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Hatte ich mich gerade noch einigermaßen in Sicherheit gewähnt vor dem großen Showdown, sprich dem Aufeinandertreffen mit Mael, so riss mich das, was jetzt kam, derart unerwartet vom Hocker, dass es in meine persönliche Top Ten der Worst Moments Ever einging.

Von meinem bisher erfolgreichen Lauf bestärkt trat ich mit eindeutig gewachsenem Selbstbewusstsein vor Phelan, den nächsten der Achtlinge. Als ich gemäß Protokoll meinen Segen erbat, hielt Phelan wie bei seiner Ankunft den Kopf gesenkt. Wild kringelten sich seine hellbraunen Korkenzieherlocken bis auf die Schultern herab und bildeten einen weich kontrastierenden Rahmen zu seinen wie aus Marmor gemeißelten Wangenknochen, die sich zwischen den einzelnen Strähnen andeuteten. Bereits als Phelan aus der Tür gekommen war, hatte ich mich ob seiner gebeugten Haltung gewundert. Sein Haar trug er beinahe so, als wollte er etwas hinter ihnen verstecken. Nur was?

„Ich, Aline Heidemann, bitte dich um deinen Segen für die Aufnahme in die Linie der Ewigen.“

Nichts tat sich.

Phelan hielt den Kopf weiterhin gesenkt, die Augen nach wie vor niedergeschlagen. Irritiert versuchte ich, einen klaren Gedanken zu fassen, scheiterte aber kläglich.

Wieso antwortete er mir nicht?

Keine Panik, Aline, immer schön ruhig bleiben, vielleicht ist er ja schwerhörig oder vor Langeweile eingenickt. Jedenfalls hätte ich ihm das nicht verübelt. Solche starren Familienrituale waren auch für mich stets ein Grund, spontan an irgendeinem ansteckenden Virus zu erkranken.

„Ich, Aline Heidemann, bitte dich um deinen Segen für die Aufnahme in die Linie der Ewigen“, wiederholte ich mein Anliegen, diesmal mit etwas mehr Nachdruck in der Stimme. Dieser Bruder sollte ruhig wissen, dass ich keine Lust auf unnötige Mätzchen hatte.

Das zeigte Wirkung. Langsam hob Phelan den Kopf. Als er seine Augen öffnete, schlug eine imaginäre Faust in meinen Bauch, und abgrundtiefer Schrecken fuhr in Sekundenschnelle in jede Zelle meines Körpers.

Gelbe Regenbogenhaut umspannte eine tiefschwarze Pupille, eingebettet in eine schräg gestellte Mandelform, die animalischer nicht hätte sein können. Scharf sog ich die Luft ein und vergaß, dass ich doch ach so souverän hatte wirken wollen. Wolfsaugen, schoss es mir in einem Anflug von Panik durch den Kopf, und im nächsten Moment erkannte ich geistesgegenwärtig die Verbindung. Phelan bedeutete kleiner Wolf, so hatte es mir Daron erklärt, doch nie hätte ich gedacht, dass der Name derart wörtlich zu nehmen war.

Ich wagte nicht, mich von diesem funkelnden Gelb abzuwenden, aus Angst, meine bisher hart erkämpfte Position zu gefährden. Doch egal, wie tapfer ich Phelans starrendem Wolfsblick standhielt – mein Albtraum für diese Nacht war bereits gesichert.

Bange Sekunden vergingen. Phelan musterte mich von oben bis unten. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, als würde er mich durch eine Art Nacktscanner betrachten. Ich fühlte mich plötzlich so schutzlos, so hüllenlos und pur, obgleich ich in voller Montur vor ihm stand.

„Ich habe von dir gehört, Aline, und davon, wie du Mael die Stirn geboten hast. Sag mir, Bewahrerin, warum denkst du, dass ausgerechnet du den Platz an Darons Seite verdienst?“ Phelans Stimme war kaum mehr als ein Knurren, tief und grollend in seiner Kehle, leise und bedrohlich zugleich. Mir stellten sich die Nackenhaare auf.

Verdammt, er sah nicht nur aus wie ein Wolf, er hörte sich auch noch wie einer an.

„Phelan!“, rief Luan mahnend von seinem Drachenthron herab und maß seinen Sohn mit einem strengen Blick. Allein der hätte mir schon gereicht, um mich mit eingezogenem Kopf in eine Ecke zu verkrümeln. Phelan allerdings schien weder diese Maßregelung zu beeindrucken noch gar die Möglichkeit, den Unwillen seines Vaters auf sich gezogen zu haben. Langsam erhob sich der Wolfsäugige von seinem Thron, den Blick unaufhörlich auf mich gerichtet. An die imposante Statur sämtlicher McÉags war ich mittlerweile gewöhnt, doch in Kombination mit diesem taxierenden Blick bekam ich langsam mächtig Schiss. Trotzdem blieb ich wie festgenagelt an meinem Platz stehen, da ich nicht wagte, durch einen winzigen Muskelzucker oder gar einen Schritt rückwärts Furcht zu zeigen. Auch wenn das bedeutete, dass Phelan sich direkt vor mir positionierte und ich dadurch wie eine Maus zur Schlange aufschauen musste. Allmählich hatte ich es echt satt, in dieser von Männern dominierten Familie ständig an die Grenzen meiner psychischen Belastbarkeit getrieben zu werden. Von der physischen wollen wir hier jetzt erst gar nicht anfangen.

„Also, Bewahrerin, wie lautet deine Antwort?“ Immer näher kamen mir diese leuchtenden Augen, die mich an das Glänzen hochkarätiger, gelber Citrine erinnerten. So wundervoll, so unschätzbar kostbar – hätte nicht unterschwellig das Wort Gefahr bei jedem einzelnen Funkeln mitgeschwungen.

Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was ich sagen sollte oder was laut Protokoll eine angemessene Antwort dargestellt hätte.

Also tat ich das, was ich in brenzligen Situationen immer machte, wenn ich nicht weiter wusste. Ich wurde frech.

Scheiß auf die Etikette – Angriff war in solchen Situationen immer noch die beste Verteidigung, und in diesem Moment fühlte ich mich weitaus mehr als nur in die Enge getrieben. Der Kerl hatte mich herausgefordert. So nicht, Freundchen!

„Wenn Du irgendwann mal den Mumm hast, dein Leben für einen anderen zu opfern, dann können wir uns gern weiter unterhalten, aber bis dahin wirst du mir wohl schon hinsichtlich meiner Eignung für diesen Posten vertrauen müssen“, erwiderte ich so ruhig wie möglich, gab mir aber keine Mühe, den Unterton zu verbergen, der ihm und allen anderen zeigte, dass ich ganz schön angefressen war. Wieso auch nicht? Er war mir blöd gekommen, also warum sollte ich artig bleiben?

Die Antwort schien ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben, denn Verwirrung schlich sich für wenige Sekunden in Phelans Augen und nahm seinem Ausdruck kurzzeitig die Bedrohlichkeit, die für mich so real war, dass ich sie beinahe mit den Händen greifen konnte. Augenblicklich vernahm ich hinter mir ein gedämpftes Lachen.

„Chapeau, Bewahrerin“, rief Bran mir zu und machte keinen Hehl aus seiner Belustigung über die verbale Zurechtweisung seines Bruders. Amüsiert strich er sich über seinen kleinen Kinnbart, der so dezent war, dass ich ihn vorhin glatt übersehen hatte, genauso wie die Geheimtür neben dem Thron. Verdammt, ich musste einfach besser aufpassen. Ich konnte mir den Luxus von Nachlässigkeit in dieser Situation einfach nicht leisten, auch wenn es sich nur um so etwas Banales wie ein Bärtchen handelte. Man hatte mich fast mühelos in eine Grube voller Löwen geworfen, von denen nur wenige gezähmt waren. Nun erwartete man von mir, dass ich ihrer Herr wurde, und zwar nur mit verbalen Kunststückchen. Ganz ehrlich, ich fand das allmählich echt zum Kotzen.

Noch während ich gedanklich vor mich hin fluchte, erlangte Phelan die Fassung wieder und setzte einen Blick auf, der noch furchterregender war als der bisherige.

„Ich verlange einen Bürgen.“

Schlagartig verstummte Brans Kichern, und ein eisiger Luftzug fuhr mir über die Haut. Nicht gut, dachte ich sofort. Das Absinken der Raumtemperatur ereignete sich in der Regel immer dann, wenn die Emotionen der Ewigen ironischerweise kurz vorm Überkochen standen. Meine dagegen sanken augenblicklich mit der Luft zusammen auf tiefste Minusgrade herab.

„Einen … bitte was?“, fragte ich irritiert.

Ein arrogantes Lächeln breitete sich auf Phelans Gesicht aus.

„Ich verlange einen Bürgen. Für dich, Bewahrerin.“

Verraten - Die Linie der Ewigen

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