Читать книгу Die Sünde des Abbé Mouret - Эмиль Золя, Emile Zola, Еміль Золя - Страница 6

KAPITEL II

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Die leere Kirche war ganz weiß an diesem Maienmorgen. Das Glockenseil neben dem Beichtstuhl hing wieder reglos herab. In einem farbigen Glas rechts vom Tabernakel brannte an der Wand das Ewige Licht gleich einem roten Fleck. Nachdem Vincent die Meßkännchen auf den Kredenztisch gestellt hatte, kniete er links unten an der Altarstufe nieder, während der Priester, nachdem er mit einem Kniefall auf die Fliesen das Allerheiligste gegrüßt hatte, zum Altar hinaufstieg und das Korporale ausbreitete, in dessen Mitte er den Kelch stellte. Dann schlug er das Meßbuch auf und ging wieder hinunter. Ein erneuter Kniefall ließ ihn zusammensinken; er bekreuzigte sich mit lauter Stimme, faltete die Hände vor der Brust und begann das große göttliche Drama mit einem vor Glauben und Liebe ganz bleichen Gesicht.

„Introibo ad altare Dei.“

„Ad Deum qui laetificat juventutem meam“, murmelte Vincent vor sich hin, der die Responsorien aus dem Wechselgesang und dem Psalter verschluckte, dabei den Hintern auf den Fersen hatte und damit beschäftigt war, der Teuse nachzusehen, die in der Kirche herumstrich.

Die alte Magd betrachtete mit beunruhigter Miene eine der Kerzen. Ihre Besorgnis schien sich zu verdoppeln, während der Priester tief gebeugt, die Hände von neuem gefaltet, das Confiteor sprach. Sie blieb mit gesenktem Kopf stehen, schlug sich ebenfalls an die Brust und behielt die Kerze weiterhin im Auge.

Die leise Stimme des Priesters und das Brummeln des Ministranten wechselten noch eine Weile ab.

„Dominus vobiscum.“

„Et cum spiritu tuo.“

Und während der Priester die Hände ausbreitete und sie dann wieder faltete, sprach er mit Salbung:

„Oremus..“

Die Teuse konnte nicht mehr an sich halten. Sie ging hinter den Altar und langte zu der Kerze hinauf, deren Docht sie mit der Spitze ihrer Schere kürzer schnitt. Die Kerze tropfte. Zwei große Wachstränen waren schon herabgelaufen. Als sie wieder vorkam und dabei die Kirchenstühle zurechtrückte und sich davon überzeugte, daß die Weihwasserbecken nicht leer waren, war der Priester zum Altar hinaufgestiegen und betete leise, die Hände auf den Rand der Altardecke gelegt. Er küßte den Altar.

Hinter ihm blieb die kleine Kirche bleifahl von den blassen Farbtönen des Morgens. Die Sonne stand erst am Rand des Ziegeldaches. Das Kyrie eleison durchlief wie ein Schauer diesen stallähnlichen, gekalkten Raum mit der flachen Decke, deren getünchte Balken man sehen konnte. An jeder Seite ließen drei hohe Fenster mit hellen, gesprungenen, zum größten Teil zerbrochenen Scheiben ein kreidig grelles Licht ein. Die frische Luft von draußen drang hier roh herein und legte das ganze Elend des lieben Gottes in diesem entlegenen Dorfe bloß. Im Hintergrund, über der großen Tür, die nie geöffnet wurde und deren Schwelle von Unkraut überwuchert war, ging eine hölzerne Empore, zu der man auf einer Leitertreppe hinaufstieg, von einer Mauer zur anderen und krachte an den Festtagen unter den Holzschuhen. Der Beichtstuhl neben der Treppe, dessen Seitenwände aus den Fugen geraten waren, war zitronengelb gestrichen. Ihm gegenüber befand sich neben der kleinen Tür das Taufbecken, ein ehemaliger Weihwasserkessel, den man auf einen Fuß aus Mauerwerk gesetzt hatte. Außerdem standen rechts und links in der Mitte der Kirche zwei winzige, von Holzgeländern umgebene Altäre. Den linken, der Maria geweiht war, schmückte eine große Gottesmutter aus vergoldetem Gips, die majestätisch eine goldene Krone auf ihrem kastanienbraunen Haar trug: sie hielt auf ihrem linken Arm einen nackten, lächelnden Jesusknaben, dessen Händchen die gestirnte Erdkugel emporhob; sie schritt inmitten von Wolken dahin und hatte geflügelte Engelsköpfe zu ihren Füßen. Der Altar zur Rechten, an dem die Totenmessen gelesen wurden, wurde von einem Christus aus gemalter Pappe überragt, der ein Gegenstück zur Muttergottes bildete; der Christus, der die Größe eines zehnjährigen Kindes hatte, rang auf schreckliche Weise mit dem Tode, sein Kopf war hintübergesunken, seine Rippen traten hervor, sein Leib war eingefallen, seine Glieder verrenkt und blutbespritzt. Dann war da noch die Kanzel, ein viereckiger Kasten, zu dem man über einen Tritt mit fünf Stufen hinaufstieg und der sich gegenüber einer in ein Nußbaumgehäuse eingeschlossenen Standuhr erhob, deren dumpfe Schläge die ganze Kirche erschütterten, gleich dem Schlagen eines ungeheuer großen, irgendwo unter den Fliesen verborgenen Herzens. Das ganze Kirchenschiff entlang setzten die vierzehn Kreuzwegstationen, vierzehn plump kolorierte, mit schwarzen Leisten eingerahmte Bilder, mit dem Gelb, dem Blau und dem Rot der Passion Flecken auf das grelle Weiß der Wände.

„Deo gratias“, stammelte Vincent nach der Verlesung der Epistel.

Das Liebesmysterium, die Darbringung des heiligen Opfers bereitete sich vor. Der Ministrant nahm das Meßbuch, das er nach links auf die Evangelienseite trug, und achtete dabei darauf, die Blätter des Buches nicht zu berühren. Jedesmal, wenn er am Tabernakel vorüberkam, machte er schief einen Kniefall und verrenkte sich fast dabei. Wieder auf die rechte Seite zurückgekehrt, blieb er dann bei der Verlesung des Evangeliums mit verschränkten Armen stehen. Der Priester hatte ein Kreuzeszeichen über das Meßbuch gemacht und sich dann selber bekreuzigt: auf der Stirn, um zu sagen, daß er sich niemals des Gotteswortes schämen würde; auf dem Mund, um zu zeigen, daß er immer bereit sei, seinen Glauben zu bekennen; auf seinem Herzen, um zu bedeuten, daß sein Herz Gott allein gehöre.

„Dominus vobiscum“, sagte er, wandte sich um, und sein Blick ertrank im kalten Weiß der Kirche.

„Et cum spiritu tuo“, erwiderte Vincent, der wieder niedergekniet war.

Nachdem der Priester das Offertorium hergesagt hatte, deckte er den Kelch ab. Einen Augenblick lang hielt er in Höhe seiner Brust die Patene mit der Hostie, die er Gott darbot, für sich, für die Anwesenden, für alle Gläubigen, ob lebend oder tot. Als er sie dann, ohne sie mit den Fingern zu berühren, an den Rand des Korporale hatte gleiten lassen, nahm er den Kelch, den er sorgfältig mit dem Kelchtüchlein ausrieb. Vincent hatte von dem Kredenztisch die Meßkännchen geholt, die er nacheinander darreichte, das Kännchen mit dem Wein zuerst, danach das Kännchen mit dem Wasser. Der Priester brachte nun für die ganze Welt den halbvollen Kelch dar, den er in die Mitte des Korporale zurückstellte, wo er ihn wieder mit der Palla bedeckte. Und nachdem er noch einmal gebetet hatte, kam er zurück und ließ sich in ganz dünnem Strahl Wasser über die äußersten Spitzen des Daumens und des Zeigefingers einer jeden Hand gießen, um sich von den geringsten Flecken der Sünde zu reinigen. Als er sich mit dem Lavabotuch abgetrocknet hatte, goß die wartende Teuse das auf das Meßkännchentablett gelaufene Wasser in einen Zinkeimer an der Ecke des Altars.

„Orate, fratres“, begann der Priester mit lauter Stimme von neuem, den leeren Bänken zugewandt, die Hände in einer Gebärde des Rufes an die Menschen guten Willens ausbreitend und wieder faltend. Und sich zum Altar zurückwendend, fuhr er mit gesenkter Stimme fort.

Vincent murmelte einen langen lateinischen Satz vor sich hin, in welchem er sich verlor.

Da drangen gelbe Flammen zu den Fenstern herein. Die Sonne kam beim Rufe des Priesters zur Messe. Sie beschien in breiten goldenen Streifen die linke Wand, den Beichtstuhl, den Marienaltar, die große Standuhr. Ein Krachen erschütterte den Beichtstuhl; von einem Glorienschein umgeben, lächelte die Muttergottes im blendenden Glanz ihrer Krone und ihres goldenen Mantels mit ihren gemalten Lippen zärtlich dem Jesusknaben zu; beschwingt schlug die Standuhr die Stunde mit rascheren Schlägen. Es schien, als bevölkere die Sonne die Bänke mit den Staubteilchen, die in ihren Strahlen tanzten. Die kleine Kirche, der weißgetünchte Stall, war gleichsam angefüllt mit einer lauwarmen Menge. Draußen hörte man die leisen Geräusche des glücklichen Erwachens der Flur: Gräser, die vor Wohlbehagen seufzten, Blätter, die in der Wärme trocken wurden, Vögel, die ihre Federn glätteten und ein erstes Mal kurz mit den Flügeln schlugen. Sogar die Flur kam mit der Sonne herein: an einem der Fenster reckte sich eine große Eberesche in die Höhe, warf Zweige durch die zerbrochenen Scheiben hinein und streckte ihre Knospen aus, als wolle sie in das Innere schauen; und durch die Spalten der großen Tür sah man die Gräser der Freitreppe, die in das Kirchenschiff einzudringen drohten. Allein der große Christus, der im Dunkel geblieben war, brachte mitten in dieses aufsteigende Leben den Tod, die Todesqual seines mit Ockergelb beschmierten, mit Lack bespritzten Fleisches. Ein Sperling setzte sich an den Rand eines Loches; er guckte, flog dann fort; doch fast sogleich erschien er wieder und ging in ruhigem Flug zwischen den Bänken vor dem Marienaltar nieder. Ein zweiter Sperling folgte ihm. Bald kamen von allen Zweigen der Eberesche Sperlinge herab und hüpften seelenruhig auf den Fliesen umher.

„Sanctus, Sanctus, Sanctus, Dominus Deus Sabaoth“, sagte der Priester halblaut mit leicht vorgeneigten Schultern.

Vincent schellte dreimal. Doch durch dieses plötzliche Geklingel erschreckt, flogen die Sperlinge mit so lautem Schwirren auf, daß die Teuse, die vor einer Weile in die Sakristei zurückgegangen war, schimpfend wieder zum Vorschein kam.

„Diese Lumpen! Sie werden alles schmutzig machen . . . Ich wette, Mademoiselle Désirée hat ihnen wieder Brotkrumen hingestreut.“

Der furchtbare Augenblick nahte. Leib und Blut eines Gottes würden gleich auf den Altar herabkommen. Der Priester küßte die Altardecke, faltete die Hände, machte mehrmals das Kreuzeszeichen über der Hostie und dem Kelch. Die Gebete des Kanons fielen nur noch in einer Verzückung von Demut und Dankbarkeit von seinen Lippen. Seine Haltung, seine Gebärden, sein Tonfall besagten, wie wenig er war, welche Ergriffenheit er empfand, für eine so große Aufgabe auserwählt zu sein. Vincent kniete hinter ihm nieder; er faßte das Meßgewand mit der linken Hand und hob es leicht an, die Schelle bereithaltend. Und die Ellbogen auf den Rand des Altartisches gestützt, die Hostie zwischen Daumen und Zeigefinger jeder Hand haltend, sprach der Priester über ihr die Wandlungsworte:,,Hoc est enim corpus meum.“ Nachdem er das Knie gebeugt hatte, hob er die Hostie dann langsam empor, so hoch er konnte, und folgte ihr mit den Augen, während der Ministrant, anbetend kniend, dreimal schellte. Danach konsekrierte der Priester den Wein: „Hic est enim calix“, hatte die Ellbogen dabei wiederum auf den Altar gestützt, beugte grüßend das Knie und hob den Kelch empor, folgte ihm gleichfalls mit den Augen, wobei die rechte Hand den Knauf fest umschlossen hielt und die linke den Fuß stützte. Der Ministrant gab zum letzten Mal drei Zeichen mit der Schelle. Das große Mysterium der Erlösung war soeben erneuert worden, das hochheilige Blut floß ein weiteres Mal.

„Na, wartet, na, wartet“, schimpfte die Teuse und suchte mit ausgestreckter Faust die Sperlinge zu verscheuchen.

Doch die Sperlinge hatten keine Angst mehr. Dreist waren sie, über die Kirchenstühle schwirrend, mitten im Schellengeklingel zurückgekommen. Das wiederholte Geklingel hatte sie sogar in Freude versetzt. Sie antworteten mit leisem Piepsen, das die lateinischen Worte gleichsam mit dem perlenden Gelächter losgelassener Gassenjungen unterbrach. Die Sonne wärmte ihnen die Federn, die liebliche Armseligkeit der Kirche entzückte sie. Sie waren dort zu Hause, wie in einer Scheune, in der man eine Luke offengelassen hat, tschilpten, zausten sich und machten einander die auf dem Fußboden gefundenen Krümel streitig. Einer von ihnen setzte sich auf den goldenen Schleier der Muttergottes, die dabei lächelte; ein anderer durchstöberte flink die Röcke der Teuse, die durch diese Frechheit außer sich geriet.

Der Priester am Altar, der in tiefster Demut die Augen auf die heilige Hostie gerichtet hielt und Daumen und Zeigefinger jeder Hand aneinandergelegt hatte, hörte nichts von diesem Einfallen des lauen Maienmorgens in das Kirchenschiff, nichts von dieser steigenden Flut aus Sonne, Grün und Vögeln, die überströmte bis zum Fuße des Kalvarienberges, wo die verdammte Natur mit dem Tode rang.

„Per omnia saecula saeculorum“, sagte er.

„Amen“, antwortete Vincent.

Als das Paternoster zu Ende gesprochen war, hielt der Priester die Hostie über den Kelch und brach sie mittendurch. Dann löste er von der einen Hälfte ein Teilchen ab, das er in das kostbare Blut gleiten ließ, um die innige Vereinigung anzuzeigen, die er mit Gott durch die Kommunion eingehen würde. Er sprach mit lauter Stimme das Agnus Dei, sagte ganz leise die drei vorgeschriebenen Gebete her, bekannte seine Unwürdigkeit; und während er die Ellbogen auf den Altar stützte und die Patene unter das Kinn hielt, nahm er die beiden Teile der Hostie zugleich zu sich. Nachdem er die Hände in inbrünstiger Andacht in Höhe seines Gesichts gefaltet hatte, sammelte er mit Hilfe der Patene die von der Hostie abgebröckelten heiligen Teilchen, die er in den Kelch schüttete. Da ein Teilchen an seinem Daumen haftengeblieben war, streifte er es mit der Spitze seines Zeigefingers ab. Und sich mit dem Kelch bekreuzigend, die Patene wieder unter sein Kinn haltend, trank er das ganze kostbare Blut in drei Schlucken, ohne die Lippen vom Rande des Kelches zu lösen, und vollzog so bis zum letzten Tropfen das göttliche Opfer.

Vincent war aufgestanden, um die Meßkännchen wieder vom Kredenztisch zu holen. Doch die Tür des Flurs, der zum Pfarrhaus führte, öffnete sich angelweit, schlug gegen die Wand zurück und gab den Durchgang einem schönen Mädchen von zweiundzwanzig Jahren mit kindlichem Gesicht frei, das etwas in seiner Schürze verborgen hielt.

„Es sind dreizehn!“ rief sie. „Alle Eier waren gut!“ Und die Schürze halb öffnend, ließ sie eine ganze Brut krabbelnder Küken mit ihren sprießenden Flaumfedern und den schwarzen Punkten ihrer Augen sehen: ,,Seht doch! Sind die aber niedlich, die Süßen! – Oh, das kleine Weiße, das den anderen auf den Rücken klettert! Und das da, das Gesprenkelte, das schon mit den Flügeln schlägt! – Die Eier waren wirklich gut. Nicht ein taubes!“

Die Teuse, die nun doch bei der Messe half, indem sie Vincent die Meßkännchen für die Reinigung reichte, wandte sich um und sagte laut:

„Seien Sie doch still, Mademoiselle Désirée! Sie sehen doch, daß wir noch nicht fertig sind.“

Ein starker Geruch nach Hühnerhof drang durch die offene Tür und wehte wie ein Ferment des Werdens in die Kirche, in den warmen Sonnenschein, der auf den Altar fiel.

Désirée blieb einen Augenblick stehen, ganz glücklich über das kleine Völkchen, das sie trug, und sah Vincent zu, wie er den Wein der Reinigung eingoß, sah ihrem Bruder zu, wie er diesen Wein trank, damit nichts von dem heiligen Leib und Blut in seinem Munde bliebe. Und sie stand noch immer da, als er zurückkam, den Kelch mit beiden Händen haltend, um sich über Daumen und Zeigefinger den Wein und das Wasser der Reinigung gießen zu lassen, das er beides gleichfalls trank. Doch die Henne, die ihre Kleinen suchte, kam glucksend an und wäre beinahe in die Kirche hineinspaziert. Da ging Désirée mit mütterlichen Worten für die Küken davon, gerade in dem Augenblick, als der Priester mit dem Kelchtüchlein, nachdem er es an seine Lippen gedrückt hatte, erst über die Ränder, dann über die Innenseite des Kelches wischte.

Es war das Ende, die Danksagung an Gott. Der Ministrant holte ein letztes Mal das Meßbuch, trug es wieder nach rechts. Der Priester legte das Kelchtüchlein, die Patene, die Palla auf den Kelch zurück; dann kniffte er von neuem die beiden breiten Falten des Velums zurecht und legte die Bursa darauf, in die er das Korporale zusammengefaltet hineingelegt hatte. Sein ganzes Wesen war ein glühender Dank. Er bat den Himmel um die Vergebung seiner Sünden, die Gnade eines gottgefälligen Lebens, das Verdienst des ewigen Lebens. Er blieb versunken in dieses Liebeswunder, in dieses immerwährende Opfer, das ihn jeden Tag mit dem Fleisch und Blut seines Heilandes speiste.

Nachdem er die Gebete gelesen hatte, wandte er sich um und sprach:

„Ite, missa est.“

„Deo gratias“, antwortete Vincent.

Nachdem der Abbé sich umgedreht hatte, den Altar zu küssen, wandte er sich wieder um, hielt die linke Hand unterhalb der Brust und erteilte mit der ausgestreckten rechten Hand der von der Heiterkeit der Sonne und vom Lärm der Sperlinge erfüllten Kirche den Segen.

„Benedicat vos omnipotens Deus, Pater et Filius, et Spiritus Sanctus.“

„Amen“, sagte der Ministrant und bekreuzigte sich.

Die Sonne schien stärker, und die Sperlinge wurden kühner. Während der Priester auf der linken Kanontafel das Schlußevangelium nach Johannes las, das von der Ewigkeit des Wortes kündet, setzte die Sonne den Altar in Flammen, ließ die Stuckmarmorfelder weiß erglänzen, verzehrte den Schein der beiden Kerzen, deren kurze Dochte nur noch zwei düstere Flecken bildeten. Das sieghafte Gestirn umfing mit seinem Glorienschein das Kreuz, die Leuchter, das Meßgewand, das Velum, all dieses unter seinen Strahlen verblassende Gold. Und als der Priester den Kelch nahm, eine Kniebeuge machte und den Altar verließ, um bedeckten Hauptes in die Sakristei zurückzukehren, ihm voran der Ministrant, der die Meßkännchen und das Lavabotuch zurücktrug, blieb das Gestirn allein Herr über die Kirche. Die Tür des Tabernakels mit seinem Glanz entzündend, die Maienfruchtbarkeit preisend, hatte sich nun sein Schein auf die Altardecke gelegt. Wärme stieg von den Fliesen auf. Das getünchte Mauerwerk, die große Muttergottes, der große Christus selber wurden von den steigenden Säften durchschauert, als sei der Tod überwunden durch die ewige Jugend der Erde.

Die Sünde des Abbé Mouret

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