Читать книгу Die Sünde des Abbé Mouret - Эмиль Золя, Emile Zola, Еміль Золя - Страница 17

KAPITEL XIII

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In der Kirche fand Abbé Mouret etwa zehn große Mädchen vor, die Oliven-, Lorbeer- und Rosmarinzweige in den Händen hielten. Da auf den Felsen von Les Artaud fast keine Gartenblumen wuchsen, war es Brauch, den Marienaltar mit Grün zu schmücken, das sich den ganzen Mai über hielt. Die Teuse fügte noch Levkojen hinzu, deren Stiele in alten Wasserflaschen steckten.

„Wollen Sie mich machen lassen, Herr Pfarrer?“ fragte sie. „Sie sind es nicht gewohnt . . . Da, stellen Sie sich dorthin, vor den Altar. Sie können mir dann sagen, ob die Ausschmückung Ihnen gefällt.“

Er willigte ein, und so leitete in Wirklichkeit sie die Zeremonie. Sie war auf einen Schemel gestiegen; sie fuhr die Mädchen an, die der Reihe nach mit ihren Zweigen voller Laub herzutraten.

„Doch nicht so schnell! Ihr werdet mir wohl Zeit lassen, die Zweige anzubinden. Es ist ja nicht nötig, daß alle Büschel dem Herrn Pfarrer auf den Kopf fallen . . . Na, Babet, du bist an der Reihe. Was glotzt du mich so an! Der sieht ja hübsch aus, dein Rosmarin! Er ist gelb wie eine Distel. Da haben wohl alle abgerackerten Eselinnen aus der Gegend drauf gepißt! Du bist dran, Rotfuchs. Ah! Das ist wenigstens schöner Lorbeer. Den hast du sicher von eurem Feld La Croix-Verte geholt.“

Die Mädchen legten ihre Zweige auf den Altar und küßten ihn. Sie blieben einen Augenblick an die Altardecke gelehnt stehen, reichten der Teuse die Zweige und vergaßen die duckmäuserisch andächtige Miene, die sie aufgesetzt hatten, als sie die Altarstufe hinaufstiegen; schließlich lachten sie, stießen sich mit den Knien, bogen ihre Hüften über den Altarrand und preßten ihre prallen Brüste ins Tabernakel. Und über ihnen neigte die große Muttergottes aus vergoldetem Gips ihr bemaltes Antlitz, lächelte mit ihren rosigen Lippen dem splitternackten kleinen Jesusknaben zu, den sie auf ihrem linken Arm trug.

„So istʼs recht, Lisa!“ rief die Teuse. „Setz dich doch gleich ganz auf den Altar, da du schon einmal dabei bist. Willst du wohl deine Röcke herunterziehen! Zeigt man so seine Beine! – Daß es sich keine einfallen läßt, sich so hinzulümmeln! Sonst schlage ich ihr die Zweige um die Ohren . . . Könnt ihr mir das Zeug denn nicht ruhig zureichen?“ Und sich umwendend, fragte sie: „Ist das nach Ihrem Geschmack, Herr Pfarrer? Finden Sie, daß es so geht?“ Sie errichtete hinter der Muttergottes eine Nische aus Grün mit überstehenden Zweigspitzen, die ein Laubendach bildeten und wie Palmblätter wieder herabfielen.

Der Priester war einverstanden, wagte aber eine Bemerkung. „Ich glaube“, murmelte er, „da oben müßte ein Strauß zarterer Blätter hinkommen.“

„Zweifellos“, brummte die Teuse. „Aber die bringen mir ja bloß Lorbeer und Rosmarin . . . Wer von euch hat Olivenzweige? Nicht eine, na, geht mir bloß! Sie haben Angst, es könnten ihnen vier Oliven verlorengehen, diese Heidinnen!“

Doch Catherine stieg die Altarstufe hinauf mit einem riesigen Olivenzweig, unter dem sie ganz verschwand.

„Ah, du hast ja welche, Mädchen“, fing die alte Magd wieder an.

„Ach Gott“, sagte eine Stimme, „sie hat ihn gestohlen. Ich habe gesehen, wie Vincent den Zweig abbrach, während sie Schmiere stand.“

Wütend schwor Catherine, das sei nicht wahr. Sie hatte sich umgewandt, ohne den Zweig loszulassen, steckte lediglich ihren braunen Kopf aus dem Busch, den sie trug, hervor; sie log mit außerordentlicher Sicherheit, erfand eine lange Geschichte, um zu beweisen, daß der Olivenzweig wirklich ihr gehöre.

„Und überhaupt“, schloß sie, „alle Bäume gehören der Muttergottes.“

Abbé Mouret wollte eingreifen.

Aber die Teuse fragte, ob man sie zum besten haben wolle, daß man sie so lange die Arme in die Luft halten lasse. Und sie band den Olivenzweig ordentlich fest, während Catherine, die auf den Schemel geklettert war, hinter ihrem Rücken nachmachte, wie die Teuse mit Hilfe ihres gesunden Beines ihre ungeheure Gestalt mühselig hin und her wandte, was selbst dem Priester ein Lächeln entlockte.

„So“, sagte die Teuse, während sie zu ihm hinunterstieg, um einen Blick auf ihr Werk zu werfen, „oben ist es fertig . . . Jetzt wollen wir noch ein paar Büschel zwischen die Leuchter stecken, falls Sie nicht lieber eine Girlande haben wollen, die am Altaraufsatz entlangläuft.“

Der Priester entschied sich für dicke Büschel.

„Vorwärts, macht zu“, fuhr die Magd fort, die wieder auf den Schemel gestiegen war. „Hier wird nicht geschlafen . . . Willst du wohl den Altar küssen, Miette! Oder glaubst du vielleicht, du bist in deinem Stall? – Herr Pfarrer, sehen Sie doch, was die da hinten treiben? Sie scheinen sich totzulachen.“

Eine der beiden Lampen wurde hochgehoben, und Licht fiel in den dunklen Teil der Kirche. Unter der Empore schubsten sich drei der Mädchen zum Spaß; eine von ihnen war mit dem Kopf in das Weihwasserbecken gefallen, worüber die anderen sich vor Lachen kugelten. Sie kamen zurück, blickten den Pfarrer verstohlen an, sahen aus, als freuten sie sich, gescholten zu werden, und ließen die Hände baumeln, die ihnen an die Schenkel schlugen.

Aber vor allem ärgerte sich die Teuse darüber, daß sie plötzlich Rosalie erblickte, die wie die anderen mit ihren Zweigen zum Altar hinaufstieg.

„Willst du wohl runtergehen!“ rief sie ihr zu. „An Dreistigkeit fehlt es dir nicht, meine Liebe! Nun mach schon schnell, nimm deinen Kram gleich wieder mit.“

„Aber warum denn?“ sagte Rosalie frech. „Man wird mir doch wohl nicht nachsagen können, daß ich es gestohlen habe.“

Die anderen Mädchen kamen näher heran, stellten sich dumm und tauschten funkelnde Blicke.

„Mach, daß du fortkommst!“ wiederholte die Teuse. „Du gehörst nicht hierher, verstehst du!“ Sie verlor ihr bißchen Geduld und ließ dann grob ein sehr derbes Schimpfwort vom Stapel, bei dem die Bauernmädchen vor Behagen lachten.

„Na und?“ sagte Rosalie. „Wissen Sie etwa, was die anderen tun? Sie sind nicht nachsehen gegangen, nicht wahr?“

Und sie hielt es für geraten, in Schluchzen auszubrechen. Sie warf ihre Zweige hin, sie ließ sich ein paar Schritte von Abbé Mouret beiseite führen, der sehr streng auf sie einsprach. Er hatte versucht, die Teuse zum Schweigen zu bringen, es begann ihm unbehaglich zu werden mitten unter diesen frechen großen Mädchen, die die Kirche mit ihren Armen voller Grün ausfüllten. Sie stießen einander bis zur Altarstufe, umgaben ihn mit einem Stück lebendigen Waldes, trugen ihm den herben Geruch wohlriechender Hölzer zu, gleich einem Hauch, der von ihren Gliedern, den Gliedern tüchtiger Arbeiterinnen, aufstieg.

„Beeilen wir uns, beeilen wir uns“, sagte er und klatschte leicht in die Hände.

„Bei Gott! Ich wäre auch lieber in meinem Bett“, brummte die Teuse. „Sie glauben wohl, es ist bequem, all dies Gestrüpp festzubinden!“

Indessen war sie damit fertig geworden, zwischen den Leuchtern hohe Helmbüsche aus Laub zu befestigen. Sie klappte den Schemel zusammen, den Catherine hinter den Hauptaltar trug. Jetzt brauchte sie nur noch zu beiden Seiten des Altartisches kräftige Büsche aufzustellen. Dafür genügten die letzten Bündel Grün; es blieben sogar Zweige übrig, mit denen die Mädchen den Boden bis zum Holzgeländer bestreuten. Der Marienaltar war ein Hain, ein Fleckchen tief im Unterholz mit grünem Rasen davor.

Die Teuse willigte nun ein, Abbé Mouret den Platz zu überlassen. Dieser ging zum Altar hinauf, klatschte von neuem leicht in die Hände.

„Meine Töchter“, sagte er, „wir fahren morgen mit den Marienandachten fort. Wer nicht kommen kann, sollte wenigstens zu Hause den Rosenkranz beten.“

Er kniete nieder, während die Bauernmädchen sich mit lautem Röckerascheln auf die Erde niederließen und sich dabei auf ihre Fersen setzten. Sie begleiteten sein Gebet mit einem verworrenen Gemurmel, aus dem Lachen durchklang. Einer von ihnen, die von hinten gezwickt wurde, entfuhr ein Schrei, den sie in einem Hustenanfall zu übertönen suchte, was die anderen so sehr erheiterte, daß sie sich nach dem Amen einen Augenblick vor Lachen krümmten, die Nase auf den Fliesen behielten und nicht aufstehen konnten.

Die Teuse schickte diese unverschämten Dinger fort, während der Priester, der sich bekreuzigt hatte, versunken vor dem Altar stehenblieb, als höre er nicht mehr, was hinter ihm vorging.

„Los, macht jetzt, daß ihr fortkommt“, brummte die Teuse. „Ein Haufen Nichtsnutze seid ihr, die nicht einmal vor dem lieben Gott Respekt haben . . . Es ist eine Schande, das hat man noch niemals erlebt, Mädchen, die sich in der Kirche auf der Erde herumwälzen wie Vieh auf der Wiese . . . Was machst du da hinten, Rotfuchs? Wenn ich sehe, daß du eine kneifst, kriegst du es mit mir zu tun! Ja, ja, streckt mir nur die Zunge raus, ich werde alles dem Herrn Pfarrer sagen. Raus, raus, freches Gesindel!“

Sie drängte sie langsam zur Tür und galoppierte dabei wütend hinkend um sie herum. Es war ihr gelungen, sie bis auf die letzte hinauszutreiben, als sie Catherine erblickte, die sich in aller Gemütsruhe mit Vincent im Beichtstuhl eingenistet hatte; sie aßen etwas mit entzückter Miene. Die Teuse warf sie hinaus. Und als sie, bevor sie die Tür verschloß, den Kopf aus der Kirche streckte, sah sie, wie sich Rosalie an den langen Fortuné hängte, der auf sie gewartet hatte; die beiden verschwanden mit einem gedämpft herüberschallenden Geräusch von Küssen in der Dunkelheit nach dem Friedhof zu.

„Und so was erscheint vor dem Marienaltar!“ stammelte sie, während sie die Riegel vorschob. „Die anderen taugen auch nicht viel mehr, das weiß ich schon. Liederliche Frauenzimmer alle, die heute abend mit ihren Laubbündeln bloß gekommen sind, um zu lachen und sich beim Nachhausegehen von den Burschen küssen zu lassen! Morgen wird sich nicht eine hierherbemühen; der Herr Pfarrer wird seine Ave-Marias ganz allein aufsagen können . . . Man wird nur noch die Weibsbilder zu sehen bekommen, die ein Stelldichein verabredet haben.“

Sie stieß an die Stühle, stellte sie wieder an ihren Platz und sah nach, bevor sie zum Schlafen hinaufging, ob nichts Verdächtiges herumlag. Sie las im Beichtstuhl eine Handvoll Apfelschalen auf, die sie hinter den Hauptaltar warf. Sie fand außerdem ein Stück Band, das von einer Haube abgerissen war, mit einer Strähne schwarzer Haare, woraus sie ein kleines Knäuel machte, um später eine Untersuchung anzustellen. Soweit schien ihr die Kirche in bester Ordnung. Die Ewige Lampe hatte Öl für die Nacht, die Fliesen im Chor brauchten bis zum Sonnabend nicht aufgewischt zu werden.

„Es ist fast zehn Uhr, Herr Pfarrer“, sagte sie zu dem noch immer knienden Priester gewandt. „Sie täten gut daran, hinaufzugehen.“

Er antwortete nicht, er neigte nur sanft das Haupt.

„Gut, ich weiß, was das heißen soll“, fuhr die Teuse fort. „In einer Stunde wird er noch da auf den Steinen knien und sich Bauchweh holen . . . Ich gehe, weil ich ihn doch nur störe. Na wennschon, das hat sowieso keinen Sinn und Verstand: Mittag essen, wenn die anderen zu Abend essen, zu Bett gehen, wenn die Hühner aufstehen! – Ich störe Sie, nicht wahr, Herr Pfarrer? Guten Abend. Sie sind wirklich nicht vernünftig, gehen Sie mir doch!“

Und sie entschloß sich, fortzugehen; aber sie kam zurück, eine der beiden Lampen auszulöschen, wobei sie murmelte, so spät zu beten sei „Tod für das Öl“. Schließlich ging sie wirklich, nachdem sie mit ihrem Ärmel die Decke des Hauptaltars abgewischt hatte, die ihr grau von Staub zu sein schien.

Die Augen erhoben, die Arme an die Brust gepreßt, blieb Abbé Mouret allein.

Die Sünde des Abbé Mouret

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