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Ein Hotel in den Bergen

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Nora wollte die Tür aufdrücken, aber Paul kam ihr zuvor. Als Erstes fiel ihr ein untersetzter Mann mit missmutiger Miene auf, der auf die Sessel in der Halle zustrebte. Paul stutzte, als sein Blick ihn streifte. Kannte er ihn? Nora warf erst ihm, dann dem Unbekannten einen neugierigen Blick zu. Aber Paul wollte wohl erst die Formalitäten erledigen. Entschlossen trat er auf die Rezeption zu.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der rundliche Mann hinter dem Empfang zuvorkommend.

„Gaspary, ich habe Zimmer für mich und meine Begleiterin reserviert.“

„Einen Moment.“ Josef Wahringer, wie auf einem Namensschild an seinem Revers stand, studierte den Bildschirm eingehend. „Ja, genau, Zimmer zweiundzwanzig und neunundzwanzig im ersten Stock. Die Aufzüge sind gleich rechts. Wenn Sie bitte noch die Anmeldung ausfüllen.“

Paul und Nora nahmen dankend die Klemmbretter mit den Meldeformularen in Empfang, die er ihnen reichte. Sie machte ein paar Schritte in den Raum und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Einrichtung. Diese ersten Eindrücke fand sie wichtig. Paul war an der Rezeption stehen geblieben und füllte die Angaben aus. Er sollte es halten, wie er wollte. Sie hatte es nicht eilig, ihr Zimmer zu beziehen.

In der Halle herrschte eine Mischung zwischen ländlich gemütlichem und modernem Stil vor, der ihr sehr zusagte. Ein Adventskranz mit Stumpenkerzen hing von der Decke. Gestecke auf den Beistelltischen, die mit roten und goldenen Kugeln und Bändern geschmückt waren, sorgten für eine weihnachtliche Atmosphäre in der Lobby.

Ganz offensichtlich hatte jemand mit Geschmack die Zweige dekoriert. Zwischen den ausladenden Sesseln mit gedrechselten Beinen und Bezügen aus einem buntem Veloursstoff mit Blumenmuster fielen die zierlichen Beistelltische nicht weiter auf. Obwohl sie immerhin so groß waren, dass trotz der Weihnachtsdekoration noch Gläser oder ein Tablett mit einem Kaffeegedeck neben die Vase passte.

Der Mann von eben saß in einem der fünf Sessel. Sein Haarschopf war schütter, sein rotes Shirt auffällig, dazu trug er Jeans mit einem sehr eng geschnallten Gürtel, über und unter dem Fettröllchen hervorquollen. Gesund konnte das nicht sein.

Ihr Blick ging weiter. Die Tür zu einem der Konferenzsäle stand offen. Sie spitzte hinein. Ein paar Tische und Stühle, ein Whiteboard, viele Steckdosen. Das unangenehme Gefühl, von einem Fremden angestarrt zu werden, störte Nora. Sie fuhr herum und begegnete dem Blick des untersetzten Mannes, der sie mit dem Gesichtsausdruck einer missmutigen Bulldogge ungeniert anstarrte.

Als er die Musterung endlich beendet hatte, zog er die Mundwinkel noch ein Stück weiter nach unten und führte ein Henkelglas mit einer grünen Flüssigkeit an die Lippen. Im besten Fall war es Tee.

Paul war sein Klemmbrett losgeworden. „Kommst du, Nora? Ich möchte dir jemanden vorstellen.“

Zu ihrer Beunruhigung hielt er direkt auf den Mann zu und begrüßte ihn mit einem: „Hallo, Howard, wie war der Flug?“ und einigen Höflichkeitsfloskeln auf Englisch. Schließlich stellte er Nora den Mann als Director Howard Irving vor. Während sie ein paar englische Sätze zusammensuchte und ihren Namen nannte, wich sie unwillkürlich ein Stückchen zurück.

Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie die beiden störte. Vielleicht wollten sie ein Gespräch über personelle Interna führen. An erster Stelle fiel ihr da ihre Entlassung aus dem Projekt ein. Schon wieder streifte sie dieser missbilligende Blick Irvings, bei dem Nora vor lauter Unbehagen jedes einzelne Härchen im Nacken hochstand.

Hastig füllte sie das Formular aus, bat die Männer, sie zu entschuldigen, und holte ihren Schlüssel bei dem etwas fülligen Herrn an der Rezeption.

„Bitte sehr.“ Josef Wahringer drückte ihr einen Prospekt mit Veranstaltungen in die Hand. „Sie haben Glück. Heut geb’n wir in unserm großen Saal einen Tanzabend mit weihnachtlichem Gstanzl-Singen. Hotelgäste erhalten eine Ermäßigung. Die Band ist sehr zum Empfehlen.“

Nora betrachtete das Bild auf dem Programm und unterdrückte ein Schmunzeln.

„Sehen’s, der stramme Bursch da bin ich. I bin ned von hier, hab eingeheirat. Dös is mei Frau. Die lasst mi ned aus den Augen. Is ganz eine Liebe – und wie sie singt. Dös is a Freud.“

„Das glaube ich Ihnen gerne, Herr Wahringer.“

„Sagen Sie Sepp!“

Der füllige Mann mit den hohen Geheimratsecken pries das abendliche Event unter anderem deshalb an, weil er bei diesem geselligen Ereignis Trompete spielte. Darauf war er sichtlich stolz.

„Dann hoffe ich umso mehr, dass die Veranstaltung gut besucht sein wird“, erklärte sie höflich. „Aber ohne einen Tanzpartner …“

„A scheens Madel wie Sie. ’s ist ja noch Zeit. Ein paar Karten sin noch zum Erwerben“, erklärte er in einer lustigen Mischung aus Hochdeutsch und Dialekt.

Sie dankte ihm und suchte ihr Zimmer auf. Einen zweckmäßig eingerichteten Raum mit Eingangsbereich, Bett und kleinem Bad, der trotzdem gemütlich aussah.

Es plingte.

Und wie? Eine Nachricht, typisch Emily. Kurz und bündig.

Nora knipste Bilder von der weiß-blau karierten Wäsche und tippte eine passende Antwort.

Schneekristallküsse

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