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4. Das Jahr 70: Das Konsulat von Crassus und Pompeius
Оглавление„Misstrauen und Furcht waren auch dabei, dass er nicht sein Heer entlassen, sondern dass er mit Waffengewalt in monarchischer Absicht sich Sullas Politik zum Vorbild nehmen könnte“ – mit diesen Worten beschreibt Plutarch (Pompeius 21, 5) die Stimmung in Rom, als Pompeius 71 nach seinen Siegen in Spanien und Norditalien auf Rom zu marschierte. Seit zehn Jahren war der Ruhm des Mannes ohne Amt ins Unermessliche gestiegen. Musste man nicht von einem Sullaner, der vor aller Augen den republikanischen cursus honorum missachtete und gleichsam außerhalb der Ordnung mit seinem eigenen Heer einen Erfolg nach dem anderen errang, das Schlimmste erwarten? Doch man schätzte ihn und seine Ambitionen falsch ein – hier zum ersten Mal, und das aus dieser Fehleinschätzung herrührende Misstrauen seiner Standesgenossen ihm gegenüber sollte Pompeius fortan bis zu seinem Tode begleiten. Erinnern wir uns: Pompeius kam aus einer politisch „neuen“ Familie. Sein Vater hatte sich in Krisenzeiten dem Staat nützlich gemacht und war dafür mit dem Konsulat geehrt worden. Aber weder er noch sein Sohn waren wirklich vertraut mit einer funktionierenden Verfassung und den dazugehörigen gesellschaftlichen Spielregeln. Sie konnten auch nicht auf eine Familiengeschichte oder „Leichenreden“ (laudationes funebres) über berühmte Vorfahren zurückgreifen, die in aller Munde waren und von der Stellung der Vorväter in der Klassischen Republik kündeten. Die Pompeii hatten sich ihre Position vielmehr hart erarbeitet, weil es Krisen gab und sie gebraucht wurden. Die Stadt Rom selbst konnte in einer so geprägten Vorstellung nur Quelle, nicht Adressat der Macht sein. Nicht also Monarchie und Diktatur, sondern Konsulat und Triumph weckten sein Begehren, und beides erhielt er auch; den Triumph am 29. Dezember 71 sogar schon zum zweiten Mal.
Da das Jahr 71 zwei große militärisch siegreiche Persönlichkeiten, nämlich Pompeius und Crassus, gesehen hatte, wurden beide für 70 in das Konsulat gewählt. Obwohl die beiden Konsuln zerstritten waren, brachten sie bedeutende Veränderungen auf den Weg. Über dieses Konsulat im Jahre 70 berichten die Quellen hauptsächlich vom Streit zwischen Pompeius und Crassus. Plutarch (Crassus 12) und Appian (Bella civilia 1, 121) beschränken sich gar auf dieses Thema. Die Bedeutung des Jahres für die weitere Entwicklung geht aber aus der Pompeius-Biographie Plutarchs hervor (s. Quelle).
Q
Das Konsulat im Jahre 70
(Plutarch, Pompeius 22)
Als sie aber nun zu Konsuln gemacht worden waren, zerstritten sie sich in allem und gerieten aneinander. Es hatte auch im Senat Crassus mehr Anhang, während im Volk der Einfluss des Pompeius groß war. Denn er gab ihm auch das Volkstribunat zurück und ließ es auch geschehen, dass die Gerichte wieder auf die Ritter gesetzlich übertragen wurden.
Maßnahmen
Volk und Senat verteilten demnach ihre Sympathien unterschiedlich. Den Senatoren wuchs Pompeius mit seinen Erfolgen langsam über den Kopf, daher stärkten sie eher Crassus. Das Volk erhoffte sich dagegen von Pompeius mehr, der ja noch nicht einmal Senator war und unabhängiger von den Cliquen der nobiles schien. Dahinter verbarg sich allerdings kein grundsätzlicher politischer Dissens, sondern ein persönlicher und personaler: Crassus wollte so wichtig sein wie Pompeius, und die nobiles wollten die Macht des Pompeius beschränkt wissen. Was Crassus und Pompeius dann im Konsulat wirklich umsetzten, waren gesellschaftlich weit verbreitete Forderungen: die Wiederaufrichtung des Volkstribunats (in einem von Pompeius und Crassus selbst eingebrachten Volksgesetz: lex Pompeia Licinia de tribunicia potestate) und ebenso der Zensur sowie die Neuordnung der Gerichte (ebenfalls per Volksgesetz, das von dem Praetor Aurelius Cotta wohl unter Mitwirkung des Pompeius und Ciceros eingebracht worden war: lex Aurelia iudiciaria). Letztere bestand keineswegs in einer bloßen Umkehr der sullanischen Regelung, die die Gerichte den Senatoren übertragen hatte. Vielmehr bestimmte das neue Gesetz in politischer Weitsicht, dass nicht einfach wieder die Ritter allein die Gerichte erhielten, sondern die Geschworenen jetzt zu gleichen Teilen aus Senatoren, Rittern und den Aerartribunen zu entnehmen seien. Dadurch sollte das Volk in seinen drei Unterteilungen – also nicht nur die beiden höchsten Stände – in den Gerichten vertreten sein. Typisch römisch ist dabei allerdings, dass die Aerartribunen vom Vermögen her eher den Rittern zuzuweisen waren; sie entsprachen damit der Vorgabe, dass Richter finanziell unabhängig sein sollten, um vor Bestechungen sicher sein zu können (Cicero, Philippica 1, 20). Praktisch gehörten die Aerartribunen also eher zu den Rittern, die damit wieder die Gerichte majorisierten.
E
Aerartribunen
Aerartribunen waren plebejische Beamte, die ursprünglich dem Quaestor zugeordnet und für Auszahlungen aus dem republikanischen Staatsschatz, dem aerarium, an die Soldaten zuständig waren (Gellius, Attische Nächte 7,10,2). Sie waren selbst einigermaßen vermögend und gleichzeitig plebejisch, sodass sie also in idealer Weise den „dritten Stand“, die plebs Romana, in den Gerichten repräsentieren konnten.
Mit diesen Maßnahmen – Stärkung des Volkstribunats, Wiedereinrichtung der Zensur und Neubesetzung der Gerichte – reagierten die Konsuln des Jahres 70 also auf weit verbreitete gesellschaftliche Forderungen, die sullanische Ordnung rückgängig zu machen und die „Klassische“ Republik mit einflussreichen Volkstribunen und den Senat kontrollierenden Bestandteilen wiederherzustellen. Die im Jahre 70 bestimmten Zensoren zum Beispiel wiesen auf der Grundlage ihres alten regimen morum, der Sittenaufsicht, 64 Mitglieder aus dem Senat. In demselben Jahr ging Cicero mit einer groß angelegten und Aufsehen erregenden Anklage gegen den Statthalter Siziliens von 73 bis 71, Gaius Verres, vor. Wegen der von Cicero beigebrachten erdrückenden Beweislage, die uns durch Ciceros umfangreiche Publikation (oratio in Verrem) vollständig erhalten ist, entzog sich Verres trotz massiver Unterstützung aus den höchsten Kreisen der sicheren Verurteilung durch freiwillige Verbannung.
Bewertung des Konsulates
Damit werden allgemeine politische Tendenzen jener postsullanischen Zeit deutlich. Nicht der grundlegende Umbau der Republik, sondern lediglich Korrekturen an Missständen standen auf der Tagesordnung der Politik. Schon im Jahre 71 war ein Gesetz gegen den Tafelluxus (lex sumptuaria) erlassen worden, mit welchem der Aufwand bei Gastmählern eingeschränkt werden sollte, und ein Jahr später wurde ein Gesetz gegen Amtserschleichung (ambitus) eingebracht; bereits einige Jahre früher war auch die von Sulla abgeschaffte Getreideversorgung der plebs Romana wieder ermöglicht worden (in zwei Volksgesetzen: lex Terentia Cassia frumentaria von 73, lex Aemilia frumentaria von 78). Es wurden also keine tiefgreifenden Reformen zur Bewältigung der Krise durchgeführt, sondern man ergriff sporadisch Maßnahmen zur Abwehr akuter Krisensymptome und reaktivierte nur das sattsam bekannte Instrumentarium traditioneller Politik, das sich ja schon längst als untauglich zur Krisenbewältigung erwiesen hatte. So blieben auch diese Maßnahmen ohne Wirkung: Das Luxusgesetz soll überhaupt nur der Antragsteller, Antius Restio, und sonst niemand befolgt haben. In der stadtrömischen Politik war Pompeius also nicht wirklich kreativ, er verharrte in seiner Vorstellung von traditioneller aristokratischer Politik. Weder Crassus noch er waren im Innern wirklich reformwillig. Das Jahr 70 wies zurück, nicht nach vorn.