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4.6 Jugendsprache als Sprachkontaktphänomen

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In der jüngsten Zeit wird eine neue Perspektive von der Jugendsprachforschung in den Blick genommen, und zwar die des „gemischten Sprechens“ vor allem von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. „SprachmischungenSprachmischung“ sind, wie eben erwähnt, ein historisches Phänomen, das schon in der deutschen StudentenspracheStudentensprache des 17. bis 19. Jahrhunderts nachgewiesen werden kann.1 Die GebersprachenGebersprache haben sich allerdings heute verändert: es sind nicht mehr die klassischen BildungssprachenBildungssprache Latein, Griechisch und späterhin Französisch. Vielmehr bilden heute die nichtdeutschen Muttersprachen Türkisch, Russisch und Polnisch eine wichtige Quelle des Sprachkontakts für Jugendliche in Deutschland, vor allem in multikulturellen Schulklassen.2Mehrsprachigkeit Das gemischte Sprechengemischtes Sprechen, das aus einer Außensicht oft als „doppelte Halbsprachigkeitdoppelte Halbsprachigkeit“ angesehen wird, bringt dabei eine besondere, oft bikulturell geprägte IdentitätIdentität dieser Jugendlichen zum Ausdruck3 (Hinnenkamp 2000, 2003; KeimKeim, Inken/Cindark, Ibrahim/Cindark 2003; OBST 65/2003).

O: Indim, Selda’yı arıyom bakıyom.

Bin ausgestiegen, bin los nach Selda schauen

Bi baktım Matthias’ı diyor hey kannsch du mi mitnehmen?

Auf einmal seh ich Matthias, sagt er

Is isn Freund von mir, mit dem ich früher inner Sch eh Klasse war.

He, kannschte mi mitnehmen diyo, eh i hab niemand diyo sonst muss

sagt er sagt er

ich mit mitm Dings (.) mitm Bus oder mit der U-Bahn

A: Bus fahren

O: Augsburg’a gelmem lazım diyo (.) I˙yi dedim, gel (.) baktım

muss ich nach Augsburg fahren, sagt er. Gut hab ich gesagt, komm (.) hab ich geschaut

Selda da geldi, Selda’yı da aldım (.) Und dann hab I gsehn

und Selda ist auch gekommen, Selda hab ich auch mitgenommen

Veli kommt auch (.)

Beispiel: „Matthias taucht auf“

Deutsche ÜbersetzungÜbersetzung hier in normaler Type (Zit. n. HinnenkampHinnenkamp, Volker 2003, S. 400)

Besonderes öffentliches Aufsehen haben die Arbeiten zum „KiezdeutschKiezdeutsch“ von WieseWiese, Heike und ihrem Team (2012 u.a.) gefunden. Sie vertreten die These, dass es sich dabei um einen neuen multiethnischen DialektDialekt des Deutschen handele, der im Zusammenhang mit KontaktsprachenKontaktsprachen und Jugendsprachen entstanden ist und der keine Fehlentwicklung, sondern eine Bereicherung des Deutschen darstelle.

Abb. II.4.1:

KiezdeutschKiezdeutsch als Jugend- und KontaktspracheKontaktsprachen (WieseWiese, Heike 2006, S. 46)

Damit wird eine Gegenposition zur These der „doppelten Halbsprachigkeitdoppelte Halbsprachigkeit“ von Migrantenjugendlichen eingenommen und der produktive Aspekt zusätzlicher sprachlicher Variationsmöglichkeiten im Kontext von MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit betont, der auch bei Jugendlichen in urbanen Zentren in anderen Ländern Westeuropas anzutreffen ist. Zu solchen Innovationen werden im Deutschen nichtkanonische Konstruktionen gerechnet, u.a. Ortsangaben ohne Präpositionen und Artikel, neue Funktionsverbgefüge und Wortstellungsoptionen, so als Fokusmarker. Einiges davon veranschaulicht der folgende Textauszug:

Seda: Ich bin eigentlisch mit meiner Figur zufrieden und so, nur isch muss noch bisschen hier abnehmen, ein bisschen noch da.
Dilay: So bisschen, ja, isch auch.
Seda: Teilweise so für Bikinifigur und so, weißt doch so.
[…]
Dilay: Isch hab von allein irgendwie abgenommen. Isch weiß auch nisch, wie. Aber dis is so, weißt doch, wenn wir umziehen so, isch hab keine Zeit, zu essen, keine Zeit zu gar nix. […]
Heute muss isch wieder Solarium gehen.

Beispiel: „Heute muss isch wieder Solarium“

(Zit. n. WieseWiese, Heike 2012, S. 9)

Die auch linguistisch kontroverse Diskussion um KiezdeutschKiezdeutsch ist noch nicht abgeschlossen. Einwände werden v.a. gegen den reklamierten Dialektbegriff sowie gegen ihre für überregional und herkunftssprachenunabhängig gehaltenen Merkmale vorgebracht.

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