Читать книгу Pyria - Elin Bedelis - Страница 12

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Eine Frage von Vertrauen

Gwyns Abneigung gegen Schiffe war nachvollziehbar. Man hockte zu eng aufeinander, konnte sich nicht weiter bewegen, als von einem Ende zum anderen und saß auf dem Meer fest. Er war eindeutig auf dem Festland zuhause. Eigentlich mochte er Kefa sogar, aber seine Situation dort gefiel ihm nicht. Mico stapfte die Stiege hinauf und brach die verschlossene Luke ohne Zögern auf. Wenn er so an Gwyn dachte, fragte er sich, was er von dessen Ausbruch während des Sturms halten sollte. Es hatte ihn einiges an Kraft gekostet, ihn zu bändigen, auch wenn er sich offensichtlich nicht absichtlich gewehrt hatte. Wenn ihn nicht alles täuschte, war der Zhaki beträchtlich stärker geworden. Niemals hätte Mico zugegeben, dass er neidisch auf die außergewöhnlichen Kräfte des Gauklers war. Eines der Elemente zu beherrschen, war eine angeborene Fähigkeit, mit der nicht viele gesegnet waren - deshalb hatte er keine Chance, diese besondere Form der Magie zu erlernen. Das war schade. Darüber hinaus war das Feuer ein tückisches Element, zerstörerisch und zornig, ganz anders als Erde oder Luft. Es war nicht so komplex wie Wasser, aber dafür war es leichter, die Kontrolle zu verlieren. Keine gute Kombination.

Das Deck war glitschig und nass und er musste aufpassen, nicht auszurutschen. Erschöpfte Seeleute saßen an der Reling und an Deck. Einer der beiden Hauptmasten war abgeknickt und das obere Ende war spurlos verschwunden. An einer Stelle schien es ein Loch in die Reling geschlagen zu haben, bevor es im Sturm verschwunden war. Zerfetzte Segel lagen an Deck zwischen Trümmern, die im Idealfall nur von Fässern oder Ähnlichem stammten. Es war ein Bild der Zerstörung und Mico wurde noch einmal klarer, wie viel Glück sie gehabt hatten. Suchend fuhr sein Blick über das Deck, bis er Cail fand, der noch immer an dem Geländer stand, wo sie ihn zurückgelassen hatten. Anders als die Seeleute schien er nicht erschöpft oder auch nur erleichtert, dass es vorbei war. Wie zuvor war sein Blick starr auf den Horizont gerichtet und bis auf seine nassen Haare und tropfende Kleidung wies nichts darauf hin, dass er diesen Sturm miterlebt hatte.

Nicht zum ersten Mal machte es Mico furchtbar wütend, wie unbeteiligt der Schatten sich gab. Über die letzten Wochen waren seine Zweifel gestiegen, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, sich den Schatten und speziell diesem Schatten anzuschließen. Seit die blinde Hexe von ihrer Insel gekommen war, wurde er behandelt wie ein kleines Kind. Warum wollte niemand außer ihm sehen, dass beide Mädchen, die sie neu in die Gruppe geholt hatten, ihnen nichts Gutes bringen konnten? Vica war schon gefährlich genug gewesen, solange sie nur auf ihrer Insel gesessen hatte. Ihre Magie war unnatürlich, götterverlassen und gruselig. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Werk eines Schwarzmagiers war, war in seinen Augen zu hoch. Er konnte nicht einmal ausschließen, dass Vica nicht selbst daran schuld war, das machte sie aber nicht weniger gefährlich. Und die andere? Die Hatschi wurde von gleich mehreren Leuten gesucht, die man besser nicht verärgern sollte. Das hatte sicher einen Grund. Aber er, Mico, wurde behandelt wie ein bockiger kleiner Junge. Das begrenzte Maß an Vertrauen, das er sich erarbeitet hatte, schien auf einen winzigen Teil geschrumpft zu sein, ohne dass er etwas falsch gemacht hatte.

Deshalb konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, dass irgendetwas endgültig übergeschnappt war in Machairis Kopf. Etwas Entscheidendes hatte sich verändert und seinen Wagemut in schieren Wahnsinn verwandelt. Deshalb stapfte Mico jetzt auch auf die Treppe zu und trat hinauf. »Du hättest mich vorwarnen müssen!«, fauchte er Cails Rücken an, der sich natürlich nicht regte, als Mico auf ihn zutrat. »Gwyn hätte fast das verdammte Schiff versenkt!«, setzte er hinzu, als er keine Antwort erhielt.

»Hat er aber nicht«, stellte Cail trocken fest, ohne sich umzudrehen. Immer und immer wieder traf man nicht auf das kleinste Entgegenkommen. Er war es so leid!

»Ja, aus purem Glück!«, spuckte er hervor. »Gwyns Kräfte haben sich mindestens verdoppelt und ich wusste nichts davon!« Wut kribbelte ihm durch den Körper, als Machairi sich noch immer nicht umdrehte, um ihn anzusehen.

»Du bist die Person, die das als Erstes merken sollte«, erinnerte Cail ruhig und Mico konnte sehen, wie er ein Messer durch die weißen Finger drehte.

Mico kannte diese Geste. Er hatte sie schon häufiger beobachtet, wenn Cail jemanden provozierte, vielleicht um sein Gegenüber daran zu erinnern, dass es nur eine Bewegung kostete, ihn auszuschalten. Mico glaubte allerdings nicht daran, dass Cail ihn aufspießen wollte, wie eine gegrillte Wachtel, und selbst wenn er es doch für möglich gehalten hätte, wäre er in diesem Moment zu ungehalten gewesen, um sich ausreichend darum zu sorgen. »Selbst wenn ich es gewusst hätte, bedeutet das noch lange nicht, dass ich ihn aufhalten kann, wenn er völlig die Kontrolle verliert! Du hast ihn gezwungen, da runterzugehen, obwohl du wusstest, dass das passieren würde!«, fauchte er und stellte nicht in Frage, ob er damit richtig lag. So schnell entging dem Schatten nichts, erst recht nicht etwas so Entscheidendes.

»Ich hab ihm gesagt, dass er unter Deck gehen soll, damit er nicht ertrinkt«, korrigierte Machairi und endlich drehte er sich um. »Wasser wäre wesentlich schlimmer gewesen.«

Ja, er hatte bemerkt, dass Gwyn irgendeinem Trauma begegnet war, aber das ganze Problem wäre lösbar gewesen, wenn er nur Bescheid gewusst hätte. »Und woher soll ich das wissen?« Mico spürte ein Kribbeln unter der Haut und musste aufpassen, dass er jetzt nicht selbst die Kontrolle verlor. »Du behandelst mich wie ein Kind!«

»Du verhältst dich wie ein Kind.« Cails Tonfall wurde schärfer und Mico ignorierte den kalten Schauder, der ihm über den Rücken rann. »Wenn du ein Problem hast ...«

»Du hast ein Problem!«, fiel Mico ihm ins Wort, auch wenn er es normalerweise vermied, Machairi zu reizen, so wie es jeder Mensch mit einigermaßen Verstand getan hätte. Jetzt entlud sich jedoch seine ganze Wut und auch die Angst, die sich unweigerlich aufgebaut hatte, als das Schiff in den Sturm geraten war, und er sich bereits brennen oder ertrinken gesehen hatte. »Du bist noch wahnsinniger als sonst!« Micos Herz pochte deutlich unter seiner Anspannung, als wüsste es besser als er, wie dumm er sich verhielt. Er rang nach Worten. Frust, die Nachwirkung des Sturms und auch die verdammte Angst in seiner Brust machten es unmöglich, Gwyns Ausbruch hinzunehmen. Es war unmöglich, dass Machairi – der Machairi – nichts davon gewusst hatte. Er hätte ihn wenigstens vorwarnen können, hätte wenigstens einen von tausenden Risikofaktoren eliminieren können, bevor er zur wirklichen Gefahr wurde. Stattdessen spielte er Roulette mit all ihren Leben und nannte ihn ein Kind? »Du wirst uns alle umbringen!«, entfuhr es Mico und er wollte etwas zerschlagen. »Und du setzt trotzdem voraus, dass dir alle folgen wie die Lemminge!«

Nie zuvor hatte er dem Schatten so sehr seine Meinung gesagt und genau genommen war er sich nicht sicher, ob das wirklich seine Meinung war. Er hatte den Messerdämon wütend erlebt, hatte die armen Bastarde fast bemitleidet, die es geschafft hatten, seinen Zorn auf sich zu ziehen. Jetzt stand er selbst hier und wartete auf einen Riss in der kühlen Fassade, nur eine Andeutung, dass die Geduld seines Gegenübers ausgereizt war und in welche Richtung der erste Angriff gehen würde. Wenn Mico unvorbereitet war, hatte er keine Chance, aber wenn er es so eindeutig kommen sah, konnte er vielleicht wenigstens ausweichen, wenn er schon nicht selbst zum Angriff kommen würde.

Zu Micos Überraschung verzog sich Cails Gesicht nicht zu einer wütenden Grimasse oder dem gruseligen, kalten, fast unbeteiligten Ausdruck von ruhigem Zorn, den er an den Tag legen konnte. Stattdessen hob er nur eine Augenbraue und begegnete Micos heißer Wut mit kalter Ruhe. »Möchtest du es besser machen?« Die scharfe Herausforderung klang nur unscheinbar unter seiner Sachlichkeit hervor. Nur das bedrohliche Glänzen in den schwarzen Augen verriet, dass Mico einen hektischen Tanz auf Messers Schneide antrat.

Für einen Moment schwieg Mico, hörte das leichte Plätschern des Meeres, während das Schiff durch die Fluten schnitt. Ja, eigentlich glaubte er schon, dass er selbst besser geeignet wäre, sie alle nicht zu töten. Zumindest solange sie sich außerhalb von Stadtmauern befanden. In den Straßen von Kefa, oder auch vermutlich jeder anderen Stadt, war Machairi unschlagbar. Er wusste genau, wie man die richtigen Leute beeinflusste, oder die besten Schlupflöcher fand. Einen Großteil seines Einflusses verdankte der schwarze Fürst seinem messerschwingenden Schatten. Aber hier, außerhalb der Stadt, glaubte Mico, dass seine Talente besser geeignet waren, um sie zumindest lebendig bis nach Om‘falo zu bringen. Viel wichtiger war allerdings, dass er so gut geeignet sein konnte, wie er wollte – es würde keinen Unterschied machen. Niemals hätte er für eine solche Aussage Verständnis erwartet. Es war schließlich keine ernstgemeinte Frage, sondern eine reine Herausforderung und er hatte keine Lust, um eine Führung zu kämpfen, die er strenggenommen gar nicht übernehmen wollte. »Ein kleines bisschen Rücksicht würde schon reichen«, antwortete er deshalb.

Es war ein altes Problem, das ihn schon störte, seit er entschieden hatte, sich den Bienen anzuschließen. Cail erwartete, dass seine Leute ihm vertrauten und folgten, brachte ihnen aber im Gegenzug nicht einmal die Details seiner Planung bei. Er ließ sie unwissend in eine Falle laufen, wenn es dem Plan nützte, und ließ sich niemals in die Karten schauen. Was hätte es geändert, wenn er Mico vorgewarnt hätte, dass Gwyn den Sturm nicht verkraften würde und dass er ihn möglicherweise aufhalten musste, bevor er sie alle dazu verdammte, im Meer zu ertrinken?

Das Messer verschwand in Machairis Ärmel. »Wieder fehlt dir das letzte bisschen Konsequenz.« Herausfordernd fokussierte sein kalter Blick Mico.

Der spürte wie diese Worte wie neue heiße Welle des Ärgers anstießen. Wieder einmal war er fassungslos, was Cail sich herausnahm und noch viel fassungsloser, dass er es trotz seiner schäumenden Wut nicht schaffte, diesem Blick standzuhalten. Fast wünschte er sich, dass er den Mut aufbrachte, um ihn anzugreifen – den berüchtigten Dämon, nur um ihm zu zeigen, dass er sich täuschte. Fast. Denn er stand da und konnte den letzten Funken Wagemut nicht aufbringen, den es gekostet hätte, sich gegen den Schatten zu stellen. Egal was gesagt wurde, Machairi war nicht unschlagbar, besonders nicht für Mico, aber trotzdem hielt ihn etwas zurück, wie eine unsichtbare Schranke. Gab ihm Recht. »Du bist so ein...« Die Beleidigung blieb ihm im Hals stecken.

Ein Hauch eines Schmunzelns schlich sich auf Machairis Züge. Eine Spur zu selbstgefällig sah er auf Mico herab, was er schaffte, obwohl er rein von der Körpergröße her etwas kleiner war. Dann wandte er sich wieder um und richtete den Blick in die Weite vor ihnen, über das zerstörte Deck hinweg.

Jetzt sah Mico auch die Hatschi und Gwyn, die bei der Luke standen und teils ungläubig, teils gespannt zu ihnen hinaufsahen und beobachten konnten, wie Mico sich zum Narren machte. Das gab der Wut neuen Auftrieb. Er war es so leid. »Du kannst von Glück sagen, dass ich nicht dumm genug bin, dich anzugreifen, solange wir auf einem Haufen Holz im Meer treiben«, presste er durch die Zähne, in dem verzweifelten Versuch, sich zu rechtfertigen und seinen Stolz zu bewahren. Keine Reaktion. »Du glaubst nicht, dass ich eine Gefahr für dich sein kann«, stellte er mit aller Kälte fest, die er aufbringen konnte. Ob dem Dämon bewusst war, dass nicht mehr viel fehlte, bis Mico sämtliche Kontrolle verlor? Vermutlich – es war Machairi ... konnte er ihm nicht wenigstens das Gefühl geben, dass er ihn ernstnahm? Mühsam versuchte Mico, seinen Atem zu kontrollieren, auch wenn seine Hände nun so sehr kribbelten, dass es ihn nicht überrascht hätte, wenn kleine Funken gestoben wären. »Wenn du einfach ein kleines bisschen Rücksicht nähmest...!«

»Auf was?« Es war der Moment, da der Geduldsfaden riss, und mit einem Mal war die Ruhe eisiger Wut gewichen. »Auf deine kindischen Vertrauenskomplexe?«

»Sie sind offensichtlich gerechtfertigt! Du vertraust mir nicht im Geringsten!«, hielt Mico dagegen und war ehrlich stolz auf sich, dass er es schaffte, einem wütenden Machairi die Stirn zu bieten. Das Problem schwelte schon lange genug, um nun zu explodieren.

»Ich vertraue dir genug, um dich als eine von vier Personen mitzunehmen. Wenn dir das nicht reicht, geh nach Hause.« Machairi sprach leise, aber die unheimliche Melodie seiner Stimme wehte über das Deck und ließ jeden frösteln, als seine Wut die Luft zum Vibrieren brachte.

Kurze Stille folgte, in der sie einander anstarrten, bis Mico als Erster den Blick senkte, weil er merkte, dass seine Wut abzuebben schien. Der erste Satz hatte einen Grad der Ehrlichkeit gehabt, wie man es nur selten von Machairi hörte, und dagegen kam Micos Wut nicht an. Besonders, weil es ihm schmeichelte. Mangels eines besseren Einfalls wandte er sich ab und stapfte davon. Nichts was er noch hätte sagen können, hätte eine einigermaßen würdevolle Antwort dargestellt. Er brauchte Ruhe.

Die Hatschi sah ihm mit großen Augen entgegen und Gwyn sah immer wieder zwischen Mico und Cail hin und her. Er sah erstaunlich begeistert aus. Nicht für Gwyn-Verhältnisse, aber für Gwyn-muss-auf-einem-Schiff-sein-Verhältnisse. Mico verdrehte die Augen. Nein, er würde das jetzt nicht diskutieren, schon gar nicht mit der Hatschi! Entschlossen stieß er die Luke auf und marschierte zurück unter Deck, zwei verwirrte Mitreisende zurücklassend.

Nachdem der Ärger abgeebbt war, merkte er, wie müde er tatsächlich war. Bevor sie abgereist waren, hatte er die Nacht in Ketten und unterwegs verbracht und in der Zwischenzeit noch einen Sturm durchlebt, einen unkontrollierten Feuerkünstler beruhigt und sich mit Machairi persönlich angelegt. Er hatte Ruhe verdient!

Pyria

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