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MÖHREN.

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Ja, richtig gelesen! Möhren. Schöne, kleine Möhren. Habe ich etwas vergessen? Wozu die Möhren? Geduld.

Ich will mich überraschen lassen. Noch einmal ausspannen, wandern und mich frei bewegen, bevor ich wieder die Schulbank drücke. Der Kopf rattert die letzten Wochen durch. Noch bin ich nicht da, und erst mal fahre ich einer neuen Zukunft entgegen. Hin und her schweifen die Gedanken zwischen der alten Arbeit, die ich nach langem Zögern aufgegeben habe, und dem, was jetzt kommt.

Ohne Aussicht auf etwas Neues hatte ich im Frühsommer nach reiflicher Überlegung gekündigt. Es folgten himmlische Wochen der Ruhe und Entspannung im heimischen Berlin – Joggen, Saxofon spielen und lange Strecken auf dem Stand-up-Paddelboard –, und schon bald war ich bereit für neue Ideen. Für eine Aufgabe, die ich vielleicht für den Rest meines Berufslebens ausüben könnte.

In wenigen Tagen beginnt eine neue Ausbildung, kommt eine Herausforderung auf mich zu, von der ich nur eine vage Vorstellung habe. Alles wird neu und ganz bestimmt gut. Das halbvolle Glas vieler Gedanken ist mit Optimismus bis an den Rand gefüllt. Ich mache Tabula rasa in meiner Biografie. Auf der Suche nach mehr individueller Freiheit und räumlicher Unabhängigkeit werde ich wieder die Schulbank drücken. Lernen war schon immer mein Schlüssel für Veränderung.

Wie viele Ausbildungen hab ich absolviert, wie viele Jobs schon gehabt? Nach der Schule wurde ich Tischler, dann arbeitete ich als Archäologischer Ausgrabungstechniker für das Zentralinstitut für Alte Geschichte und Archäologie, absolvierte eine zweite Ausbildung zum Kameraassistenten beim Fernsehen der DDR, fotografierte für verschiedene Tageszeitungen – hauptsächlich die Berliner Zeitung –, studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin Kulturwissenschaft/Ästhetik und Gender Studies, jobbte nebenbei in Pflegheimen, bekam eine Stelle als studentische Hilfskraft am Seminar von Christina von Braun, arbeitete nach dem Studium als Coach in der Jugendförderung, war viele Jahre lang selbstständig und machte mir als Hobbyparfumeur einen Namen. Mich immer wieder ausprobieren zu können war dabei so wichtig wie der Wunsch nach Abwechslung und Kreativität. Biografische Sprünge, die im Gespräch oft bewundert, in der Wirklichkeit der Wirtschaft aber nicht gern gesehen werden.

DAS HALBVOLLE GLAS VIELER GEDANKEN IST MIT OPTIMISMUS BIS AN DEN RAND GEFÜLLT. ICH MACHE TABULA RASA IN MEINER BIOGRAFIE.

Die Entscheidung, etwas ganz Neues anzufangen, fiel dann im Sommer 2019 im Anschluss an eine Stand-up-Paddeltour. Ein aufziehendes Gewitter verhinderte die sichere Rückkehr über das weite Wasser, und weil man bei Gewitter bekanntlich nicht über Seen paddeln soll, stellte ich mein Paddelboard in der Surfstation unter, wo ich es tags darauf wieder abholen wollte.


Das Paddel in der einen, den Proviantbeutel in der anderen Hand, ging ich zum Bus und erlebte nur Minuten später, zusammen mit einigen anderen Fahrgästen, einen Weltuntergang, wie er im Buche steht: Blitze, Donner, heftigen Regen, peitschenden Wind. In Strömen flossen Wassermassen über die Windschutzscheibe, und ich fragte mich, wie der Busfahrer überhaupt etwas erkennen konnte. Hoffnungslos waren die Scheibenwischer überfordert. In jeder Kurve, bei jeder Bremsung ergossen sich ganze Sturzbäche vom Dach des Busses. Die Landschaft vor den Fenstern ein einziges, unscharfes Aquarell, und drinnen eine Notgemeinschaft, die niemand an der nächsten Haltestelle verlassen wollte.

Tausche Alltag gegen Alpaka

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