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Sein Onkel, der Leutnant

Aber da gab es noch etwas. Vater hatte einen Bruder. Zu ihm entwickelte Fritz eine tiefe, sehnsüchtige Liebe. Onkel Dieter kam oft nach Wargienen. Er war Soldat, ein Leutnant der 9. Infanteriedivision, die einstmals aus den Gardejägern hervorgegangen war. Sie galten als Elitedivision. Er wurde oft verwundet und erholte sich dann immer in Wargienen.

Wenn er kam, wich Fritz seinem Onkel nicht von der Seite. Wann immer es möglich war, erklomm er seinen Schoß. Geradezu zärtlich streichelte der kleine Kerl den Onkel. Oft gingen sie spazieren. Fritz hielt ihn immer ganz fest an der Hand. Er erzählte viele spannende Geschichten. Ein warmes Gefühl der Zuneigung und Liebe durchdrang Fritz jedes Mal. Er liebte seinen Onkel über alles. Aber immer wieder hieß es Abschied nehmen, denn Onkel Dieter musste an die Front zurück, nach Russland, zu seinen Soldaten. Er wollte sie nicht im Stich lassen, weil er sich für sie verantwortlich fühlte. Oft weinte Fritz abends in seinem Bett, wenn er wieder weg war.

Was Fritz damals nicht wusste: Onkel Dieter hatte heftige Debatten mit seinem Bruder geführt. Er hielt die SA für alles andere als eine erstrebenswerte Organisation. 1943 kam auch Onkel Dieter nicht mehr zurück. Tiefe Trauer mit vielen Tränen überkam ihn immer wieder. Onkel Dieter war tot, erschossen.

Graf von der Schulenburg aus der Widerstandsgruppe um den Hitlerattentäter Graf Staufenberg schrieb ein kleines Reclam-Heftchen unter dem Pseudonym ‘A. Friedrichs’. Sein Titel: „Ein Leutnant der Infanterie – Dietrich Constantin.“ Er beschreibt darin, was ihm die Freundschaft mit dem Kameraden, der Fritzens Onkel Dieter war, bedeutete. Großmutter erzählte später, dass Onkel Dieter sich mit Sicherheit der Widerstandgruppe angeschlossen hätte, wenn er nicht 1943 in Russland gefallen wäre. Aber wo genau er gefallen war, wusste niemand. Erst 1993 klärte sich das Rätsel auf. Ein ehemaliger Dokumentarfilmer aus der DDR beschäftigte sich mit der Frage, wo die militärischen Widerständler herkamen. Er fand heraus, es war zumeist die 9. Infanteriedivision. Es lebte noch deren früherer Ordonanzoffizier, krank und fast blind, in München. Er löste das Rätsel um die Frage, wo und wann der geliebte Onkel ums Leben gekommen war.

Der Divisionskommandeur hatte seine Offiziere zu einer Besprechung befohlen. Die fand in einem kleinen Dorf namens Kamenka, etwa 150 km südlich von Moskau, in einem Bauernhaus statt.

Die Ordonanz stand vor dem Bauernhaus Wache. Der Offizier hörte Panzer anrücken und schrie in das Gebäude: „Raus, raus!“. Da rumste es auch schon. Eine Panzergranate vernichtete mit einem Schlag das gesamte Offizierskorps. Onkel Dieter habe sie den Schädel zertrümmert. So kam auch sein geliebter Onkel nicht wieder. Er ist im Krieg geblieben. Fritz trug schwer an seiner tiefen Trauer. Der Onkel hat einen Ehrenplatz in seinem Herzen. Ein Bild von ihm steht noch heute in seinem Arbeitszimmer.

Alle Offiziere und der Kommandeur wurden in einem Kameradengrab bestattet. Viel später nahm Fritz sich vor, nach Kamenka zu fahren, um das Grab seines Onkels zu suchen. Er wollte ihn nach Hause holen, nach Potsdam, wo dieser aufgewachsen war. Das ginge deshalb nicht, weil man in diesen Gräbern die Gebeine nicht zuordnen könne. Das jedenfalls war die Auskunft der Deutschen Kriegsgräberfürsorge. Sie wusste inzwischen davon.

Fritz Gezeiten des Lebens-Ebbe,Flut und Sturmfluten

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