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Kin Ping Meh, beziehungsweise Werther

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Für Peter Gosse

Ein Freund, der nach einem wissenschaftlichen Kongress in Peking Gelegenheit nahm, einige weitere Städte Chinas zu besuchen, hat aus Neugier oder einer Laune wegen seine chinesischen Gesprächspartner, Physiker wie er, nach dem klassischen Liebesroman "Kin Ping Meh" gefragt. Die aber verstanden ihn nicht, oder wollten sie ihn nicht verstehen? Inzwischen meint er, das frivole Buch sei tabu. Es widerspreche dermaßen der prüden Lebensauffassung im chinesischen Reich, dass man sich einfach nicht wundern dürfe, wenn es seit drei Jahrhunderten und offenbar noch immer verboten ist.

LaoWai, der die emanzipatorischen Veränderungen im Leben der jungen Generation vor Augen hat, widerspricht ihm: Prüderie oder nicht, Verbot hin oder her - jeder, der lesen kann und Jin Ping Mei lesen will, hat das Buch gelesen, besitzt es oder weiß einen, der's hat.

Dir aber geht es wie einem Chinesen, der durch Deutschland fährt und die Leute fragt, ob sie "Weltel" kennen. Er erhält nur negative Auskunft. Nach China zurückgekehrt, berichtet er, wie es die Deutschen mit dem Buch 'Die Leiden des jungen Werther' halten: "Offenbar haben sie Goethes Jugendroman vergessen. Womöglich ist das Buch tabu. Verständlich auch, da die junge Generation nichts oder wenig von der Zukunft erwartet. Fürchtet die Regierung, die Suizidrate unnötigerweise zu erhöhen?"

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