr beruhigend zu wissen, dass ich beinahe ertrunken wäre, ohne es zu merken«, witzelte er, in dem Versuch, zu seiner normalen Haltung zurückzukehren, auch wenn es in seiner Brust noch immer enger war, als er zugeben wollte.
»Wir hätten dich schon irgendwie gerettet«, grinste Rish und stand auf. Etwas schaukelte das Schiff noch, sodass sie wankte, als sie sich den Ruß aus den Kleidern zu klopfen versuchte. Die standen ihr wirklich gut. Gwyn schüttelte den Kopf über sich selbst. Er war wohl noch immer etwas benommen, so abwesend, wie er war.
»Wie lange war ich denn … unzurechnungsfähig?«, fragte er vorsichtig. Wieder war er sich nicht sicher, ob er die Antwort überhaupt wissen wollte.
»Zu lange«, knurrte Mico und stand auf. Die langen Ärmel wischten fast über den Boden, als er sich hochstemmte und Gwyn einen bösen Blick zuwarf. »Krieg das in den Griff!«, ermahnte er Gwyn dann. »Wir können nicht immer davon ausgehen, dass ich in der Nähe bin, um dich in Schach zu halten«, bemerkte er spitz, bevor er mit wehendem Gewand das Zimmer verließ.
Rish verdrehte die Augen. »War der eigentlich schon immer so unfreundlich?«, wollte sie wissen. »Außerdem hat er fast nichts gemacht!«
»Seit ich ihn kenne…«, antwortete Gwyn. Er hatte sich schon häufiger selbst gefragt, was genau Mico eigentlich für ein Problem hatte. Im Grunde glaubte er nämlich, dass Mico ganz nett sein konnte, wenn er denn wollte, und sich bloß hinter seinem Griesgram versteckte. Nur mit einer Sache hatte sie vermutlich unrecht: Mico hatte etwas gemacht, wenn er einen solchen Kommentar abwarf.
»Wenn er nicht zusätzlich noch irgendwie furchteinflößend wäre, hätte ich ihm schon längst deutlich gemacht, was das für ein Verhalten ist.« Rish schüttelte den Kopf, als sie einen weiteren Blick auf die Tür warf, durch die Mico verschwunden war. »Und was ist das überhaupt für eine Robe. Sieht nicht aus, wie ein Dieb … oder ein Schlossknacker …«
Gwyn lachte auf. »Nein, das tut sie nicht. Mico hat einige unersetzliche Fähigkeiten«, deutete er an. Er würde sicherlich nicht derjenige sein, der das Geheimnis für Rish lüftete. Schon weil er wusste, dass Mico trotz allem stolz auf seine Stärken war und Gwyn sein zu großes Ego nicht auch noch damit pushen würde, dass er seine Großartigkeit anpries.
»Also hat er auch noch irgendwelche …« Rish stoppte sich. »Na gut, also du spielst buchstäblich mit dem Feuer, Vica hat irgendwelche seltsamen Meditations-… Wahrsage-… was-auch-immer Kräfte, Machairi heißt nicht umsonst Messerdämon und Mico ist auch nicht normal?«, zählte sie auf.
»Ja, das ist ganz gut zusammengefasst.« Gwyn grinste.
»Muss ich mich minderwertig fühlen?!«, stieß sie hervor und warf die Hände in die Luft.
Jetzt mussten sie beide lachen. Die ehrliche Antwort wäre gewesen, dass Gwyn nicht genau wusste, warum Reed sie hatte mitnehmen wollen, aber das wusste sie schließlich selbst. »Ich glaube, dass mehr besonders an dir ist, als dass du Hack sprichst. Er hat immer seine Gründe«, versicherte er ihr. Es schien nicht wahrscheinlich, dass Reed nur die Gruppendynamik hatte verbessern wollen und wenn, dann wäre die Wahl wohl nicht auf ein Harethimädchen gefallen.
Zögernd sah sie durch den Raum. »Die Frage ist nur: Was?« Seufzend setzte sie sich an den Tisch, an dem Vica inzwischen nicht mehr saß, weil es zu gefährlich gewesen wäre. »Und warum hassen Vica und Mico mich so?«, fragte sie. »Beide haben mich angegangen, sobald wir allein waren … ich habe ihnen nichts getan.«
»Mico geht jeden an und Vica… ich glaube nicht, dass sie dich hasst… sie ist halt etwas speziell …«, versuchte er, sie zu beschwichtigen.
»Euch ist bewusst, dass ich euch hören kann, oder?«, mischte sich Vica ein, wobei sie ungewöhnlich langsam und monoton sprach.
Gwyns Puls war in die Höhe geschossen und auch Rish schien sich erschrocken zu haben. »Nein, das war mir tatsächlich nicht bewusst«, gab er zu und betrachtete Vica. Sie sah nicht aus, als könne sie wahrnehmen, was um sie herum passierte. Offensichtlich kostete es sie auch einiges an Konzentration, sich an dem Gespräch zu beteiligen, denn sie hatte die Augenbrauen so weit zusammengezogen, dass sie sich beinahe berührten. »Wo bist du denn gerade?«, fragte er interessiert.
»Klappe, Gwyn«, knurrte Vica und schwieg wieder.
Abwehrend hob Gwyn die Hände, auch wenn sie das nicht sehen konnte, und stand auf, um sich aus dem Rußfleck zu bewegen. Schweigend setzte er sich zu Rish an den Tisch und folgte der Aufforderung: Er hielt den Mund.