Читать книгу Mord ohne Grenzen - Elsass-Krimi - Elke Schwab - Страница 13

11

Оглавление

Behrendt saß in Tanjas Büro - auf Tanjas Platz. Das war kein gutes Zeichen. Solange Heinrich Behrendt nur Kriminalhauptkommissar und ihr Vorgesetzter gewesen war, hatte ihre Zusammenarbeit reibungslos funktioniert. Doch seit er ihre Mutter geheiratet hatte, traten ständig Spannungen auf – sei es zwischen ihnen beiden oder von Seiten der Kollegen, die diese Verbindung argwöhnisch beobachteten. Vermutlich befürchtete jeder, Tanja könnte aus dieser familiären Verflechtung Vorteile für ihre Karriere ziehen. Dabei lagen die Dinge genau umgekehrt. Behrendt würde einen Teufel tun und seine Stieftochter bevormunden. Umso trauriger war es für Tanja, dass ihr niemand von den Kollegen glauben wollte. Es wurde Zeit, dass sich ihre Arbeitsbedingungen wieder verbesserten. Denn sie liebte diese Arbeit und wollte auf keinen Fall damit aufhören. Also hoffte sie weiterhin darauf, fernab der Kollegen in Frankreich ermitteln zu dürfen, wo der Abstand ihr Gelegenheit geben würde, über alles nachzudenken. Doch so, wie Behrendt gerade aussah, ahnte sie, dass sie ihre Hoffnungen schnell begraben konnte. Sein schütteres Haar stand wie elektrisiert vom Kopf ab, während er ein Stück Papier in seinen Händen drehte. Seine Brille saß auf seiner Nasespitze, damit er Tanja über den Rand hinweg besser sehen konnte. So verfolgte er jede ihrer Bewegungen, bis sie sich endlich auf dem Besucherstuhl vor ihrem eigenen Schreibtisch niederließ.

„Sagt dir der Name Daniela Morsch etwas?“, fragte er anstelle eines Grußes.

„Nein. Sollte er?“

„Allerdings. Wenn du eine gute Kriminalkommissarin sein willst, musst du mehr darüber wissen.“ Diese Spitze saß. „Daniela Morsch verschwand vor zwei Jahren in Potterchen.“

Tanja erschrak.

„Das Kind war damals zwei Jahre alt. Es wurde nie gefunden.“

Tanja spürte, wie ihr schummrig wurde. Sie starrte ihren Chef und Stiefvater fassungslos an.

„Ich bin mit dem Vater des Kindes verabredet“, sprach Behrendt weiter. „Er ist alleinerziehend. Leider geht es ihm seit dem Verschwinden seiner Tochter nicht so gut, wie ich erfahren habe. Er kann seiner Arbeit nicht mehr nachgehen, ist Hartz IV-Empfänger.“

„Warum du?“, fragte Tanja misstrauisch. „Ist das nicht die Aufgabe von Dieter Portz?“

„Weil ich nicht an meinem Stuhl festgewachsen bin“, antwortete Behrendt pikiert. Er lehnte sich in dem Schreibtischstuhl zurück, nahm seine Brille ab und rieb sich über die Nasenwurzel, während er weitersprach: „Ich mache das nicht, um dich zu ärgern. Ich mache mir Sorgen um dich, weil ich befürchte, dass du dich aus einem Gefühl der Loyalität heraus in einen Fall stürzt, der dich überfordern könnte.“

„Du behandelst mich wie ein kleines Kind, seit ich den Fall der verschwundenen Annabel übernehmen will. Warum?“, fragte Tanja in einem patzigen Tonfall.

„Weil es mir nicht egal ist, was mit dir passiert.“

Tanja schluckte. Diese Worte trafen sie unvermittelt. Damit brachte er etwas zum Ausdruck, was sie bei ihren hitzigen Diskussionen um ihren Auslandseinsatz nicht bedacht hatte: Gefühle. Sie war ihm nicht egal. Diese Information brachte sie aus dem Konzept. Hatte sie bisher überreagiert und seine Reaktionen falsch interpretiert? Hatte sie ihm seit seiner Heirat ihrer Mutter Unrecht getan? Sie entschuldigte sich für ihre Schroffheit.

„Die Franzosen wenden andere Arbeitsmethoden an als wir“, sprach Behrendt nach der kurzen Unterbrechung weiter. „Du kennst dich damit nicht aus. Ich auch nicht. Deshalb wissen wir nicht, was auf dich zukommt.“

„Heißt das, mein Antrag auf den Einsatz als Verbindungsbeamtin wurde genehmigt?“

Behrendt nickte.

Tanjas Augen leuchteten auf.

Wo war der Kapuzenmann? Sie fror ganz fürchterlich.

Sie schlang ihre dünnen Arme um ihren Körper. Damit versuchte sie, sich selbst zu wärmen. Aber es gelang ihr nicht. Sie wollte einen Schritt nach vorne wagen, um zu sehen, ob er wieder am hellen Rund über ihr stand und lauerte. Aber ihre Beine fühlten sich steif an. Sie konnte sich kaum bewegen. Sie versuchte es trotzdem, fiel dabei hin. Der Schmerz war schrecklich. Sie weinte leise, wollte auf keinen Fall, dass der Kapuzenmann sie hörte. Dann könnte er sie finden und schnappen. Sie schaute nach oben.

Das Rund, an welchem er eben noch gestanden hatte, war gar nicht mehr hell. Im Gegenteil. Jetzt war es dunkel. Es gab kein Licht mehr. Hastig atmete sie ein und aus. Die Luft brannte in ihrer Lunge. Es war noch genug davon da. Das beruhigte sie.

Sie stellte sich auf ihre zitternden Beine und streckte ihre Hände nach oben. Der Ausgang lag viel zu hoch. Da kam sie nicht dran. Sollte sie laut um Hilfe rufen? Bei dem Gedanken spürte sie schon wieder diese schreckliche Angst, der Kapuzenmann könnte sie hören.

Er war überall. Er wartete auf sie.

Und wenn er wusste, wo sie steckte, kam er sie holen. Nein. Sie durfte nicht rufen. Sie durfte keinen Laut von sich geben. Sie musste ganz still bleiben, damit der Kapuzenmann sie nicht fand.

In der Stille hörte sie ein ganz leises Rieseln unter ihren Füßen. Was war das?

Mord ohne Grenzen - Elsass-Krimi

Подняться наверх