Читать книгу Fritz Gezeiten des Lebens-Ebbe,Flut und Sturmfluten - Ernst-Otto Constantin - Страница 9

Оглавление

Fritzens junges Leben

Kaum war er geboren, schon stritten sie: In seinem jungen Erdenleben führte die Namenswahl zu einem heftigen Streit in der Familie. Die Großmutter väterlicherseits fand, dass er den Vornamen ihres verstorbenen Ehemannes bekommen und wie sein Großvater Otto heißen müsse. Das stieß auf heftigen Widerstand in der Familie der Mutter. Nein, er müsse auf jeden Fall den Vornamen seines Großvaters mütterlicherseits tragen. Schließlich habe der ja seinem Schwiegersohn den Hof übertragen. Ernst hieß er, und so müsse auch der Junge diesen Vornamen tragen, Punktum. Heraus kam ein Kompromiss. „Ernst-Otto“ stand fortan in der Geburtsurkunde. Bei der Taufe offenbarte Großvater Ernst, dass er in Wahrheit Ernst-Otto heiße. „Fritz“ hieß der Junge nun bei Vater und dessen ganzer Familie, vielleicht auch deshalb, weil man sich vom Großvater über den Tisch gezogen fühlte. Auch auf dem Hof rief ihn jeder Fritz, und dabei blieb es.

Fritz erlebte eine unvergessliche Zeit in Ostpreußen. Sie ist noch heute ganz lebendig in ihm. Wargienen hieß das Gut und das Dorf, die zusammengehörten – gerade mal 20 km von Königsberg entfernt, im Samland gelegen. Im Dorf lebten die Mitarbeiter des Gutes mit ihren Familien. Kein Tag vergeht, an dem er nicht an all das denkt, was er dort so sehr liebte. Und doch gab es schon damals Dinge, die ihm zu schaffen machten, die wehtaten.

1937 wurde Fritz in Königsberg geboren. Die frühen Ereignisse seiner Kindheit, die aus dem Dunst der Vergangenheit auftauchen, erinnert er ab etwa seinem vierten Lebensjahr. Sie sind seitdem klar und gegenwärtig. Noch heute denkt er sehnsuchtsvoll an diese ersten bewusst gelebten Jahre in Ostpreußen zurück.

In ca. 100 m Entfernung von der Toreinfahrt zum Hof standen zwei große Kastanien vor einer Buchenhecke am Eingang des Gutshauses. Er mochte das Haus. Pompös oder hochherrschaftlich war es nicht. Und doch hatte es einen unaufdringlichen Charme. Im Mai schmückten sich die Kastanien mit riesengroßen Blüten. Er liebte diese Bäume. In einem Viereck gegliedert standen die Gebäude des Hofes. Zuerst der Hühnerstall. Daran schloss sich der Kuhstall an. Unter dessen Satteldach wurde Heu und Stroh für das Vieh gelagert. Dann führte eine Ausfahrt zu den Weiden. Nach links ging ein Sandweg nach Spitzings und rechts einer zum Dorf. Spitzings war ein Ort mit nur wenigen Häusern und einer Kleinbahnstation, wo der Zug hielt, der nach Königsberg fuhr. Etwas abseits von jenem Kleinbahnhof befand sich ein besonderes Gebäude. Fritz hat dieses Gebäude in denkbar schlechter Erinnerung. Es war seine Schule. Er fand sie immer freiheitsberaubend, anstrengend, mit einer strengen Lehrerin ausgestattet, die ihm jede Menge unangenehme Hausaufgaben auflud. Im Tornister trug er seine Last morgens hin und mittags zurück. Und dann die ätzenden Schularbeiten, die ihm oftmals den schönsten Teil des Tages raubten. Allzu oft hieß es in dieser verdammten Schule: „Fritz, nach vorn kommen. Hände ausstrecken!“ Dann setzte es zwei bis drei Hiebe mit einer Gerte auf die Handinnenfläche. Zu Hause angekommen taten die Hände noch immer weh. Mutter sagte nur: „Benimm dich, dann passiert auch nichts.“ Kurz und gut, diese Schule empfand er als Strafe des Lebens. Welchen Sinn die Schule haben sollte, wollte sich ihm damals nicht so recht erschließen. Nein, er ging überhaupt nicht gerne zur Schule. Das sollte sein ganzes Leben so bleiben. Später erkannte er deren Notwendigkeit, aber Freude kam bei dem Gedanken an Schule trotzdem nicht auf. Dass jemand Freude am Lernen hat, konnte er überhaupt nicht verstehen. Für ihn war das stets Plage und Mühsal.

Im rechten Winkel zum Gutshaus stand der Kutschstall, auf ihm befand sich ein Storchennest. Ein breiter Zugang zu den Weiden für das Jungvieh gab den Blick fast bis Spitzings frei. Daran schloss sich eine große Scheune an, in welcher die Getreideernte samt Dreschmaschine untergebracht war. Mit etwas Abstand folgte die Schmiede. Davor standen zwei große Birken und zwischen ihnen der Trecker, ein Lanz Bulldog. Hier war das Reich des Schmiedes. Fast jeden Tag führte Fritzens Weg dorthin, denn der Schmied war für ihn ein Mensch, den er liebte. In der Mitte des Hofes gab es einen Teich. Dahinter standen Leiterwagen, die Kutsche und andere Gerätschaften. Hier war Fritz zu Hause.

Fritz Gezeiten des Lebens-Ebbe,Flut und Sturmfluten

Подняться наверх