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NIEMAND,

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bis auf ein Mädchen. Die Kleine im gestreiften Kleidchen, einen großen Schulranzen auf dem Rücken und einen Turnbeutel in der Hand, stand an der Tür, schaute ängstlich nach draußen und drückte dann zögerlich auf die Haltewunschtaste. Was sollte sie auch tun? Mich würden ja keine zehn Pferde aus diesem Bus bekommen.

»Das arme Kind«, murmelte eine Frau, und während ich überlegte, ob ich nicht einfach eine ganze Runde rumfahren und hier im Bus das Ende der Sintflut abwarten könnte, schien mein Nachbar mit dem Sitz verschmelzen zu wollen. Der Mann, der vorher so aufrecht neben mir gesessen hatte, rutschte immer tiefer und tiefer: »Bei diesem Wetter jagt man doch keinen Hund vor die Tür.«Viel zu kalt war es geworden, um diesen Regen als Spaß zu begreifen. Noch ein paar Meter, die Türen würden sich öffnen und die Kleine wäre dem Inferno draußen preisgegeben. Was für eine grauenhafte Vorstellung.

Doch plötzlich hielt der Bus noch vor der nächsten Haltestelle an. Der Fahrer drehte sich zu dem Mädchen um und wechselte einige Worte mit dem Kind. Dann erfolgte eine Durchsage: »Werte Fahrgäste, wir machen heute einen kleinen Umweg und fahren die Kleene nach Hause bis vor die Tür. Nur einmal ums Eck, dann sind wir wieder auf der planmäßigen Strecke.«

Eine ältere Dame klatscht Beifall, ein Herr ruft seine Adresse und lacht: »Versuchen kann man es ja mal.« Der Busfahrer lacht auch: »Na du kannst loofen«, schallt es von vorn zurück. Weltuntergang mit guter Stimmung. Blinker rechts, zweihundert Meter geradeaus, Hupe, Türe auf, und das Kind wird direkt am Bus von der Mutter abgeholt. Draußen steht eine junge Frau mit Regenschirm, und während die Kleine winkt und winkt, bedankt sich die Frau überschwänglich für diese freundliche Tat. Was für ein Service.

Das wäre auch etwas für mich. Genau DAS! Endlich etwas tun, worüber sich die Menschen freuen. Um ehrlich zu sein, sind es solche Gesten, die mir mein Vertrauen in die Menschheit erhalten, und in diesem Moment beschloss ich, mich zum Busfahrer ausbilden zu lassen.

Busse gibt es überall. Keine Stadt, in der nicht Busse fahren! Vor dem Hintergrund einer immer realer werdenden Klimakatastrophe könnte ich vielleicht etwas Sinnvolles tun. Einen kleinen Beitrag leisten für ein milliardstel Grad weniger an Erderwärmung.

Das war mein Plan für meine Zukunft. Ein paar Wochen später, während eines gemeinsamen Abendbrotes mit Freunden, meinte dann auch noch ein Bekannter, die BVG wäre ein unheimlich guter Arbeitgeber und Bus- oder Straßenbahnfahrer garantiert ein Beruf mit Zukunft. Na, wer wollte da widersprechen?

»WERTE FAHRGÄSTE, WIR MACHEN HEUTE EINEN KLEINEN UMWEG UND FAHREN DIE KLEENE NACH HAUSE BIS VOR DIE TÜR. NUR EINMAL UMS ECK, DANN SIND WIR WIEDER AUF DER PLANMÄSSIGEN STRECKE.«

Wie wird man eigentlich Busfahrer? Die Preisfrage des Jahres 2019. Agentur für Arbeit, Internetrecherchen. Einen Ausbildungsgutschein würde ich nicht bekommen – dafür, so teilte man mir mit, müsste ich arbeitslos gemeldet sein. Was ich nicht war und auch nicht vorhatte. Damit blieb nur der direkte Weg. Danke liebe Arbeitsagentur. Der direkte Weg ist immer besser.

Tausche Alltag gegen Alpaka

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