Читать книгу Die Sünde des Abbé Mouret - Эмиль Золя, Emile Zola, Еміль Золя - Страница 7

KAPITEL III

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Die Teuse beeilte sich, die Kerzen auszulöschen. Doch sie hielt sich mit dem Verscheuchen der Spatzen auf. Als sie das Meßbuch in die Sakristei zurücktrug, fand sie daher auch Abbé Mouret nicht mehr dort vor; der hatte sich die Hände gewaschen und dann die geweihten Gewänder verwahrt. Er war schon im Eßzimmer und trank im Stehen eine Tasse Milch zum Frühstück.

„Sie sollten wohl Ihre Schwester davon abhalten, Brot in die Kirche zu werfen“, sagte die Teuse beim Hereinkommen. „Im letzten Winter ist sie auf diesen hübschen Einfall gekommen. Sie hat gesagt, den Spatzen sei kalt, und der liebe Gott könne sie wohl ernähren . . . Sie wird es schließlich noch dahin bringen, daß wir mit ihren Hühnern und Kaninchen zusammen schlafen, passen Sie nur auf.“

,,Dann hätten wir es wärmer“, erwiderte fröhlich der junge Priester. „Sie schimpfen immerzu, Teuse. Lassen Sie doch unsere arme Désirée ihre Tiere liebhaben. Sie hat keine andere Freude, das liebe unschuldige Kind.“

Die Magd pflanzte sich mitten im Zimmer auf.

„Oh, Sie!“ legte sie los. „Sie würden es zulassen, daß die Elstern in der Kirche ihre Nester bauen. Sie sehen nichts, Sie finden alles vortrefflich . . . Ihre Schwester kann froh sein, daß Sie sie zu sich genommen haben, als Sie aus dem Priesterseminar kamen. Ich möchte wohl wissen, wer ihr sonst erlauben würde, auf einem Hühnerhof herumzupatschen?“ Dann sagte sie gerührt und in einem ganz anderen Ton: „Gewiß, es wäre ein Jammer, wollte man sie hindern. Sie ist ohne jeden Falsch. Sie ist ja kaum wie eine Zehnjährige, obgleich sie eins der kräftigsten Mädchen des Ortes ist . . . Denken Sie nur, ich bringe sie abends noch zu Bett, und ich muß ihr wie einem kleinen Kind Geschichten erzählen, damit sie einschläft.“

Abbé Mouret hatte seine Tasse Milch im Stehen ausgetrunken, seine Finger waren etwas rot geworden von der kühlen Luft im Eßzimmer, einem großen grau gestrichenen Raum mit Fliesenfußboden, in dem außer einem Tisch und Stühlen keine anderen Möbel standen.

Die Teuse nahm die Serviette fort, die sie zum Frühstück auf einer Ecke des Tisches ausgebreitet hatte.

,,Sie machen kaum Wäsche schmutzig“, murmelte sie. „Man könnte meinen, Sie könnten sich nicht hinsetzen, Sie seien immer im Begriff fortzugehen . . . Ach, wenn Sie Herrn Caffin gekannt hätten, den armen verstorbenen Pfarrer, an dessen Stelle Sie getreten sind! Das war ein empfindlicher Mann! Seine Verdauung würde nicht funktioniert haben, wenn er im Stehen gegessen hätte . . . Er war aus der Normandie, aus Canteleu, wie ich. Bedanken brauch ich mich nicht bei ihm, daß er mich in diese gottverlassene Gegend gebracht hat. Du mein Gott, was haben wir uns in der ersten Zeit gelangweilt! Der arme Pfarrer hatte recht unangenehme Geschichten bei uns zu Hause gehabt . . . Na, Herr Mouret, haben Sie denn keinen Zucker in Ihre Milch genommen? Hier sind die beiden Zuckerstücke.“ Der Priester stellte seine Tasse hin.

„Ja, ich glaube, ich habe es vergessen“, sagte er.

Die Teuse sah ihn an und zuckte die Schultern. Sie wickelte eine Scheibe Schwarzbrot, die ebenfalls auf dem Tisch liegengeblieben war, in die Serviette. Da der Pfarrer gerade hinausgehen wollte, lief sie ihm nach, kniete nieder und rief:

„Warten Sie, Ihre Schuhbänder sind noch nicht einmal zugebunden . . . Ich weiß nicht, wie Sie das mit Ihren Füßen in diesen Bauernschuhen aushalten. Sie, wo Sie doch so zart sind, wo Sie doch aussehen, als seien Sie tüchtig verwöhnt worden! – Der Bischof muß Sie ja ganz genau gekannt haben, daß er Ihnen die ärmste Pfarre des Departements gegeben hat.“

,,Aber“, sagte der Priester und lächelte wieder, „ich selber habe ja Les Artaud ausgesucht . . . Sie sind ganz schlimm heute früh, Teuse. Sind wir nicht glücklich hier? Wir haben alles, was wir brauchen, wir leben in paradiesischem Frieden.“

Da ließ sie das Schimpfen, lachte nun auch und entgegnete:

„Sie sind ein heiliger Mann, Herr Pfarrer . . . Sehen Sie sich mal meine Wäsche an, wie speckig die ist. Das ist besser, als daß wir uns streiten.“

Er mußte ihr folgen, denn sie drohte ihm, ihn nicht fortzulassen, wenn er ihr nicht Komplimente über ihre Wäsche machte. Er ging aus dem Eßzimmer und stieß sich im Flur an einem Gipsbrocken.

„Was ist denn das?“ fragte er.

„Nichts“, erwiderte die Teuse mit schrecklicher Miene. „Das Pfarrhaus fällt ein. Aber Sie fühlen sich wohl, Sie haben ja alles, was Sie brauchen . . . Ach Gott, an Rissen fehlt es nicht. Sehen Sie sich mal diese Decke an. Die ist wohl rissig genug! Wenn wir nicht demnächst erschlagen werden, müssen wir unserem Schutzengel eine große Kerze anzünden. Da es Ihnen aber schließlich so gefällt . . . Das ist wie mit der Kirche. Seit zwei Jahren schon hätten die zerbrochenen Fensterscheiben erneuert werden müssen. Im Winter erfriert der liebe Heiland ja. Und dann könnte dieses Spatzengelump nicht mehr rein. Ich werde schließlich noch Papier über die Fenster kleben, das sage ich Ihnen.“

„Ja, das ist eine Idee“, murmelte der Priester. „Man könnte Papier darüberkleben . . . Was die Wände angeht, die halten besser, als man glaubt. In meinem Schlafzimmer hat sich der Fußboden nur vor dem Fenster geworfen. Das Haus wird uns alle überleben.“

Da er der Teuse eine Freude machen wollte, ging er mit in den kleinen Schuppen bei der Küche und bewunderte in lauten Tönen, wie vortrefflich die Wäsche war; er mußte sogar daran riechen und die Finger hineinhalten.

Ganz entzückt zeigte sich nun die alte Frau von der mütterlichen Seite. Sie schimpfte nicht mehr, holte eine Bürste und sagte:

„Sie werden doch wohl nicht mit dem Schmutz von gestern auf Ihrer Soutane aus dem Haus gehen! Wenn Sie sie über das Treppengeländer gelegt hätten, wäre sie jetzt sauber . . . Sie ist noch gut, diese Soutane. Nehmen Sie sie nur immer hübsch hoch, wenn Sie über ein Feld gehen. Die Disteln zerreißen alles.“

Sie drehte ihn hin und her wie ein Kind und schüttelte ihn mit den heftigsten Bürstenstrichen von Kopf bis Fuß durch.

„Na, na, nun istʼs genug“, sagte er, indem er sich ihr entwand. „Passen Sie auf Désirée auf, nicht wahr? Ich werde ihr sagen, daß ich fortgehe.“

Doch in diesem Augenblick rief eine helle Stimme:

„Serge! Serge!“

Désirée kam angelaufen, ganz rot vor Freude, mit bloßem Kopf, die schwarzen Haare im Nacken zu einem mächtigen Knoten zusammengeschlungen, Hände und Arme bis zu den Ellbogen hinauf mit Mist beschmiert. Sie machte bei ihren Hühnern sauber. Als sie sah, daß ihr Bruder im Begriff war, mit seinem Brevier unter dem Arm fortzugehen, lachte sie lauter und küßte ihn schallend, wobei sie die Hände nach hinten hielt, um ihn nicht zu berühren.

„Nein, nein“, stammelte sie, „ich würde dich schmutzig machen . . . Oh, hab ich einen Spaß! Du mußt dir die Tiere ansehen, wenn du zurückkommst.“ Und sie lief davon.

Abbé Mouret sagte, er werde um elf Uhr zum Mittagessen nach Hause kommen. Er ging fort, und die Teuse, die ihn bis zur Schwelle begleitet hatte, rief ihm noch ihre letzten Ermahnungen nach.

„Vergessen Sie nicht, Bruder Archangias zu besuchen . . . Gehen Sie auch bei Brichets vorbei; die Frau war gestern hier, immer noch wegen dieser Heirat . . . Herr Pfarrer, so hören Sie doch! Ich habe die Rosalie getroffen. Die wünscht sich nichts sehnlicher, als den langen Fortuné zu heiraten. Reden Sie mit Vater Bambousse, vielleicht wird er jetzt auf Sie hören . . . Und kommen Sie nicht erst um zwölf zurück, wie neulich. Um elf Uhr, hören Sie, um elf Uhr, ja?“

Aber der Priester wandte sich nicht mehr um.

Sie ging ins Haus zurück und murmelte zwischen den Zähnen:

„Wenn einer glaubt, daß der auf mich hört! – So was ist noch keine sechsundzwanzig Jahre und handelt nur nach seinem eigenen Kopf. Gewiß, was seine Heiligkeit angeht, so würde er darin einem Sechzigjährigen noch was vormachen; aber er hat ja noch gar nicht gelebt, er weiß ja noch nichts, es macht ihm keine Mühe, artig wie ein Englein zu sein, der Liebe.“

Die Sünde des Abbé Mouret

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