Читать книгу Deutschland zu Fuß - Enno Seifried - Страница 6
Vorfreude ist
die schönste Freude
ОглавлениеDie Aufregung bei einem solchen Vorhaben ist für mich am Anfang am größten, also wenn es losgeht und ich mich auf das freue, was vor mir liegt. Man sagt ja: Vorfreude ist die schönste Freude. Das Glücksgefühl unterwegs oder der Punkt, an dem man realisiert, dass das Vorhaben gelingen wird, ist noch mal ein ganz anderes. Schon einige Tage vor Erreichen meines Ziels wurde mir klar, dass eigentlich nichts mehr zwischen mir und dem Endpunkt am Haldenwanger Eck steht. Obwohl ich auch zuvor nie daran gezweifelt hatte, überwältigte mich dieser Gedanke doch regelrecht. Doch die Gewissheit am Ende meiner Tour, dass ich das Vorhaben wirklich durchgezogen hatte, verlieh mir ein unfassbares Gefühl von Glück und Zufriedenheit. Was dabei wirklich in mir vorging, lässt sich kaum in Worte fassen. Ich war einfach nur glücklich und dankbar für den Weg, der hinter mir lag, und wusste, dass jede Entscheidung, die ich unterwegs getroffen hatte, die richtige war. Doch bevor ich zum Ende meiner Reise komme, möchte ich euch von meinem Weg dahin berichten, den tollen Begegnungen, auch den weniger angenehmen Begebenheiten, den aufregendsten Momenten und natürlich dem ganz normalen alltäglichen Wahnsinn, der mich unterwegs begleitete.
Bereits nach meiner 700-Kilometer-Tour durch den Harz fragten mich die Leute: »Wie kommt man auf die Idee, so viele Kilometer zu Fuß zurückzulegen? Der Harz ist doch gar nicht so groß?« Meine Standardantwort lautete immer: »Wenn man im Zickzack läuft und so viel wie möglich entdecken möchte, kommt man auch in einer kleinen Region schnell auf 700 Kilometer.« Ähnliche Fragen erreichten mich nach meiner 3442-Kilometer-Fernwanderung durch Deutschland. Natürlich hätte ich die Bundesrepublik auch in rund 1000 Kilometern von Nord nach Süd durchwandern können, doch das reizte mich nicht. Ich wollte mehr von dem Land sehen, mir Zeit dafür nehmen und nicht nur die üblichen Top Trails gehen. Alle für mich interessanten Landschaften und die Verbindungen zwischen ihnen ergaben diese Summe. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass auch der Gedanke verlockend war, der Erste zu sein, der eine solch weite Strecke nur in Deutschland am Stück zu Fuß zurücklegt. Da ich von vornherein plante, einen Dokumentarfilm über dieses Vorhaben zu drehen, sollte es natürlich auch etwas Besonderes sein.
Meine Route durch Deutschland plante ich nur in groben Zügen. Die tatsächliche Strecke ergab sich unterwegs spontan, von Woche zu Woche. Gerade auf so einer Tour mag ich es nicht, wenn alles vorhersehbar und durchgeplant ist. Ich möchte spontan agieren können und mich selber überraschen. Mir ging es hauptsächlich darum, in der Natur unterwegs zu sein. Die Besorgung von Vorräten musste sich dem unterordnen. Sehenswürdigkeiten spielten bei meiner Planung ebenfalls keine große Rolle. Sie waren, wenn sie zufällig auf meiner Route lagen, eher ein zusätzlicher Bonus am Wegesrand.
Auch wenn ich sonst ein Freund von traditionellen Wanderkarten bin, wären diese auf so einer langen Tour zu umständlich gewesen. Ich hätte ständig neue Karten organisieren und zusätzlich überflüssiges Gewicht mit mir herumschleppen müssen. Also entschied ich mich für die Deutschland-Wanderkarte der Kompass-App. Da ich sonst immer diesen Verlag nutze und die App optisch ähnlich aufgebaut ist, kam ich damit schnell gut klar.
Deutschland bietet viele spannende Fernwanderwege, und selbst nach 3442 Kilometern zu Fuß durchs Land hat man noch lange nicht alles gesehen, was es in diesem Land zu entdecken gibt.
Auch abseits der bekannten Fernwanderwege Deutschlands lohnt es sich, einen Blick zu riskieren. Unweit vom Rennsteig befindet sich zum Beispiel der höchste frei stehende Kletterfelsen Thüringens.
Um eins vorwegzunehmen: Eine genaue Auflistung der einzelnen Wege meiner Tour gibt es nicht, auch keinen GPS-Track. Jeder, der eine Tour in diesem Stil machen und das damit verbundene Gefühl von Freiheit erleben will, sollte sich seinen eigenen Weg suchen. Denn genau das ist Teil einer solchen Tour. Eine Route nachzulaufen ist einfach, doch definitiv weniger spannend. Das ist wie im Leben: Sucht, findet, geht euren eigenen Weg und nicht den, der euch von jemand anderem vorgelegt wurde. Dieses Buch soll also kein Wegweiser für Menschen sein, die vielleicht eine ähnliche Reise planen. Ich wünsche mir allenfalls, dass es vielleicht den ein oder anderen inspiriert, loszuziehen.