Читать книгу Der Gartenpavillon - Skandinavien-Krimi - Elsebeth Egholm - Страница 17

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Nie hatte sie aufgehört sich zu wundern, wie sehr sie ihren Mann liebte.

Merkwürdig, wie ein Herz sich weiten und mehr fassen konnte, als man je für möglich gehalten hatte. Sonderbar, dass man für eine Liebe, von der man glaubte, dass sie größer nicht werden konnte, plötzlich noch mehr Raum schaffen konnte. Für all das, was in Wirklichkeit vielleicht nicht so liebenswert war. Für Fehltritte und Mängel. Für Unzulänglichkeit. Für den Mangel an Liebe oder sogar für die Liebe zu einem anderen Menschen.

Ina hatte immer gewusst, dass das möglich war. Aber trotzdem war sie überrascht. Jeder Tag war eine Überraschung, und sogar jetzt, wo er hier im Bett lag, schienen ihre Gefühle noch weiter zu wachsen. Und die Angst, ihn zu verlieren, ergriff sie, wie wenn sie ein seltenes Mal einen Fahrstuhl nahm und merkte, wie die Wände langsam aber sicher zusammenrückten und sie zu zerquetschen drohten.

Er schlief. Vorsichtig nahm sie seine Hand in ihre. Begann die Lippen zu einem Flüstern zu bewegen, das nur sie selbst hören konnte.

»Sie ist noch immer bei dir, das weiß ich genau. Sie hat einen Platz in dir genau wie du in mir.«

Längst war sie zu dem Schluss gekommen, dass ihre Liebe zu ihm eine Ausnahme war. Dass es so etwas nicht mehr gab. Doch das lag einzig und allein daran, dass er selbst eine Ausnahme war und dass es solche wie ihn nicht mehr gab. Die junge Generation. Die Mädchen. Ihnen war diese Art von Liebe bestimmt nicht mehr gegeben. Denn die jungen Männer glichen sich so sehr, als wären sie alle von einem Fließband.

Oft hatte sie so gedacht. An die jungen Leute. Die in ihrer Jagd nach Perfektion und dem Einzigartigen in Wirklichkeit die andere Seite der Münze bekamen, das Vorhersehbare und Langweilige. Es war kein Wunder, dass ihre Töchter verwirrt waren und jede auf ihre Weise rastlos in der Gegend herumsuchte und immer, immer wieder zu ihrem Vater zurückkehrte. Dem einzigen Mann, der es wert war, geliebt zu werden.

Oft erkannte sie in Kit sich selbst. In ihrer Vorsichtigkeit und Abhängigkeit. In ihrem hoffnungslosen, endlosen Versuch, die Welt dazu zu bewegen, sie so zu sehen, wie sie die Welt sah. Karen-Lis würde zurechtkommen. Sie war aus einem anderen Stoff gemacht. Aber Kit, sie schien noch immer nicht flügge geworden zu sein. Schien darauf zu warten, dass etwas sich entfaltete. Genau wie es ihr damals gegangen war, als sie in der Erkenntnis, dass die Eltern einen nicht den ganzen Weg begleiten können und die Wege sich irgendwann trennen müssen, beschlossen hatte, sich ihre eigene Sicherheit zu schaffen.

Kit dürstete es nach der Liebe ihres Vaters wie einen Rauschgiftsüchtigen nach seinem Stoff, und es tat weh, das zu sehen. Natürlich liebte er sie. Seine Mädchen. Aber er war ein Mann, der seine Liebe nur sparsam und an vieles und viele austeilte. Oft genügten er und seine Arbeit sich selbst. Seine glücklichsten Stunden hatte er alleine in seinem Büro verbracht, bei einem guten, per Telefon abgewickelten Geschäft oder, wenn er die Möglichkeit dazu hatte, einem guten Schachspiel. Wenn er die Gedanken schweifen lassen und an sie denken konnte, an die Frau, deren Existenz sie hatte akzeptieren müssen, wollte sie ihn und ihr Leben mit ihm behalten.

Und das wollte sie.

Die Jahre in Nyborg waren die besten gewesen. Die Mädchen waren noch klein. Sechs und neun. Dänemark war für sie eine ganz neue Welt, und dann war da Großmutters und Großvaters Haus, das sie aufgenommen und umschlossen hatte, wie eine Puppe zwei kleine Seidenraupen umschließt.

Sie war hier glücklich gewesen. Mit Hongkong auf Abstand. Sie hatte die Familie gefunden, die sie sich immer gewünscht hatte, und vor dem, was er auf seinen Reisen nach Hongkong tat, lernte sie Augen und Ohren zu verschließen. Ihre Lippen formten erneut fast lautlos die Worte.

»Du hast mich zum Lächeln gebracht. Kannst du dich daran erinnern? Für eine arrangierte Ehe ging es doch gar nicht so schlecht.«

Sie sah ihren Mann an. War da ein Lächeln um seinen Mund? Oder war es nur ein Schatten? Dachte er wohl jemals daran, dass sie auch etwas Gutes in sein Leben gebracht hatte? Dachte er daran, dass sie Recht gehabt hatte, als sie gesagt hatte: »Wir brauchen einander. Ich brauche einen Mann, das habe ich immer gewusst. Alleine bin ich zu unsicher. Und du. Eine Familie wird dir Ruhe und Respektabilität geben, Raum, das Geschäft zu dem zu entwickeln, wovon du träumst.«

»Und die Liebe?«, hatte er gefragt. »Wo kommt die ins Bild?«

Aber sie wusste, dass er ein praktischer Mann war, der dazu gebracht werden konnte, das Vernünftige an ihrem Vorschlag zu sehen.

Draußen wehte es. Jetzt schlug ein Ast gegen die Scheibe, und sie hörte das Trommeln des Regens in der Dachrinne. Einen Moment fragte sie sich, ob er es wohl auch hörte.

Sie beugte sich über ihn. Ob er fror? Vielleicht sollte sie ihm eine neue Strickjacke stricken. Oder einen Schal. Sie sah seine Züge forschend an. So viele Jahre. Und noch immer war er ein Rätsel für sie. Er hatte immer sehr viel für sich behalten, und sie wusste, dass er Seiten hatte, von denen sie nichts wissen sollte. Vielleicht war sie ziemlich altmodisch, aber sie hatte nichts dagegen. Die ganzen neumodischen Ideen, dass man einander die Seele offenbaren sollte, hatten sie nie gebraucht. Und trotzdem wusste sie mehr von ihm, als er ahnte.

Der Baum draußen wurde geschüttelt und tönte das Licht im Zimmer in unterschiedliche Schattierungen, die auf sein Gesicht fielen. Unruhig bewegte er sich im Bett, und sie ließ seine Hand los und streichelte ihn. Spürte seine Haut, die kalt war, und entschloss sich für die Strickjacke. Vorsichtig streichelte sie die Stirnfalten, als wollte sie sie glätten.

»Wo magst du wohl sein? Wo bist du jetzt?«

Der Gartenpavillon - Skandinavien-Krimi

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