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3. Lucius Cornelius Sulla (138 – 78)

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Lucius Cornelius Sulla wurde wohl im Jahre 138 geboren und entstammte den Cornelii, einem alten patrizischen Geschlecht. Seine Familie war jedoch verarmt und seit langem politisch bedeutungslos (Sallust, de bello Iugurthino 95). Unsere Quellen zeichnen kein positives Bild von ihm. Er war alles zugleich: Ehrgeizig und müßiger Lebemann, innovativ und am Alten hängend, grausam, aber auch nachgiebig verkörperte er offenbar die Widersprüche seiner Zeit in seiner Person. Sein politischer Aufstieg wurde am Anfang von Marius, seinem späteren Widersacher, gefördert. Sulla hatte in seiner Amtszeit als Quaestor und dem damaligen Konsul Marius zugeordnet, Jugurtha, den afrikanischen Aufrührer, im Jahre 105 gefangen nehmen können und damit erheblich an Ruhm und Selbstwertgefühl seines ambitionierten „Chefs“ gekratzt. Seine in der Folgezeit absolvierte und nicht immer geradlinig vorangehende politische Laufbahn sowie seine Erfolge als Feldherr im Bundesgenossenkrieg führten den fast Fünfzigjährigen 88 in das Konsulat, Gipfel- und Zielpunkt jeder aristokratischen Karriere. Doch erst jetzt beginnt Sullas eigentliche Geschichte und verbunden damit auch ein neues Stadium in der Krise der Römischen Republik.

Krieg gegen Mithridates

Das Jahr 88 war von zwei Themen in der römischen Öffentlichkeit beherrscht: Sollte den italienischen Neubürgern ein gleichberechtigtes Stimmrecht gewährt werden? Und: Wer sollte mit der Kriegführung gegen Mithridates VI. betraut werden? Dieser Krieg stand unmittelbar bevor, denn Mithridates, ein König aus dem Pontosgebiet mit Expansionsgelüsten auf Kosten Roms, hatte im so genannten „Blutbefehl von Ephesos“ an die 80 000 in der Provinz Asia lebende Römer und Italiker an einem einzigen Tag töten lassen. Wie schon vorher bei den Kimbern und Teutonen war einmal mehr die Außenpolitik der Hebel für innenpolitische Machtspiele. Der Volkstribun Publius Sulpicius Rufus, ein Popular und Marius-Anhänger, hatte eine Reihe von Gesetzesanträgen in der Volksversammlung eingebracht, mit denen die Neubürger auf alle Bezirke (tribus) gleichmäßig verteilt und dadurch politisch gleichberechtigt in den römischen Staat integriert werden sollten. Als der Konsul Sulla Widerstand leistete und schließlich nach bürgerkriegsähnlichen Zuständen auf dem Forum fliehen musste, schob Sulpicius gleich einen weiteren Antrag hinterher: Nicht der Konsul Sulla sollte wie vorgesehen den Krieg gegen Mithridates führen, sondern Sullas persönlicher Feind und politischer Gegner, der Popular par excellence Marius, der zu dieser Zeit bereits ein Greis war. Was für uns eher periphere Bedeutung zu haben scheint, war für die Betroffenen – Feldherr und Soldaten – eine existentielle Angelegenheit. Jetzt zeigte sich zum ersten Mal die zerstörerische Wirkung der marianischen Heeresreform. Für Sulla nämlich standen durch diesen Beschluss der Volksversammlung die Früchte seiner politischen Karriere auf dem Spiel, die materiellen wie die immateriellen; er hätte sagen können, was Caesar vierzig Jahre später gesagt hat: Der Volkstribun Sulpicius und seine Clique beraubten ihn seiner dignitas (Würde). Der Krieg gegen Mithridates war für den römischen Politiker nämlich wie ein Lotteriegewinn. Er war keineswegs existentiell bedrohlich, stellte Beute und finanziellen Gewinn in Aussicht und bot die für jeden römischen Aristokraten verlockende Perspektive, sich unsterblich zu machen und seine auctoritas zu steigern. Sullas Soldaten – darunter viele besitzlose proletarii – hofften auf materiellen Gewinn und eine abgesicherte Zukunft. Der Wechsel im Oberbefehl musste sie umso härter treffen, als Marius eine andere Heeresklientel hatte und aller Voraussicht nach eher auf diese zurückgreifen würde. Sie wären also womöglich ausgesondert, jedenfalls ins zweite Glied geschoben worden. So musste Sulla, der sich sofort zu seinen in Kampanien abmarschbereiten Truppen begeben hatte, dort nicht viel Überzeugungsarbeit leisten, um sich sein vermeintliches Recht mit Gewalt zu erzwingen und auf Rom in kriegerischer Absicht – zum ersten Mal und auch noch als ein römischer Konsul! – zu marschieren. Kaschiert wurde die Empörung mit der Verteidigung des Rechtsstaates, mit der Bestrafung der Rechtsbrecher um den zum Tyrannen gestempelten Sulpicius.

Erster „Marsch auf Rom“

Die Dinge erhielten nun eine von niemandem mehr zu kontrollierende Eigendynamik. Sulla besiegte im Straßenkampf in der Stadt die Marianer und hätte daraufhin die inneren Verhältnisse bereits jetzt regeln müssen, doch daran waren seine Soldaten nicht interessiert. Diese drängten auf den Feldzug gen Osten. Ein paar Hinrichtungen und Ächtungen hartnäckiger Widersacher, besonders natürlich des Volkstribunen Sulpicius und des flüchtigen Konkurrenten Marius, Aufhebung der sulpicischen Gesetze, einige Notverordnungen – dann machte sich Sulla auf, um mit seinem Heer nach Griechenland zum Krieg gegen Mithridates aufzubrechen. Das alles musste sehr schnell gehen, nicht einmal die Wahl seines Gegners L. Cornelius Cinna zum Konsul für das nächste Jahr 87 konnte er verhindern. Sulla verschob einfach die Entscheidung auf die Zeit nach seiner Rückkehr aus dem Osten. Inzwischen jedoch – es handelt sich um die Jahre 87 – 83 – errichteten die Marianer unter Cinna – Marius selbst war gleich zu Beginn seines 7. Konsulates Anfang 86 gestorben – ein populares Gegenregiment. Schuldenerlass und gleiches Recht für die Neubürger standen auf ihrem Programm, Sulla war zum Staatsfeind (hostis) erklärt worden. Die innere Spaltung der Senatorenschaft war nun auf das gesamte Reich übergesprungen, das in zwei feindliche Lager geteilt war: Im Osten kämpfte Sulla, ohne staatliche Legitimation und Unterstützung von zu Hause, nur sich selbst verantwortlich; in Rom ließ sich Cinna viermal hintereinander ohne ordnungsgemäße Wahl zum Konsul küren und herrschte genauso selbstherrlich. Der Bürgerkrieg war nun nur noch eine Frage der Zeit und des Ortes: Entweder er wurde nach Osten verlagert oder aber er war in Italien selbst zu führen.

In den achtziger Jahren wurde die republikanische Verfassung aus den Angeln gehoben. Beteiligt an diesem destruktiven Prozess waren Optimaten und Popularen zu gleichen Anteilen. Die Sprengkraft der Heeresklientel sowie die Vermassung des Bürgerrechts überstiegen die Steuerungskapazitäten der vorhandenen Institutionen. Die Zeit war reif für grundlegende Reformen, vielleicht schien sie sogar reif für die Monarchie zu sein, aber die Menschen konnten sich diese jetzt noch nicht vorstellen. „Tyrann“ nannte Sulla den Sulpicius, und der schlimmste Vorwurf an den Gegner hieß: Streben nach der Königsherrschaft. Auch Caesar sollte später die Erfahrung machen, dass Alleinherrschaft für die Römer nur über eine starke Verankerung in der Tradition möglich war. Die Spaltung: hier Cinna in Rom, dort Sulla im östlichen Reichsteil, symbolisiert gleichzeitig die der ganzen Krise zugrunde liegende Aporie: Der Stadtstaat Rom hatte seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. ein Reich erobert und war damit überfordert. Eine Monarchie war für den Stadtstaat undenkbar und eine Republik aristokratischer Prägung für das Reich nicht geeignet. Unter dieser Antinomie zwischen Republik und Monarchie lassen sich, wie noch zu zeigen ist, die sozialen und politischen Widersprüche der Folgezeit subsumieren; von Sulla an suchte Rom nach einem Weg, sie aufzuheben. Erst Augustus fand diesen Weg – so stellt sich zumindest dem rückschauenden Betrachter die Entwicklung dar.

Frieden von Dardanos

Der Krieg im Osten gegen den pontischen König dauerte von 87 bis 85. Sulla eroberte Griechenland zurück und zwang Mithridates im Frieden von Dardanos im Jahre 85, sich aus Kleinasien in Zukunft herauszuhalten und 2000 Talente (vergleichbar einem mehrstelligen Millionenbetrag heute) Kriegsentschädigung zu zahlen. Damit gaben sich die Römer zufrieden; Mithridates durfte sein pontisches Reich und seine Schätze behalten. Zeitgenossen wie Cicero und Sallust machten diesen Krieg für eine unvorstellbare Sittenverrohung im Reich verantwortlich, weil die Soldaten Sullas ohne Hemmung plünderten und mordeten, die Provinzen ausgepresst wurden und ihre Verwaltung zu einem Synonym für Bereicherung wurde (s. Quelle).

Q

Die Folgen der sullanischen Politik

(Sallust, de coniuratione Catilinae 11)

Nachdem aber Lucius Sulla mit Waffengewalt den Staat an sich gerissen hatte und nach guten Anfängen ein schlimmes Ende gezeitigt hatte, da rafften alle, schleppten beiseite, der eine wünschte ein Haus, Ackerland der andere, die Sieger kannten weder Maß noch Beherrschung, begingen scheußliche und grausame Taten gegen die Mitbürger. Hierzu kam noch, dass Lucius Sulla das Heer, das er in Asien geführt hatte, um es sich dadurch treu zu machen, wider die Art der Vorfahren üppig und allzu großzügig gehalten hatte. Liebliche und genussreiche Gegenden hatten während der Ruhezeit leicht den trotzigen Sinn der Soldaten verweichlicht. Dort gewöhnte sich zum ersten Male das Heer des römischen Volkes an, zu lieben, zu trinken, Statuen, Gemälde, ziselierte Gefäße zu bewundern, sie auf eigene Faust oder offiziell zu rauben, die Heiligtümer zu plündern, Heiliges und Nichtheiliges, alles zu besudeln. Nun, diese Soldaten ließen, als sie den Sieg errungen hatten, den Besiegten nichts übrig. Zumal Glück sogar die Herzen von Weisen schwach macht, geschweige denn, dass diese bei ihrer verdorbenen Art ihren Sieg maßvoll ausgenutzt hätten.

Die Zeitgenossen wussten, dass es Sulla nicht um eine dauerhafte und für die Provinzen verträgliche Friedensregelung gehen konnte. Wichtiger für Sulla war der Bürgerkrieg gegen Cinna und seine Anhänger. Dazu brauchte er materielle Ressourcen und getreue Soldaten, deren Folgsamkeit nicht der Verweis auf den mos maiorum (s. S. 6), sondern die Verbindung zu einem sich für sie einsetzenden Feldherrn gewährleistete. Auch diese Konstellation – innenpolitisch instrumentalisierte Kriegspolitik, symbolträchtige Einheit, ja fast verschworene Gemeinschaft zwischen Feldherr und Soldaten – wird für die spätere Republik konstitutiv. Mithridates jedenfalls konnte zufrieden sein mit dem Ergebnis des Krieges. Geschwächt zwar, war ihm doch die Möglichkeit verblieben, sich in den nächsten Jahren zu erholen und seit 74 die Römer erneut in einen großen Krieg zu verwickeln.

Bürgerkrieg

Sulla kam 83 als Staatsfeind mit 40 000 ihm treu ergebenen Soldaten nach Italien zurück. Sein Widersacher Cinna war zwar 84 bei einer Meuterei ums Leben gekommen, aber seine Anhänger richteten sich auf die Abwehr des Feindes ein. Der Bürgerkrieg dauerte über ein Jahr, war blutig und alles andere als ein leichtes Spiel für den überlegenen Feldherrn Sulla. Er endete am 1. November 82 an der nördlichen Porta Collina in Rom. Dabei an Sullas Seite war auch Gnaeus Pompeius, damals kaum 24 Jahre alt. Sein Kriegsbeitrag war erheblich. Er bestand in drei Legionen, die er in seiner Heimat Picenum an der Ostküste Italiens ohne staatlichen Auftrag und, ohne je ein Amt bekleidet zu haben, ausgehoben hatte. Auch daraus erhellt der ordnungslose Zustand des römischen Staates.

Maßnahmen Sullas

Nach dem Sieg über den innenpolitischen Gegner ergriff Sulla deshalb Maßnahmen, die mit den Begriffen „persönliche Legitimierung“ und „Restauration der Republik“ umschrieben werden können. Zuallererst musste Sulla seine Stellung im Staat absichern. Er tat das auf zwei Ebenen, einer sakralen und einer staatsrechtlichen. Staatsrechtlich forderte er die rückwirkende Anerkennung seines Prokonsulates und die Ernennung zum dictator legibus scribundis et rei publicae constituendae, also zum Diktator mit Gesetzgebungskompetenz zur Einrichtung des Staates auf unbestimmte Zeit. Er griff damit auf ein altes römisches Amt zurück, das aber seit dem Ende des 3. Jahrhunderts nicht mehr bekleidet worden war, die Diktatur.

E

Diktatur

Der Diktator war der Notstandsbeamte mit umfassenden Vollmachten. Er wurde nicht gewählt, sondern vom Konsul auf Rat des Senates hin ernannt. Er blieb sechs Monate im Amt, hatte keinen Kollegen und stützte sich auf einen ihm untergeordneten Helfer, den magister equitum („Befehlshaber der Reiterei“). Seine Aufgabe war in früher Zeit militärisch definiert: dictator rei gerundae causa, zuletzt im 2. Punischen Krieg gegen Hannibal. Sulla (und an ihn anschließend auch Caesar) deutete die Diktatur um: Die Notlage, die es zu heilen galt, war jetzt innenpolitischer Natur, und so wurde das Amt auch offiziell definiert: dictator rei publicae constituendae causa (zur Ordnung des Staates). Der Missbrauch dieses Amtes durch Caesar, der damit über Sulla hinausgehend seine Alleinherrschaft auf Lebenszeit sicherte, führte nach dessen Ermordung 44 zur dauerhaften Abschaffung der Diktatur. Seitdem hat der Begriff eine negative Prägung.

Die Ernennung Sullas zum Diktator, vorgenommen durch einen vom Senat installierten Interrex (wörtlich „Zwischenkönig“, ein noch aus der Königszeit stammendes Aushilfsamt in Zeiten ohne reguläre Oberbeamte) war wohl überlegt. Sie stellte Sulla in die republikanische Tradition und verglich den aktuellen Zustand des Staates mit einem wie durch Krieg entstandenen Notstand. Zugleich war diese Ernennung ein Ermächtigungsgesetz. Damit verbunden war die sakrale Überhöhung seiner Person. Am 29. und 30. Januar 81 feierte Sulla einen Triumph über Mithridates, ließ ein Ehrenstandbild auf dem Forum aufstellen, richtete zur Erinnerung an seinen Sieg regelmäßige Spiele für den 27. Oktober bis zum 1. November ein (ludi Victoriae) und legte sich die Beinamen Felix („der Glückliche“) und Epaphroditos („der von der Aphrodite Begünstigte“, wobei Aphrodite das griechische Pendant zu Venus ist) zu. Diese stellten den Bezug zu den Göttern her, die Sulla als seine Hauptgottheiten verehrte: Apollo als der Gott des Orakels von Delphi und Venus als Stammmutter Roms. Die Botschaft der Beinamen signalisierte die Unterstützung der Götter für seine Sache.

Proscriptionen

Unter „Einrichtung des Staates“ verstand Sulla die Festigung der Senatsherrschaft. Karl Christ hat jüngst in seinem Buch über Sulla zu Recht betont, dass hier der für die römische Verfassungsgeschichte ungewöhnliche Vorgang einer stringenten und geschlossenen Neustrukturierung anzutreffen ist. Die sullanische Reformpolitik basierte auf einer sachlichen und scharfsinnigen Analyse der Krise seit Tiberius Gracchus und hatte drei Komponenten: 1. die physische Vernichtung der Gegner, 2. die aktive Sozialpolitik zugunsten der eigenen Anhänger und 3. die Jurifizierung der römischen Verfassung. Was bedeutete das konkret? Sulla ließ nicht einfach, wie zuvor die Popularen unter Cinna, der Vergeltung freien Lauf. Vielmehr wollte er „seiner“ Republik die denkbar besten Startbedingungen verschaffen – mit der systematischen Ausrottung der politischen Gegner; das war kühl kalkulierte Grausamkeit in einer bisher nicht gekannten Dimension. Das Mittel dazu waren die Proscriptionen, deren Name sich von der öffentlich bis zu einem genau festgelegten Termin ausgehängten Liste herleitet, auf der die Namen der aktiven Popularen aufgeschrieben wurden (von proscribere: aufschreiben). Die Proskribierten waren in jeder Hinsicht vogelfrei, ihre Ermordung jedem, sogar Sklaven, unter Belohnung aufgetragen, ihr Vermögen wurde eingezogen und bereicherte Sullas Anhänger. 40 Senatoren und 1600 Ritter wurden proskribiert, ganz zu schweigen von Sullas Strafaktionen gegen italische Städte. Die Erinnerung an diese Schreckenszeit bestimmte die nachfolgenden Jahrzehnte.

„Belohnung der Anhänger“

Wie in jedem diktatorischen Regime, so gab es auch im sullanischen Mitläufer und Profiteure. Marcus Licinius Crassus zum Beispiel, wenig später der reichste Mann Roms und dadurch politisch bündnisfähig für Caesar, legte den Grundstock für seinen Reichtum in der sullanischen Diktatur. Sulla förderte seine Anhänger, wo er nur konnte. Senatoren, Ritter, Soldaten und Bürger, die auf seiner Seite gestanden hatten, wurden Adressaten einer generösen Sozialpolitik, mit der er die Akzeptanz seiner politischen Regelungen absichern wollte. Mehr als 120 000 Veteranen siedelte er in Italien an – auf Land, das er denen, die nicht für ihn gewesen waren, abgenommen hatte. Viele dieser „Neubauern“ erschienen zwanzig Jahre später erneut auf der Revolutionsbühne; sie unterstützten jetzt den Aufrührer Catilina, dessen Anhängerschaft sich auch aus ehemaligen Sullanern zusammensetzte. Eine weitere Verstärkung von Sullas Klientel bildeten freigelassene Sklaven, die nun als Teil seiner „Familie“ und unter dem Namen Cornelii seine persönliche Leibwache bildeten.

Reorganisation des Staates

Die dritte Komponente in der sullanischen Herrschaftspolitik war die Reorganisation des republikanischen Staates, so wie der Diktator ihn verstand: als Senatsherrschaft. Die jüngere Vergangenheit hatte ihn als Erstes belehrt, dass es Volkstribunen waren, welche die Macht des Senates geschwächt hatten. Deshalb wurde dieses Amt als nicht verfassungskompatibel maßgeblich geschwächt und mit ihm die Volksversammlung. Der Senat hatte über jeden Gesetzesantrag vorher zu entscheiden, ob er dem Volk vorgelegt werden durfte. Zusätzlich waren Volkstribune von einer weiteren politischen Karriere ausgeschlossen. Sulla stockte den Senat um 300 besonders einflussreiche Ritter auf und übertrug im Gegenzug die Gerichte wieder den Senatoren. Das Gerichtswesen ordnete er überhaupt neu und passte es den gestiegenen Anforderungen an. Eingerichtet wurden unter dem Vorsitz von Praetoren sechs „ständige Gerichtshöfe“ (quaestiones perpetuae), die über Mord und Giftmischerei, Testamentsfälschung, Amtserschleichung, Unterschlagung, Erpressung der Untertanen und Majestätsvergehen gegen das römische Volk verhandeln sollten. Schon hier wird deutlich, dass die Zahl der Beamtenstellen erhöht werden musste. Sulla nahm insgesamt grundlegende Veränderungen an der Verfassung vor: Die Praetorenstellen wurden auf acht erhöht, die der Quaestoren auf zwanzig. Die Zensoren büßten ihre Funktion als Sittenwächter ein, weil Sulla die Sittenkontrolle gesetzlich geregelt hatte. Schließlich zog Sulla auch die Lehren aus seinem eigenen Erfolg, der ja militärisch errungen worden war. Italien wurde entmilitarisiert, die Macht der Statthalter in den zehn Provinzen, die fortan zwei Konsuln und acht Praetoren nach deren stadtrömischem Amtsjahr als Prokonsuln beziehungsweise Propraetoren verwalten sollten, wurde auf ihren jeweiligen Sprengel streng begrenzt. Die Promagistratur wurde auf diesem Wege als Provinzverwaltungsamt fest in der Verfassung verankert. Die genannten zehn Provinzen waren jetzt: Sicilia, Sardinia/Corsica, Hispania Citerior, Hispania Ulterior, Macedonia/Achaia, Africa, Asia, Gallia Narbonensis, Cilicia. Trotz seiner großen militärischen Erfolge hat Sulla dem Reich keine weiteren Provinzen hinzugefügt.

Über diese bedeutenden Maßnahmen zur Stabilisierung der Verfassung hinaus regelte Sulla noch weitere Bereiche des öffentlichen Lebens, zum Beispiel beschränkte er den Tafelluxus und kriminalisierte er den Ehebruch. Es sind fast dreißig Gesetze unter seinem Namen (als leges Corneliae) überliefert.

Baupolitik

Das war Sullas res publica constituta, die auch baupolitisch in Rom auf dem forum Romanum symbolisiert wurde. So wurde die curia, der Sitzungssaal des Senates an der Nordwestseite des Forums, der gestiegenen Senatorenzahl entsprechend vergrößert und in curia Cornelia umbenannt. Die Vergrößerung erfolgte mit deutlicher Symbolwirkung auf Kosten des Versammlungsplatzes für das Volk. Noch heute eindrucksvoll das Forum dominierend ist das Tabularium am Kapitolsabhang, welches das Archiv des Senates verwahren sollte. Es symbolisierte die von Sulla restaurierte Herrschaft des Adelsgremiums.

Bewertung Sullas

Über den Charakter des sullanischen Staates gibt es eine umfassende Forschungsliteratur; Einigkeit besteht in der restaurativen Ausrichtung des Konzeptes. Das Wesen des Staates war allerdings, obwohl es an der „Sitte der Vorfahren“, am mos maiorum, ausgerichtet war, ein gänzlich anderes geworden. Dahinter stand die Idee, dass die Krise des Staates mit leges, mit Gesetzen, zu beheben sei. Sullas Denkfehler war indes, dass er die Krise auf die Ordnung in Rom beschränkte. Danach hat Sulla das Kernproblem der römisch-republikanischen Herrschaft nicht als solches erkannt oder zumindest verdrängt. Seine Reformen waren Krisenmanagement, gespeist aus seinen eigenen Erfahrungen: Außerordentliche Kommanden sollten verhindert, die Amtsübertragung genormt, die Amtsvollmachten beschränkt und die Aktionsradien der Amtsinhaber verkleinert werden. Die Herrschaft über das Reich wurde nun in einer Weise neu geordnet, dass von dort keine senatsfeindliche Bedrohung mehr ausgehen konnte. Mit dieser Regelung wurde überhaupt nicht auf die globalen Reichsaufgaben Rücksicht genommen – das Reich spielte keine eigenständige Rolle in Sullas Überlegungen. Statt die Distanz zwischen Peripherie und Zentrum zu verringern, das Reich mit Rom zu verbinden, bewirkte Sulla also das Gegenteil. Die republikanische Unfähigkeit, ein Reich zu verwalten, wurde mit einer Flut von Gesetzen auch noch festgeschrieben und somit zum unwandelbaren Grundgesetz der Republik erhoben. Mit Sulla geriet die Republik in ihre tiefste Krise, aus der kein Ausweg möglich schien. Es ist paradox, doch der systematische Restaurator der Republik ist historisch gesehen ihr Totengräber geworden. Ein Übriges tat die fehlende Unterstützung innerhalb der Nobilität selbst, gegen deren Standesethos die Selbstherrlichkeit des Diktators verstoßen hatte und die auch in keiner Weise an der Gesetzgebung zu ihrer eigenen Stärkung beteiligt worden war.

Die moderne Forschung ist anders als die Quellen geneigt, Sulla eine gewisse Vorreiterrolle für den Prinzipat des Augustus zuzuweisen. Man muss jedoch auf der Hut sein, sich von der Systematik und inneren Logik sullanischer Politik blenden zu lassen. Die Nachfolger jedenfalls lernten von Sulla nur, wie sie die Macht gewinnen konnten; Mittel und Perspektiven ihrer Herrschaft mussten sie freilich selbst entwickeln.

Bleibt noch der Blick auf das Ende Sullas, der überraschend für alle die Diktatur freiwillig im Jahre 79 niederlegte. Der Diktator demonstrierte dadurch seine persönliche Uneigennützigkeit. Er zog sich zurück nach Puteoli und führte fortan ein Leben als Privatmann. Als solcher wollte er offensichtlich noch miterleben, wie seine Schöpfung ohne ihn funktionierte. Allerdings überlebte er den eigenen Rücktritt nicht sehr lange. 78 starb er, und seine Veteranen und Anhänger gaben ihm in Rom ein würdiges Ehrengeleit. Die Krise der Römischen Republik aber ging weiter – ganz so, als ob es eine Restauration der Senatsherrschaft nie gegeben hätte.

Caesar und Pompeius

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