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3. Die großen Krisen der siebziger Jahre: Lepidus, Sertorius, Spartacus
ОглавлениеLepidus
Das Vermächtnis Sullas waren die Aufstände der von seiner Politik Benachteiligten und Unzufriedenen. Die Nobilität bestimmte zwar äußerlich das Geschehen – von 61 Konsuln der nächsten Jahre kamen 54 aus den alten Familien. Doch überliefern unsere Quellen ein verheerendes Bild ihres Zustandes: verweichlicht, auf der Jagd nach Geld, unfähig, Probleme zu lösen, sittenlos, gewaltbereit. Ein Beispiel gibt Marcus Aemilius Lepidus. Nach dem Rücktritt Sullas im Juli 79 gegen dessen erklärten Willen für 78 zum Konsul gewählt, griff er sogleich in demagogischer Weise die sullanischen Themen auf: die Konfiskationen, die Einstellung der Getreideverteilungen, die zahlreichen Verbannungen, das beschädigte Amt des Volkstribunen. Lepidus hatte durchaus profitiert von den Proscriptionen und hatte sich zudem als Statthalter von Sizilien im Jahre 81 bereichert, war dann aber politisch umgeschwenkt. Der Geschichtsschreiber Sallust legte ihm eine gleichsam programmatische Rede in den Mund, deren Leitmotiv die Spannung zwischen Herrschen und dienen war (s. Quelle). Darin wird die Spaltung der römischen Gesellschaft in Nutznießer und Leidtragende durch die Politik Sullas beklagt und das Volk zum bewaffneten Widerstand aufgerufen.
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Lepidus über die Spaltung der römischen Gesellschaft durch Sullas Politik
(Sallust, Historiae 1, 10 – 13)
In dieser stürmischen Zeit heißt es dienen oder herrschen, Furcht empfinden oder Furcht bereiten, Quiriten. Denn was gibt es noch darüber hinaus? Oder welche menschlichen Rechte sind noch übrig geblieben, oder gar, welche göttlichen Gesetze sind noch nicht entweiht? Das römische Volk, kurz zuvor noch Lenker der Völker, ist der Herrschaft, des Ruhmes und des Rechtes beraubt; unfähig zu handeln und verachtet, hat es nicht einmal den Sklaven zustehende Nahrung für sich übrig behalten. Eine große Menge von Bundesgenossen und von Latinern werden durch einen Mann von der Ausübung des Bürgerrechts ausgeschlossen, das ihnen von euch als Lohn für viele hervorragende Taten verliehen wurde, und die väterlichen Wohnsitze des schuldlosen Volkes haben ganz wenige seiner Spießgesellen als Lohn für ihre Verbrechen in Besitz genommen. Gesetze und Gerichte, Staatsvermögen, Provinzen und Königreiche, endlich die willkürliche Entscheidung über Tod und Leben von Bürgern sind in der Hand eines Einzigen.
Das Zentrum der Unzufriedenheit war Etrurien. Lepidus hatte mit einer ganzen Reihe antisullanischer Gesetzesanträge Hoffnungen bei den Benachteiligten erweckt, wieder in die alten Rechte eintreten zu können. Schließlich setzte er sich selbst in Etrurien an die Spitze aller Unzufriedenen. Auch mit seinem Mitkonsul, dem wenig kriegerischen Optimaten Lutatius Catulus, hatte er sich zerstritten. Die Senatoren in Rom sahen keine andere Möglichkeit als die, gegen den amtierenden Konsul militärisch vorzugehen. Für diese Aufgabe wurde der inzwischen hoch geehrte Pompeius ausersehen (Plutarch, Pompeius 16; Appian, Bella civilia 1, 107). Pikant war, dass gerade Pompeius die Wahl des Lepidus zum Konsulat unterstützt und sich deshalb mit Sulla entzweit hatte. Doch war die Sache, für die Lepidus stand, für Pompeius nicht akzeptabel. Seine Veteranen als Profiteure der sullanischen Maßnahmen wären davon massiv betroffen gewesen. Der „Aufstand“ wurde wenig später 77 mit der Ausrufung des Staatsnotstandes (s. oben S. 7) militärisch schnell niedergeworfen. Pompeius hatte die Aufgabe übernommen, die militärische Rekrutierungsbasis des Lepidus in Oberitalien auszuschalten; der Vater des Caesar-Mörders Marcus Brutus wurde dabei von Pompeius getötet, eine Tat, die ihm den Sohn für immer entfremden sollte und die Zeitgenossen noch Jahrzehnte später als Schuld anrechneten (Plutarch, Pompeius 16; Brutus 4; Appian, Bella civilia 2,111; Cicero, ad Atticum 9,14). Lepidus selbst floh nach Sardinien und starb wenig später.
Sertorius
Zeitgleich, aber schwieriger zu lösen, war der Fall Quintus Sertorius. Plutarch erachtete diese legendenumwobene Persönlichkeit für so bedeutend, dass er ihm eine ganze Biographie widmete. Sertorius hatte unter Marius das Kriegshandwerk gelernt, und wie dieser war er Popular. 83 war er Praetor im diesseitigen Spanien (Hispania citerior) gewesen. Schon früher hatte er sich dort mit den einheimischen Gebräuchen und der Sprache bestens vertraut gemacht und auch einige Sympathien erworben. Als Sulla nach seiner Rückkehr aus dem Mithridates-Krieg in Rom die Oberhand gewann, war für Sertorius eine Rückkehr unmöglich, und so installierte er mit Unterstützung der Lusitanier (einem Stamm im Westen der Halbinsel, heutiges Portugal) und von Emigranten gleichsam eine autonome Republik Spanien mit eigenem Senat, Steuersystem und einer Erziehungsanstalt für spanische Jungadlige. Sertorius lehrte die Römer, wie die Herrschaft in einer Provinz gesichert werden konnte. Sullas Disziplinierungsversuche blieben erfolglos. Im Gegenteil, Sertorius schmiedete eine internationale Koalition gegen Rom, der Mithridates, die kilikischen Seeräuber, Afrika und (das noch nicht römische) Gallien angehörten. In Rom befürchtete man schon einen Angriff auf Italien, Sertorius wurde gar mit Hannibal verglichen. 77 wurde Pompeius gerufen. Ausgestattet wiederum mit einem außerordentlichen Imperium und 30 000 Fußsoldaten sowie 1000 Reitern führte er gemeinsam mit dem Statthalter des jenseitigen Spanien (Hispania ulterior) Q. Caecilius Metellus Pius einen schwierigen und nicht immer erfolgreichen Krieg gegen Sertorius. Erst 74 und mit zwei zusätzlichen Legionen und erheblichen Geldmitteln gelang es, die wichtigsten Zentren des Sertorius im Landesinnern einzunehmen. 72 schließlich wurde Sertorius durch einen seiner Anhänger M. Perperna ermordet, ein Jahr später erfolgte der endgültige Zusammenbruch Spaniens. Pompeius führte eine nachhaltige Neuordnung durch, die ihm Spanien im späteren Bürgerkrieg gegen Caesar als Klientel sicherte (Plutarch, Pompeius 17 – 20).
Natürlich feierte Pompeius gebührend seinen Erfolg. Ein weithin sichtbares Siegesdenkmal kündete auf dem Pyrenäenpass von der Unterwerfung von 876 „Städten“. Pompeius beanspruchte den Ruhm für sich allein, und dieses Monument verlieh dem Ausdruck.
Sertorius ist eine der umstrittensten und geheimnisvollsten Gestalten der Römischen Republik gewesen; seine Reputation schwankte zwischen „Hochverräter“ und „Freiheitsheld“. Die Urteile über ihn sind zumeist inspiriert von Plutarchs Biographie, die eine insgesamt positive Zeichnung seiner Persönlichkeit bietet. Die Positionen der modernen Geschichtswissenschaftler zeigen, wie „subjektiv“ das historische Urteil ist, wie abhängig auch von der Zeit, in der der jeweilige Forscher lebt. Historikern im 19. Jahrhundert galt er als „einer der fleckenlosesten Gestalten“ (Niebuhr) und „vielleicht der größte Römer bis dahin“ (Mommsen), weil er sich um die nationale Einigung Spaniens verdient gemacht hatte, deutschen Historikern im Nationalsozialismus dagegen als ein „Hochverräter“ (Helmut Berve), weil er sich dem herrschenden Staat, nämlich Rom, in aufrührerischer Weise widersetzt hatte. Gelegentlich wurde sogar von einem „Sertorius-Reich“ gesprochen (A. Schulten). Die marxistische Literatur erkannte sein Verdienst an, „anstelle der bloßen Gewaltanwendung die Position der Römer auf dem Wege der Romanisierung des Provinzialadels zu festigen“.
Spartacus-Aufstand
Noch bevor das Sertorius-Problem gelöst war, kam ein anderes auf die Tagesordnung, das wiederum Italien betraf: der Spartacus-Aufstand, und auch hier „half“ Pompeius. Im Jahre 73 brach eine Gruppe von 70 oder 80 Gladiatoren unter Führung des Thrakers Spartacus aus einer Gladiatorenschule in Capua aus. Damit begann der berühmteste Sklavenaufstand der Antike. Sein Zentrum lag am Vesuv.
E
Sklaven
Die Rechtsstellung von Sklaven (mancipia, servi) ergibt sich nach römischer Vorstellung daraus, dass sie „Sache“, nicht Personen waren. Über die soziale Position sagt der Begriff freilich erstaunlich wenig aus. Besonders schlecht erging es den Bergwerksarbeitern, während Haussklaven wie Köche oder Ammen es weitaus besser hatten. Es gab in der Hauptsache drei Wege, um sich Sklaven zu verschaffen: 1. auf dem Wege des Sklavenhandels, der zu jener Zeit blühte und sehr gewinnbringend war; auf den Sklavenmarkt gelangten viele entführte Menschen, die Opfer von Piraten und Räubern geworden waren; 2. auf dem Wege des Krieges, denn die Unterlegenen wurden oftmals als Kriegsbeute in die Sklaverei verkauft; 3. auf dem Wege natürlicher Reproduktion, denn die Kinder von Sklaven waren vom Status her ebenfalls Sklaven; sie sicherten den Sklavenbesitzern gleichsam die billigste Ergänzung des Sklavenbestandes. Es war auch möglich, Sklaven freizulassen; dann wurden sie als liberti („Freigelassene“) Teil der römischen Bürgerschaft, wenn auch mit eingeschränkten Rechten. Sklaven und Kriegsgefangene waren es auch, die in den Gladiatorenspielen kämpfen mussten. Sie wurden in so genannten ludi (Gladiatorenschulen) gehalten, wie es sie in Rom zum Beispiel direkt neben dem Colosseum oder in Capua gab. Gladiatorenspiele wurden im Rahmen von Begräbnisfeierlichkeiten für Adlige (nobiles) seit dem 1. Punischen Krieg 264 v. Chr. abgehalten. Der Name leitet sich von gladius (Schwert) ab und weist auf den blutigen Charakter der Spiele hin. Seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. sind als Kämpfer neben den Sklaven auch Freie und Höhergestellte bezeugt, die von finanziellen Gewinnen, Abenteuerlust und der Aussicht auf Popularität angelockt wurden. Gladiatoren wurden regelrecht nach speziellen Gattungen ausgebildet und erlangten für ihre Kampfsportart eine derartig große Perfektion, dass sich auch das Militär ihrer bediente beziehungsweise von ihrer Ausbildung einiges abschaute. Die Lebensbedingungen waren oft schlecht. Die Ernährung und ärztliche Betreuung war ganz auf den Sport ausgerichtet. Gladiatorenspiele waren neben den Wagenrennen wohl das beliebteste Freizeitvergnügen der Römer.
Unerwartet viele Unzufriedene schlossen sich Spartacus auf seinem Streifzug durch Italien an: Sklaven, landlose Bauern, Leidtragende der sullanischen Proscriptionen. So kam Spartacus auf bis zu 120 000 Mann – ein beredtes Zeichen dafür, dass die Krise der Römischen Republik nicht nur eine politische, sondern auch eine wirtschaftliche und soziale war. Unsere Quellen lassen uns im Unklaren darüber, welche genauen Ziele über die Erlangung der Freiheit hinaus die Aufrührer verfolgten; für sie waren sie nicht mehr als Plünderer und Verbrecher. Sicher ging es ihnen um Freiheit, Abschüttelung eines drückenden Joches, vielleicht träumten sie sogar den Traum von einem eigenen, süditalischen Staat. Die römische Gegenwehr begann zunächst träge und inkonsequent. Daher häuften sich die Niederlagen. Erst als der Praetor Marcus Licinius Crassus mit sechs bis acht Legionen alle Kräfte mobilisierte, setzte sich die römische Kriegsmaschinerie allmählich gegen die schlecht ausgerüsteten Sklaven durch. Auch Crassus nutzte also das postsullanische und krisengeschüttelte Italien als Sprungbrett für seine politische Karriere. Spätestens im Spartacus-Konflikt entwickelte sich zwischen Pompeius und ihm eine Rivalität um den beherrschenden politischen Einfluss in Rom, die die nächsten 20 Jahre römischer Politik bestimmte. Auf seine Persönlichkeit, die während des Spartacus-Aufstandes zum ersten Mal ins Licht der Öffentlichkeit trat, werden wir genauer im Zusammenhang mit dem 1. Triumvirat zu sprechen kommen. Crassus also gelang der militärische Sieg gegen die Aufständischen in Süditalien, den er mit grausamer Bestrafung von 6000 gekreuzigten Spartacus-Anhängern, die beide Seiten der Via Appia säumten, „krönte“. Doch auch diesmal kam Rom offenkundig nicht ohne Pompeius aus. Als der erfolgreiche Ausgang des Krieges gegen Spartacus Anfang 71 noch nicht ganz feststand, beauftragte der Senat auf Bitten des Crassus selbst den gerade aus Spanien zurückkehrenden Feldherrn, die Empörer von Norden her anzugreifen. Doch es waren schließlich nur noch 5000 Entkommene, die Pompeius aufgriff. Cicero führte wenige Jahre später (66) auch diese Episode als Beleg für den Ruhm seines damaligen Patrons an: „Als Italien durch den hässlichen und gefährlichen Sklavenkrieg bedrängt wurde, erbat es Hilfe von ihm, obwohl er abwesend war. Der Krieg verlor allein durch die Erwartung seiner Ankunft an Kraft und Bedrohung und ist durch seine Ankunft beendet und begraben worden“ (Cicero, De imperio Cn. Pompeii 30).
Der Spartacus-Aufstand war in der Tat gefährlich für Rom und in Entstehung, Ablauf und Beendigung geradezu repräsentativ für den inneren Zustand der Republik jener Zeit. Die antiken Quellen beurteilten ihn sehr negativ, die moderne Geschichtswissenschaft hat ihn insgesamt inadäquat behandelt, die bürgerliche Geschichtsschreibung hat ihn marginalisiert, die marxistische heroisiert.
Ähnlich den beiden anderen genannten Krisen – der Revolte des Lepidus und dem „Sonderreich“ des Sertorius – hat der Spartacus-Aufstand zwei Tendenzen innerhalb der Römischen Republik sichtbar gemacht:
1. die gesellschaftliche Desintegration führte zur Auflösung aller traditionellen Regularien;
2. die republikanische Administration arbeitete zu langsam und ineffektiv, um adäquat auf Bedrängungen zu reagieren; erst ihre Aushebelung und der Weg über „Sondervollmachten“ bot Lösungen an.