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6. Die außerordentlichen Imperien des Pompeius und ihre historische Bedeutung
ОглавлениеGesetzliche Grundlage
Es waren zwei heftig umstrittene Volksgesetze, die Pompeius mit der Kriegführung auf beiden Schauplätzen beauftragten. Gegen die Übertragung des Oberbefehls an Pompeius richteten sich vor allem konservative Senatoren, die um den Bestand der Republik fürchteten. Ihre Angst formulierte am besten der berühmte Redner Hortensius: „Gewiss, wenn man einem alles zuteilen muss, dann ist Pompeius der würdigste; aber man darf nicht einem alles zuteilen“ (nach Cicero, De imperio Cn. Pompei 52).
Zwei Volkstribunen waren es, deren Namen die beiden Gesetze tragen: Im Jahre 67 brachte Aulus Gabinius, ein fähiger Gefolgsmann des Pompeius, die lex Gabinia de bello piratico ein, mit der Pompeius den Oberbefehl im Seeräuberkrieg erhielt, ein Jahr später beantragte der als skrupelloser Demagoge verschriene C. Manilius erfolgreich die lex Manilia de imperio Cn. Pompei und übertrug damit Pompeius die Führung des Mithridatischen Krieges (s. Quelle).
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Die außerordentlichen Imperien des Pompeius
(Plutarch, Pompeius 25,3 – 4)
Gabinius, einer von Pompeius’ Freunden, stellte einen Gesetzesantrag, der ihm nicht nur ein Flottenkommando, sondern geradewegs die Alleinherrschaft und eine rechenschaftslose Macht über alle Menschen gab. Das Gesetz gab ihm nämlich die Herrschaft über die See innerhalb der Säulen des Herakles, über das gesamte Festland im Bereich von 400 Stadien vom Meer. Wahrlich nicht viele Gebiete des Römischen Reiches gehörten nicht zu dieser Grenze, vielmehr waren eingeschlossen der größte Teil der Provinzen und die mächtigsten Königreiche. Außerdem durfte er 15 Legaten vom Senat als Regionalkommandeure auswählen, und so viel Geld aus dem Staatsschatz und von den Steuerpächtern nehmen, wie er wollte, und 200 Schiffe, wobei ihm die Vollmacht erteilt wurde, die Größe der Armee und des Flottenpersonals zu bestimmen sowie Aushebungen zu veranstalten.
Unterstützung bekam Pompeius, der sich selbst in den Debatten ganz zurückhielt, also vom Volk. Das Gewicht dieser Unterstützung wurde beträchtlich erhöht durch die Fürsprache des aufstrebenden Quaestoriers Caesar, der sich um einen Gönner seiner Karriere bemühte, und den frisch gewählten Praetor Marcus Tullius Cicero, dessen auf uns gekommene und bereits mehrfach zitierte Rede de imperio Cn. Pompei oder pro lege Manilia („für das manilische Gesetz“ beziehungsweise „Über den Oberbefehl des Cn. Pompeius“), die er vor dem Volk zur Unterstützung des Antrages im Jahre 66 gehalten hatte, uns eine Kostprobe seiner überragenden rhetorischen Fähigkeiten vor Augen führt.
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Cicero
Keine antike Quelle hat uns die beiden Protagonisten dieses Buches politisch und menschlich so nahe gebracht wie der Zeitgenosse, Politiker, Redner und Schriftsteller M. Tullius Cicero. Geboren wie Pompeius im Jahre 106 im latinischen Arpinum (südöstlich von Rom) und ritterlicher Abkunft, war sein ganzes Streben darauf gerichtet, in die römische Nobilität aufzusteigen. Als homo novus, als „neuer Mann“, war das auch in der späten Republik nicht einfach. Seine wichtigsten politischen Stationen waren: 75 Quaestor in Sizilien, 70 hielt er die berühmte Rede gegen den erpresserischen Statthalter Siziliens Verres, 69 war er dann Aedil und 66 Praetor – in diesem Amt hatte er mit den außerordentlichen Imperien des Pompeius zu tun –, und, als Höhepunkt jeder Karriere, gelangte er 63 ins Konsulat. Die in diesem Jahr vollbrachte Niederschlagung der Catilinarischen Verschwörung rechnete er sich als seine größte Lebensleistung überhaupt an. In den fünfziger und vierziger Jahren musste er freilich die Erfahrung machen, dass seine rednerische Gabe nicht mit der militärischen Fähigkeit eines Pompeius oder Caesar konkurrieren konnte, wenn es um politischen Einfluss ging. Im Bürgerkrieg unterstützte er zögernd Pompeius gegen Caesar, an dessen Ermordung im Jahre 44 er aber nur ideell beteiligt war. Im Dezember 43 wurde Cicero von den Gefolgsleuten des Triumvirn Antonius umgebracht. Politisch sah er sich als Vertreter der Republikaner gegen monarchische Bestrebungen; sein Ideal war der Zusammenhalt aller gesellschaftlichen Gruppen, die concordia ordinum.
Inhalt der Imperien
Der Inhalt der dem Pompeius übertragenen „außerordentlichen Imperien“ war, dass eine Person über einen längeren Zeitraum im Besitz einer außerordentlichen Macht eine nahezu unumschränkte Weisungsbefugnis im gesamten Reichsgebiet haben und auch den „normalen“ Imperiumsträgern, nämlich den durch die sullanische Gesetzgebung auf ihren Sprengel beschränkten Statthaltern in den Provinzen, übergeordnet sein sollte. Konkret hieß das (Plutarch, Pompeius 26): 500 Schiffe, 120 000 Schwerbewaffnete (etwa 20 Legionen), 5000 Reiter, 24 Unterfeldherren (Legaten) und zwei Quaestoren, Mittel in Höhe von 36 Millionen Denaren mit unbegrenztem Kredit; all das für einen Zeitraum von drei Jahren und mit übergeordneter Weisungsbefugnis im gesamten Reichsgebiet; inbegriffen waren alle Meere diesseits von Gibraltar mit einem Küstenstreifen von 50 Meilen (ca. 75 km).
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Das römische Heer
Die „normale“ Größe des römischen Heeres passte sich schon immer den Erfordernissen und insbesondere der Ausdehnung des Reiches an. Betrug die Zahl wehrfähiger Bürger in der Königszeit wohl nicht mehr als 3000, waren es im 5. Jahrhundert dann schon 20 000 und am Ende des 3. Jahrhunderts 250 000 Soldaten. Im 2. Punischen Krieg (218 – 201 v. Chr.) waren 20 – 25 Legionen ständig unter Waffen, zu denen dann etwa noch einmal so viele Soldaten der Verbündeten kamen – insgesamt so viel, wie Pompeius durch das gabinische Gesetz erhielt. Die militärische Einheit war die Legion in einer Größenordnung von 4000 – 6000 römischen Bürgersoldaten. Seit der Heeresreform des Marius wurde aus taktischen Gründen jede Legion in 10 Kohorten (eine Kohorte waren etwa 600 Mann) eingeteilt. Jeder Legion stand ein Legionskommandeur vor (auch Legat genannt). Allmählich wandelte sich – angestoßen durch diese Heeresreform – das römische Bürgerheer in ein Berufsheer, zunächst auf Zeit, dann in der Kaiserzeit als stehendes Heer.
Erweitert wurden die Vollmachten der lex Gabinia noch durch die lex Manilia um die Provinzen Bithynia und Cilicia und den Oberbefehl über alle Truppen in der Provinz Asia.
Konsequenzen
Der Inhalt dieser Imperien setzte so ziemlich alles außer Kraft, was unter den Begriff „republikanisch“ fällt, und erst recht zerstörten sie, was Sulla eingerichtet hatte. Es gab keine Kontrollmechanismen, keine provincia im eigentlichen Sinne, also auch geographisch keinen festgelegten Amtsbereich. Für drei Jahre sollte das Römische Reich einer quasi-monarchischen Leitung unterstehen. Die bisherigen Erfahrungen mit zeitlich befristeten Ausnahmeregelungen – man denke an die fünf aufeinander folgenden Konsulate des Marius in den Jahren 104 – 100, diejenigen Cinnas in den achtziger Jahren oder andere außerordentliche Imperien – kulminierten in einem kaum mehr zu steigernden Höhepunkt – es sei denn, man wollte dauerhaft eine Monarchie einrichten. Man versteht daher die Sorge des Hortensius, des Catulus und all der anderen Senatoren, die gegen das Gesetz votiert hatten. Doch das Schlimmste für die Republik waren nicht die Imperien selbst; sie dienten schließlich der Abwendung einer äußeren Bedrohung. Noch bedrohlicher musste erscheinen, was Pompeius aus ihnen machte. Denn mit seiner Ausgestaltung dieser Imperien bestätigte er seine Anhänger und widerlegte er seine Kritiker, vor allem aber eröffnete er eine Alternative zur Republik.