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Wind und
Wetter
ОглавлениеBei Ostenfeld machte ich Rast unter einem Windrad. Irgendwie war das spannend, da ich schon immer mal ganz nah an so ein Ding heranwollte. Erst wenn man direkt darunter steht, realisiert man, was für monströse Bauwerke das sind. In der ganzen Gegend waren die Windräder zu sehen, und alle rotierten fleißig, um Strom zu erzeugen. Bis auf das, unter dem ich saß. Aber das war gut so, denn die Dinger machen auch ordentlich Lärm. Grundsätzlich genieße ich lieber den Blick in die Ferne, ohne dass er am Horizont von Stromerzeugern gestört wird. Auf der anderen Seite bin natürlich auch ich an erneuerbaren Energien interessiert und halte sie für eine vernünftige Alternative zu fossilen Brennstoffen. Eines der Hauptargumente gegen Windräder ist der Vogelschlag. Jährlich sterben dadurch wohl zwischen 50 000 und 100 000 Vögel. Betrachtet man jedoch andere Zahlen, relativiert sich die Zahl schnell. Alleine durch Kollisionen im Bahn- und Straßenverkehr kommen jährlich etwa 70 Millionen Vögel um. Durch Glasscheiben an Gebäuden sind es alleine in Deutschland sogar 100 Millionen. Der Vogelschlag durch Windräder ist wiederum problematisch, da es häufiger seltene Arten trifft wie zum Beispiel den Rotmilan oder Fledermäuse. Weitere Störfaktoren sind der Lärm, erzeugter Infraschall, Schattenwurf oder die Veränderung des Landschaftsbildes. Einerseits sollten diese Probleme in meinen Augen nicht ignoriert werden. Andererseits ist in unserer Gesellschaft eine weitaus schlimmere Lärmbelästigung in anderen Bereichen allgegenwärtig. Das durch Windkraftanlagen veränderte Landschaftsbild ist auch mir ein Dorn im Auge, jedoch empfinde ich die Erweiterung des Acker-, Städte- und Straßenbaus ebenso wenig als Augenweide. So nehme ich also lieber diese durchaus berechtigten Einwände in Kauf, als weiterhin auf fossile Energie zu setzen. Der Mensch hat sich nun mal auf diesem Planeten breit gemacht und benötigt Energie. Daher müssen wir mit der bisher bestmöglichen Erzeugung leben, denn darauf verzichten können wir alle nicht.
Regen ließ in diesen Tagen nie lange auf sich warten. Vier Kilometer vor Hollingstedt waren meine Klamotten, vor allem meine Hose, so durchnässt, dass ich mir für die kommende Nacht eine Unterkunft suchen wollte. Vor dieser Tour habe ich bei der Vorbereitung bewusst auf eine Regenhose verzichtet. Als meine Wanderhose nur noch wie ein nasser Lappen an mir herunterhing, fragte ich mich allerdings, auf was für komische Ideen ich manchmal komme, nur um Gewicht zu sparen. Keine Regenhose, aber Kissen, Stuhl und Kameradrohne. Ich nahm mir vor, die Hose bald aus Leipzig nachschicken zu lassen. Das setzte ich allerdings nie in die Tat um, und würde sie nun – nach Abschluss der Reise – auch beim nächsten Mal zu Hause lassen.
Im Schutz des Daches einer Bushaltestelle bemühte ich mich, über mein Smartphone eine Unterkunft in Hollingstedt ausfindig zu machen, was mir nicht gelang. Daraufhin rief ich in einer Gaststätte an und fragte, ob man mir dort weiterhelfen könnte. Der Frau, mit der ich telefonierte, meinte: »Vielleicht vermietet Frau Pepper noch.« Im Netz fand ich die Nummer von besagter Frau Pepper und rief sofort an. Sie klang zunächst nicht begeistert, da das Zimmer nicht hergerichtet sei. Nach einem kurzen Plausch und der Versicherung, keine hohen Ansprüche zu haben, sagte sie schließlich zu. Kurz vor Ende des Gesprächs fragte ich noch nach dem Preis für die Nacht. »Ich nehme 25 Euro«, antwortete Frau Pepper. Ich dachte, ich höre nicht recht, tat aber unbeeindruckt und freute mich. Selbst wenn die 25 Euro nur für eine Nacht in der Garage gewesen wären, hätte ich sie in diesem Moment gern bezahlt.
Nach einem regenreichen Tag bekomme ich trotz anfänglicher Schwierigkeiten doch noch eine sehr gemütliche Unterkunft, um mich und meine Kleidung zu trocknen.
Eine Stunde später klingelte ich völlig durchnässt bei Frau Pepper, die mir gleich meinen Poncho abnahm, um ihn zum Trocknen in den Fahrradschuppen zu hängen. Mit den Worten »Ach, hätten Sie doch gleich gesagt, dass Sie Wanderer sind, dann hätte ich sofort zugesagt. Bei Radfahrern und Wanderern sage ich niemals nein«, bat sie mich herein und zeigte mir das Zimmer. Alles ein wenig in die Jahre gekommen, aber sehr gemütlich. Was will man mehr? Ich mochte Frau Pepper, da sie so zurückhaltend und bescheiden wirkte. Auch als ich ihr 30 statt der ausgemachten 25 Euro in die Hand drückte, wollte sie diese erst gar nicht annehmen. Dabei war die Pension weitaus behaglicher und das Bett weniger durchgelegen als in dem teuren »Marshmallow«-Hotel in Husum.
Im Anschluss fragte ich noch, wo ich im Dorf essen gehen kann. Dabei dachte ich an die Gaststätte, deren Mitarbeiterin mir den heißen Tipp mit Frau Pepper gegeben hatte. Meine Vermieterin verneinte. Das Wirtshaus habe nur am Wochenende geöffnet. Im gleichen Atemzug bot sie mir Brot, Mettwurst und Käse an. Das Einzige, was sie vorrätig hätte. Ich schloss Frau Pepper immer mehr ins Herz, lehnte aber dankend ab und erwähnte, noch Brot im Rucksack zu haben. Ich wollte ihr nicht unnötig zur Last fallen, war ich doch schon froh, dass ich überhaupt bei ihr übernachten konnte. Zugegeben, mein Brot blieb an diesem Abend im Rucksack. Stattdessen packte ich den Kocher aus und kochte mir im Zimmer eines meiner Fertiggerichte. Zum Glück gab es dort einen Tisch mit Steinplatte. Auf dem Teppich hätte ich den Kocher nur ungern angeschmissen.