Читать книгу Es darf auch mal Champagner sein - Erma Bombeck - Страница 18

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Wie erziehe ich meine Eltern?

Das Schlimme an meinen Kindern ist, dass sie zu viele kluge Bücher über Elternpsychologie lesen. Sie haben immer geglaubt, alles Nötige zu wissen, und kannten dabei nicht einmal mich. Sie verbesserten meine Ausdrucksweise in Gegenwart meiner Freundinnen, sie fanden meine Kleider zu jugendlich, sie zogen mich wegen meiner kurzen Haare auf und gaben sich nie Mühe, meine Probleme auch nur zur Kenntnis zu nehmen.

Und davon hatte ich weiß Gott genug. Ich war nicht beliebt, ich gehörte nicht zu der Gruppe, die »in« ist. Die In-Gruppe meiner Nachbarschaft bestand aus Frauen in meinem Alter, die wieder ins Berufsleben zurückgekehrt waren. Jeden Morgen blickte ich ihnen durchs Fenster nach, wenn sie zu ihren Wagen stöckelten, nach der neuesten Mode gekleidet, auf hohen Absätzen, einen Tag auf Teppichböden vor sich.

In meiner Fantasie sah ich sie, wie sie Telefonhörer abhoben, die nicht klebten, in einem schicken Lokal mit grünenden Zimmerpflanzen zu Mittag aßen und sich mit Wesen unterhielten, die andere Antworten gaben als immer das gleiche »Mensch, klasse«.

Der Höhepunkt meiner Woche war die Einladung zu einer Modevorführung, bei der ich fünf bis sechs Mini-Fläschchen Parfum klaute, die aber nur fünf bis sechs Minuten wirkten. Dann war der Alkohol verdunstet.

Die Freundinnen, die ich gern mochte, fanden nicht den Beifall meiner Kinder. Ivonne gefiel ihnen nicht, weil sie geschieden war und mit dem Zahnarzt ausging, der ihnen früher die Zähne reguliert hatte. Sie fanden, Ivonne habe einen schlechten Einfluss auf mich.

Gloria mochten sie nicht, weil sie kein eigenes Zuhause zu haben schien: Sie kam immer zur Essenszeit und hing bei uns herum, während wir bei Tisch saßen. Judy mochten sie nicht, weil sie nie bei sich aufräumte und mit schmuddeligen Kleidern und fettigen Haaren herumlief. (Sie behaupteten, sie noch nie sauber und ordentlich erlebt zu haben, und das sei ein schlechtes Beispiel für mich.)

Manchmal wusste ich wahrhaftig nicht, was die Gören von mir erwarteten. Brauchte ich sie, waren sie nicht zu Hause. Waren sie zu Hause, brachten sie mich mit ihrer neuesten Methode der Elternpsychologie auf die Palme. Ich merkte immer gleich, wenn sie eine neue Methode an mir ausprobierten. Dann nämlich genoss ich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Und sie probierten jeden methodischen Ansatz aus, der ihnen vor die Augen und in den Sinn kam: aktives Zuhören, Effizienz-Training und Transaktionsanalyse.

Es überraschte mich daher nicht, dass ich das von Mrs. Lutz erwähnte Handbuch »Wie erziehe ich meine Eltern?« unter einem Stoß Zeitschriften im Badezimmer entdeckte.

Auf dem Titelblatt sah man einen Teenager verlogen lächeln. Er ließ soeben die Zeitung sinken und betrachtete aufmerksam, was seine Mutter ihm zeigte.

Rasch blätterte ich das Kapitel »Wie sage ich Nein zu meinen Eltern?« durch. Das Wie wusste ich ja. Nur leider nicht das Warum! Da fiel mein Blick auf eine Überschrift: »Das Mittel-Syndrom bei Eltern. Welche Stellung innerhalb der Familie nehmen Sie ein?«

Das war es, genau! Ein Mittel-Kind war ich nicht gewesen, aber ein Mittel-Elternteil war ich und damit weder das älteste noch das jüngste Familienmitglied. Ich befand mich in einem Zwielichtbereich, in dem einer nie etwas zum ersten Mal tut, nie etwas wirklich Originelles sagt, nie etwas Neues zum Anziehen bekommt, nie reizende, allgemein belachte Aussprüche tut.

Schon mein Platz im Familienwagen bestätigte es. Als Jungverheiratete schmiegte ich mich so eng an meinen Mann, dass es aussah, als säße er allein am Steuer. Als das erste Baby kam, zog ich ganz hinüber an die Tür, damit das Baby zwischen uns Platz hatte. Als wir dann zwei Kinder hatten, hing ich unaufhörlich über der Rücklehne, um ganz sicherzugehen, dass keines auf den Boden gerutscht war, und traf überall mit dem Po voraus ein. Vom dritten Kind an gab ich den Beifahrersitz vollkommen auf und wurde zum festen Bestandteil der Rücksitze, damit jedes Kind sein eigenes Fenster zum Hinausschauen hatte.

Als die Car-Pools zu einem Teil meines Lebens wurden, kehrte ich zwar nach vorne zurück, aber als Dauerchauffeur. Nie mehr sprach jemand mit mir oder nahm sonst irgendwie von mir Notiz.

Als die Kinder dann selber anfingen zu fahren, wanderte ich zurück auf den Beifahrersitz. Und in letzter Zeit wurde ich wieder in den Fond abgeschoben – sofern für mich überhaupt ein Sitzplatz vorgesehen war.

Ich verfolgte jetzt eine heiße Spur, das wusste ich; fieberhaft blätterte ich weiter bis zu dem Kapitel »Selbstständigwerden«. Dort hieß es: Erst wenn wir imstande seien, allein zu stehen, ohne uns auf die Kinder zu stützen, hätten wir das Alter des Erwachsenseins erreicht.

Verwirrend blieb die Geschichte trotzdem. Ich wusste nämlich nicht, was ich wollte. Manchmal wollte ich nur eines: allein sein. Zum Beispiel, wenn Freundinnen zu Besuch kamen. Damals, als Ivonne vorbeikam, um mir über Elaines Totaloperation zu berichten. Ehe sie ins Detail gehen konnte, pflanzte sich mein Jüngster zwischen unsere Kaffeetassen und schlaumerierte: »Hündinnen werden nach so einer Operation immer fett. Hoffentlich kommt die arme Elaine drum herum.«

Bei anderen Gelegenheiten wiederum wünschte ich, gebraucht zu werden, anderen eine Stütze zu sein.

Ich schlug das Buch zu. Dieser Tag war für all so etwas ungeeignet. Draußen in der Küche standen 35 benutzte Gläser auf der Spüle. Und ich besaß gar keine 35 Gläser.

Seit zwei Jahren ging die Haustür nicht mehr zu. In der Einfahrt standen sechs Wagen. Nur einer davon war fahrbereit.

Das Backpulver, das ich in den Kühlschrank gestellt hatte, damit er weniger roch, war zur Hälfte aufgegessen. An der Backofentür sah man schwarze Fußabdrücke.

Der Hund sah zu fett aus.

Außerdem hieß es Abschied nehmen von dem reinen, natürlichen Kräutershampoo, das ohne Verschluss im Waschtisch lag und in den Abfluss sickerte. Abschied nehmen auch von der Verandaleuchte, deren Birnen alle sechs Wochen erneuert werden mussten. Und von den verschimmelten Handtüchern, leeren Eiswürfeltabletts und allen Etiketten, auf denen stand: für lauwarme Handwäsche, und dem Frühstücksspeck, der sich zu trockenen Locken ringelte, weil keiner ihn nach dem Frühstück wieder einpackte.

Meine sämtlichen Freundinnen hatten die Abhängigkeit von ihren Kindern hinter sich, sie waren auf Kreuzfahrt um die Welt. Ich wusste es genau, weil kein Tag verging, an dem mir nicht eine von ihnen schrieb.

Und ich? Ich sortierte immer noch Socken, fischte Krümel aus dem Trinkwasserkrug im Kühlschrank und spielte am Muttertag die Hocherfreute über einen Käsehobel. Als nun eines Tages mein älterer Sohn seine Brille suchte, damit er mein Portemonnaie besser finden konnte, und der jüngere mein Autoradio auf einen Rock-Sender einstellte, wusste ich mit einem Schlag, was ich zu tun hatte.

Ich nahm ihn beiseite und sagte: »Hör mal, für ein Kind, das eigentlich gar keine Eltern gewollt hat, hast du doch Glück gehabt. Ich weiß, ich habe auch viel verkehrt gemacht ...«

»Wenn es wegen dem Cashmere-Pullover ist, den du bei 90 Grad gewaschen hast, vergiss es«, sagte er.

»Nein, es ist wegen des mangelnden Kontaktes zwischen uns. Wir können kaum je ein Gespräch führen, ohne uns gegenseitig anzubrüllen.«

»Nicht doch, Mom«, sagte er. »Jetzt sind doch die besten Jahre deines Lebens.«

Ich fing an zu weinen. »So was sagen Kinder immer. Aber warum kannst du mich nicht als das akzeptieren, was ich bin? Warum muss ich perfekt sein? Nie darf ich etwas, was alle anderen Mütter dürfen. Jetzt wird es Zeit, dass ich mich losreiße und mich selbst verwirkliche. Ich finde, du solltest ausziehen und dir eine eigene Wohnung nehmen.«

Als ich ihn stehen ließ, murmelte er: »Was habe ich nur falsch gemacht?«

Als am nächsten Abend Gloria zum Abendessen angelatscht kam und sich auf den nächsten Stuhl fallen ließ, erzählte ich ihr von meinem Ultimatum.

»Du bist eine vorbildliche Mutter«, sagte sie. »Hoffentlich bist du bei ›Teenager-Apartment‹ versichert.«

»Was ist denn das?«

»Das ist eine neuartige Police für die Eltern junger Leute, die ausziehen und sich eine eigene Wohnung nehmen. Die Prämien sind extrem hoch, aber sie decken den Verlust an Möbeln bis zu 5000 Dollar, Kraftfahrzeugschäden beim Wegtransport von Hauseigentum und das Auffüllen des Kühlschranks. «

»Ist das dein Ernst?«

»Mein voller Ernst. Du hast ein schlechtes Gedächtnis«, sagte sie. »Hast du vergessen, wie es war, als deine Tochter abreiste, um aufs College zu gehen? Das Einzige, was sie zurückließ, war ein Echo.«

Mein Sohn muss meine Befürchtungen gekannt haben, denn als er ein paar Wochen später sagte: »Ich habe eine Wohnung«, fügte er unaufgefordert hinzu: »Mach dir keine Sorgen, sie ist möbliert.«

Meine Erleichterung dauerte nur so lange, bis wir sie besichtigt hatten. Ich habe schon Aufwachräume in Kliniken gesehen, die üppiger möbliert waren.

»Brauchst du eine Bratpfanne?«

»Wozu?«, zwitscherte er. »Ich ess ja nur einmal am Tag zu Hause.«

Ein Instinkt sagte ihm stets rechtzeitig, wann es bei uns Braten gab. Er landete wie nach Radar. Gelegentlich rief er an solchen Abenden aus dem Nebenzimmer: »Brauchst du das hier?«

»Was ist es denn?«

»Der Fernseher.«

»Selbstverständlich brauchen wir den.«

»Du kriegst dafür auch die grüne Lampe wieder.«

»Hör mal, hier ist kein Tauschmarkt.«

Zum Schluss hatte er alles – die Knüpfteppiche, die Mutter gemacht hatte, die Teller, die er für eine Party geborgt und nie zurückgebracht hatte, die Schreibmaschine, den Ventilator fürs Fenster, den großen Kochtopf für Spaghetti, die Badetücher, den Vierradantrieb, das Fahrrad, »das nur herumsteht und eines Tages gestohlen wird, dann siehst du es nie wieder«.

Es tat weh, dass wir keine Teenager-Apartment-Versicherung hatten, um zumindest unseren finanziellen Verlust zu lindern.

Als er weggezogen war, wurde dann alles etwas leichter. Wir hatten nur noch ein Kind in der Highschool, aber wie in einer eigenen Wohnung war es trotzdem nicht.

Gloria war zufällig an dem Nachmittag bei mir, als er böse auf mich wurde, weil kein Benzin in meinem Wagen war.

»Warum lässt du dir das alles gefallen?«, fragte Gloria.

»Weil es leichter ist, als zu streiten. Außerdem würde er mich nicht anbrüllen, wenn er mich nicht lieb hätte.«

»Selbstachtung ist bei dir ein Fremdwort, was?«

»Ich habe natürlich davon gehört. Du willst mir doch nicht einreden, ich hätte keine?«

»Wenn du welche hättest, solltest du sie, vorsichtig ausgedrückt, mehr anwenden! Du hast eben den Sprachfehler, nicht Nein sagen zu können. Und weißt du, warum?«

Ich schüttelte den Kopf, aber mit schlechtem Gewissen. »Weil du total unsicher bist. Du willst geliebt werden und riskierst nicht, dir einen Menschen zu entfremden.«

»Da irrst du dich«, lachte ich.

»Schön. Dann tu mir den Gefallen, geh ins Wohnzimmer und sage laut: Dies ist mein Haus. Schließlich und endlich bin ich auch wer. Ich werde jetzt ab sofort selbstbewusster.«

Eine Sekunde lang überlegte ich. Dann fand ich, ich müsste Gloria zeigen, was eine Harke ist. Ich ging ins Wohnzimmer, in dem mein Mann und mein Sohn vor dem Fernseher saßen.

»Dies ist mein Haus. Schließlich und endlich bin ich auch wer. Ab sofort werde ich selbstbewusster. «

Mein Mann sah auf. »Lippenlesen kann ich nicht. Was murmelst du da? Sprich doch mal lauter!«

Ich räusperte mich und fing noch mal an: »Dies ist mein Haus. Schließlich bin ich auch wer. Ich werde ab sofort selbstbewusster werden.«

»Junge«, sagte mein Mann ungeduldig, »dreh mal den Ton leiser. Deine Mutter versucht etwas zu sagen. Aber beeil dich. Die schießen jeden Moment ein Tor.«

»Dies ist mein Haus. Ich bin auch wer. Ab jetzt werde ich selbstbewusster, wenn es euch recht ...«

Es darf auch mal Champagner sein

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