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Schmerzen und
Hunger


Bereits an den ersten Tagen meiner Wanderung bildeten sich erste Blasen an meinen Füßen. Ich sollte noch lange damit zu kämpfen haben. Das wunderte mich sehr, da ich solche Probleme von vorangegangenen Touren nicht kannte. Leider gibt es kein Patentrezept gegen Blasen. Egal, wie sehr man sich durchs Netz googelt, man findet zwar Tipps wie doppelte Socken, Trailrunning-Schuhe etc., doch jeder Mensch und jeder Fuß sind anders. Ich gewöhnte mich schnell an das übliche Prozedere: Blase aufstechen und desinfizieren, Pflaster mit einem Stück Binde verstärken und ran an die zerriebene Stelle. In den folgenden Wochen testete ich wirklich alles, was ich je darüber gehört oder gelesen hatte, bis ich mir fest vornahm, die Schmerzen zu ignorieren, egal, wie sehr es brannte. Ich beobachtete mich sogar bei Selbstgesprächen, die nur um die schmerzenden Stellen kreisten, was der Sache nicht gerade förderlich war. Mit Ignoranz hoffte ich, die betroffenen Stellen früher oder später abzuhärten und konzentrierte mich auf andere Körperteile, um meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Irgendwann gelang mir das ganz gut. Am Ende half völlig unerwartet mein gefühlt dreißigstes Paar neue Einlegesohlen, das ich auf der Tour ausprobierte.

Auf einer kleinen Landzunge bei Dagebüll, direkt gegenüber der Insel Föhr, übernachtete ich auf einem Campingplatz. Meine Füße sehnten sich nach einer Erholung und ich mich nach einer warmen Dusche und einem guten Essen. In der Nähe meines Schlafplatzes, den ich weit abseits der vielen Wohnwagen auswählte, stand ein weiteres Zelt. Es dauerte nicht lange, und der langhaarige, vollbärtige Besitzer des Zeltes kam in auffällig bunter Outdoor-Kleidung auf mich zu. Er war begeisterter Bergsteiger und gönnte sich eine Auszeit von seiner Heimatstadt Wien, da er endlich mal das Flachland erkunden wollte. Ihm ging es wie mir mit der Nordsee. Nie hatte es ihn von den Bergen weggezogen, da er sich einfach nicht vorstellen konnte, dass es an der See etwas Spannenderes als Wasser zu sehen geben könnte. Nun war er froh, das Experiment gewagt zu haben, und begeistert von der Weitsicht, die ihm diese Landschaft bot. Wir tauschten uns ausgiebig über unser Outdoor-Equipment aus und fachsimpelten über diverse Ausrüstungsgegenstände, die auf so einer Tour sinnvoll oder auch weniger sinnvoll sind. Da ich annehme, dass viele Leser*innen sich für das Equipment interessieren, das ich auf solch einer Tour auf meinem Rücken trage, hier ein kleiner Einblick in meine Outdoor-Ausrüstung:

KLEIDUNG

– Unterhose

– Socken

– T-Shirt langärmlig

– Merino-Hoodie

– Polartec-Hoodie

– Daunenjacke

– Regenjacke

– Regenponcho

SCHLAFEN

– Doppelwandzelt inklusive Unterlegplane, Gestänge und sechs Heringe

– Aufblasbare Isomatte

– 3–4 Jahreszeiten Schlafsack

KOCHEN

– Wasserdichter Packsack

– Titanium-Topf

– Gaskocher

– Gaskartusche

– Löffel

– Wischtuch

– Zwei 2,5-Liter-Wassersäcke

– Selbstgebauter Duschaufsatz

– Wasserfilter

– Feuerzeug

– Multifunktionsmesser

PFLEGE

– Wasserdichter Packsack

– Zahnbürste und Zahnpasta

– Sonnenschutz

– Biologisch abbaubares Waschmittel

– Acryl-Spiegel

– Nagelzwicker

– Ohrenstäbchen

– Handspiegel

– Rasierapparat

– Toilettenpapier

– Handtuch

ERSTE HILFE

– Verbandsmaterial

– Pflaster

– Schmerzmittel

– Entzündungshemmer

REPARATUR

– Reparaturset Zelt

– Reparaturset Isomatte

– Drei Meter Paracord

– Nähzeug

LUXUS

– Outdoor-Kopfkissen

– Campingstuhl

– Schlafmaske

– Ohropax

In Husum nahm ich mir ein Hotelzimmer. Ich wachte auf einer Matratze auf, in der ich schlichtweg versank. Ich hatte das Gefühl, auf einem Marshmallow zu schlafen, was keineswegs meinem Bedürfnis nach einer wohltuenden Schlafunterlage entsprach. Egal. Ich machte mich frisch und peilte voller Vorfreude den Frühstücksraum an. Bei einem Übernachtungspreis von 89 Euro hatte ich mir fest vorgenommen, so viel wie möglich in mich hineinzuschaufeln. Da lohnt es sich doch, gleich Brote für unterwegs vorzubereiten. Gesagt, getan. Vier Brötchen, Unmengen Obst und zwei Stullen in Servietten verpackt, fielen für mich als Vorrat ab. Jetzt fühlte ich mich gut und konnte auch über den Preis schmunzeln. So satt war ich schon seit Tagen nicht mehr. Eigentlich plagte mich auf der gesamten Reise ein ständiges Hungergefühl. So viele Kalorien, wie ich verbrannte, konnte ich gar nicht aufnehmen, geschweige denn in meinem Rucksack mit mir herumschleppen.

Verpflegung für vier bis fünf Tage hatte ich immer im Rucksack dabei. So konnte ich eine Zeit lang in der Natur bleiben und mich von der Zivilisation fernhalten. Morgens gab es einen Apfel und eine Schüssel Müsli. Damit es nicht zu trocken ist, vermischte ich es mit einem »Obstquetschi« und ein wenig Wasser. Quetschis sind eigentlich eine ökologische Katastrophe, und es ist mir ein Rätsel, warum Menschen 90 Gramm zerquetschtes Bio-Obst in Kunststoffverpackung zum Auslutschen kaufen. Als Outdoor-Proviant sind sie allerdings optimal. Die Zwischenmahlzeit bestand aus zwei Scheiben Brot mit Tomaten und einem Gemüse-Aufstrich. Noch zwei, drei Powerriegel am Tag und abends eine Fertignudelsuppe. In meinem Fall sollte es vegan, zumindest vegetarisch sein.

Hin und wieder bietet auch die Natur unterwegs verschiedene Köstlichkeiten, die man direkt vom Baum oder vom Busch pflücken und essen kann. Allerdings sollte niemand denken, dass man davon satt wird. Definitiv nicht. Ich habe in den 165 Tagen meiner Wanderschaft mindestens zwölf Kilo abgenommen. Obwohl ich mich, sobald sich ein Café oder Ähnliches bot, mit Kuchen und Eisbechern vollgestopft habe. Zwei Stück Torte und ein Eisbecher waren auf der Tour keine Seltenheit. Auch in den Ortschaften, in denen ich mir eine Unterkunft nahm, suchte ich gezielt nach Restaurants, die meinen gefühlt ständig leeren Magen bis zum Bersten füllten.

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