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17. Das erste Leben
ОглавлениеIch hatte es verdammt schön. Geboren wurde ich im Sommer 1967. Meine Eltern waren gutbürgerliche Menschen. Mein Vater schaffte das Geld ran, meine Mutter war Hausfrau. Obwohl meine Eltern irgendwie nie aus Woodstock nach Hause gefunden haben, lebten sie dieses Rollenmodell von 1950. Sie zelebrierten es richtig. Alles drehte sich um meinen Dad. Wann er aufstehen musste, wann er von der Arbeit kam, am Donnerstagabend las er immer die neue druckfrische Ausgabe des Sterns, am Samstag sah er immer Sportschau. Und meine Mutter und ich drehten uns um ihm.
Meine Eltern hatten viel Besuch, es wurde gefeiert, geraucht, gesoffen, getanzt. Und ich immer mittendrin. Ich beobachtete schon damals die zurechtgemachten Frauen, ihren Sexappeal, ihre Nylons, ihr Make up. Nach den Partys hörte ich meine Eltern, wie sie sich liebten. Ich bekam übrigens noch im Rentenalter meiner Eltern Postkarten von den Beiden aus Gran Canaria, mit einer bildlichen Darstellung darüber, dass sie ihr Liebesleben in den Dünen wiederentdeckt hätten.
Wir sind jeden Sommer für vier Wochen nach Italien gefahren. Mit dem Auto. Ende der 70er Jahre in einem metallicgrünen Ford Taunus. Ohne Gurte, ohne Kopfstützen, das große Lenkrad mit Fell überzogen. Meine Eltern rauchten vorn Kette und ich hatte hinten meinen Kassettenrekorder und hörte Musik. Wir hatten in Italien eine Wohnung in einer netten Anlage mit Pool. Nachts sprangen Leute gern nackt mit einer demonstrativen Arschbombe in den Pool. Verrückte unbeschwerte Zeiten.
Vielleicht habe ich aus meiner Kindheit und Jugend diese Unbeschwertheit in Sachen Liebe mitbekommen. Mir wurde schon früh erklärt, dass Sex toll ist. Ok, wenn man zwölf ist, will man das nicht hören und alles ist peinlich. Heute kann ich über so viele Szenen immer noch lachen. Als ich ein Teenager war, entdeckte ich im Sommer die süßen italienischen Jungs der Adria und verschenkte meine Unschuld. Giovanni war eine Rakete im Bett. Besser gesagt am Pool. Seitdem habe ich eine Schwäche für Pasta, Vino, Dolce Vita und wohlgeformte leidenschaftliche junge Männer.
Mein erstes Leben verlief in normalen Bahnen. Ich machte eine Ausbildung, heiratete meine Jungendliebe, einen Polizisten. 2 Jahre später waren wir wieder geschieden. Danach hatte ich diverse Übergangsmänner, die mich ablenkten. Es war Anfang der 90er. Man hatte Spaß. Ungeschützt. Ich war 3 bis 4 x die Woche auf Piste, hatte unzählige ONS. Ich lutsche Koks von Schwänzen, vögelte ohne Kondom und wachte manchmal morgens zwischen zwei süßen Typen irgendwo am Arsch der Welt auf.
Tja diese Unbeschwertheit… Ich war mal mit einer Freundin einen Sommer auf Mallorca. Wir lernten tagsüber am Hafen zwei ältere Herren kennen, die nach Ibiza segeln wollten. Wir sind einfach mitgesegelt. Verrückt, ich weiß. Wir hätten auch in einem marokkanischen Puff aufwachen können. Aber wir waren jung und geil auf das Leben. Also segelten wir mit, tranken Asti und machten rum.
Jung sein, heißt manchmal auch, doof sein. Ich hatte nämlich vergessen, dass sich meine Periode anbahnte. Wir übernachteten an Bord und nächsten Morgen war das ganze Bett voller Blut. Ach du Kacke… meine Freundin sah es und wir zogen uns sehr schnell an und sprangen von Bord. Nun waren wir auf Ibiza, unser Hotel jedoch stand auf Malle. Wir waren chronisch pleite und hatten keinen Schimmer, wie wir jetzt wieder auf unsere Insel kommen sollten. Unser letztes Geld war für Tampons, neue Unterwäsche und zwei Glas Sekt draufgegangen. Wir lungerten am Hafen rum und hofften auf Rettung. Manchmal muss man auch mal mutig sein. Wir betraten einfach die Fähre ohne Fahrkarten. Der Check in wurde von einem ganz lieben Opa vorgenommen. Das beobachten wir schon eine Stunde vorher. Nun ja, wir saßen auf der Bank und erzählten uns unsere traurigsten Geschichten. Wir weinten um die Wette und gingen schnurstracks zum Check in. Wir erzählten dem netten Herrn die traurige Geschichte unserer toten Oma und ohne überhaupt nach unseren Karten zu fragen, winkte er uns durch. Glück gehabt.
Mein erstes Leben war beruflich nicht besonders erfolgreich. Ich tingelte mich durch die Jobs, war mehr im Partymodus, kam ständig zu spät, immer eine leichte Alkohol Fahne und ich schlief mit Chefs. Das Geld reichte immer gerade so irgendwie. Insgesamt war meine Gesamtperformance eher eine 4.
Ende der 90er lernte ich einen netten Typen von der Bundeswehr kennen. Ich war schockverliebt. Das Problem war nur, dass er in Münster war und ich in Hamburg. Aber ich nutzte unter der Woche die viele freie Zeit und machte berufsbegleitend noch 2 weitere Ausbildungen. Ich war in einem großen Konzern angestellt und wurde Ausbilderin. Ich war also Chefin von süßen Jungs. Ich machte mit ihnen Seminarreisen und das eine oder andere Mal klopfte es an meiner Hotelzimmertür. Ich blieb standhaft. Ich liebte diesen Bundi und hoffte, dass wir irgendwann heiraten würden und ein Leben mit Jägerzaun-Romantik haben würden.
Keine vier Jahre später war es dann soweit, wir heirateten. Und wir zogen in ein Doppelhaus außerhalb Hamburgs. Fehler, sag ich euch. Unsere Nachbarn waren die typischen Vorstädter. Die Frauen waren am schlimmsten. Ich war immer Gespräch, weil ich nicht schon im Februar die Osterdekoration im Vorgarten drapiert habe. Oder weil ich nicht jeden Freitagabend mit allen Grillen wollte. Ich hasste es, jeden Morgen über eine Stunde zum Job zu fahren und abends wieder zurück in die Einöde. Ich wollte Leben, Action. Ich stellte meinem Mann ein Ultimatum. Entweder ziehen wir wieder in die Stadt oder ich verlasse Dich. OMG, das saß. Ich wurde verlassen. Ich wäre zu sprunghaft, zu launisch. Insgeheim stimmte ich ihm zu. Aber erhobenen Hauptes suchte ich mir eine neue Wohnung in der City und ich reichte die Scheidung ein.
Mein Leben machte einen Relaunch. Ich lernte Stefan kennen, der deutlich älter war als ich. Er zeigte mir tolle Clubs in der Stadt, wir waren viel unterwegs und wir hatten sehr tollen Sex. Mittlerweile war ich in den Dreißigern. Meine Freundinnen wurden alle sesshaft und bekamen Kinder. Ich tingelte noch durch die Clubs, besser gesagt WIEDER. Moralisch wurde ich flexibler.
Ich schenkte Stefan zum 50. Geburtstag einen Dreier. Stefan hatte ja alles. Ich wusste wirklich nicht, was ich ihm sinnvolleres hätte schenken können. Ich suchte in der Tageszeitung nach einschlägigen Anzeigen. Ich fand eine Agentur. Ich fasste allen Mut zusammen und rief dort an. Es meldete sich eine leicht rauchige weibliche Stimme: Hallo hier ist Tina vom Escort Service sowieso. Ok, ich nahm allen Mut zusammen und schilderte mein Anliegen. Da ich Stefans Geschmack in Sachen Frauen gut kannte, konnte ich sagen, was wir wollten. Über die Preise war ich doch überrascht, es erschien mir für eine Stunde ziemlich teuer. Heute weiß ich natürlich, dass ja auch noch die Agentur ihren Anteil bekommt. Keine der Frauen dort arbeitet da nur für sich. Nun gut. Wir verabredeten einen Samstagabend. Primetime. Ich gab die Adresse durch.
Stefan und ich verbrachten den Samstag entspannt. Wir gingen frühstücken, bummelten durch die City, hatten schon ein oder zwei Campari Soda intus. Gegen 17 Uhr überlegten wir, abends essen zu gehen. Bis dato wusste er noch nichts von meinem Geschenk. Ich wusste, dass es eine seiner Fantasien war. Also war es Zeit, mit der Überraschung rauszurücken. Wir waren bei ihm, standen in der Küche, tranken einen Espresso. Ich fragte ihn, ob er noch Prosecco oder Wein im Kühlschrank hätte, da wir heute Abend noch Damenbesuch bekämen. Er guckte mich an - och nö, sag’ nicht, dass meine Schwester kommt. Nein Schnucki, es kommt Nina.
Nina? Wer ist das? Tja wer ist Nina? Nina ist ein süßes Ding im Schulmädchen Look, die uns beide heute Abend verführen wird. Funkstille. Ähm, da bin ich jetzt nicht drauf eingestellt, hörte ich. Bitte, welcher Mann ist nicht auf Sex eingestellt? Ich wurde unsicher. Denn vor 30 Minuten hatte ich nochmal den Termin bei der Agentur bestätigt. Wie und die kommt zu mir? Ja, Du hast doch heute Geburtstag, da dachte ich mir, dass es ein schönes Geschenk wäre. Darf ich sie bumsen? Klar darfst Du das (doofe Frage).
19.00 Uhr. Stefan und ich saßen gespannt wie zwei Flitzebogen auf dem Sofa. Stefan hatte das ganze Schlafzimmer mit Kerzen drapiert, Knabbergebäck hingestellt, nochmal durchgesaugt, Bett frisch bezogen. Ich war verwirrt. Es sollte ja kein Date werden, just Sex.
Dann kam Nina. Eine süße junge Frage in den Zwanzigern. Unter ihrem Mantel trug sie tatsächlich eine Schulmädchenuniform. Als allererstes rief sie von Stefans Festnetzanschluss ihre Agentur an, dass alles sauber wäre. Sauber? Da meinte sie wohl nicht die Wohnung, sondern die Situation. Stefan hatte Barry White aufgelegt. Wir unterhielten uns über alles Mögliche, aber eine sexy aufgeladene Stimmung entstand irgendwie nicht. Stefan rannte in 15 Minuten drei Mal zur Toilette. Vor Aufregung. So kannte ich ihn gar nicht.
Beim dritten Toilettengang ergriff ich die Initiative. Ich nahm Nina an die Hand, führte sie in das Schlafzimmer und zog sie aus. Wir küssten uns, machten rum. Stefan kam aus dem Bad und endlich wurde er geil. Er stand vor dem Bett, zog sich aus, sah uns zu und dann endlich kam er zwischen uns. Wir verwöhnten ihn ausgiebig oral, zwischendurch küssten wir uns. Er schlief mit Nina und ich schaute zu. Nach einer Stunde (incl. Smalltalk vorher) zog sich Nina an und Schwupps dann war sie wieder weg. Wir lagen im Bett und ließen uns alles nochmal durch den Kopf gehen. In der Nacht liebten wir uns, wie schon lange nicht mehr. Sehr zärtlich und sehr ausdauernd. Insofern war Nina eine gute Investition.
Nach einigen intensiven Jahren mit Stefan bemerkte ich, dass wir uns auseinander gelebt hatten. Wir lebten nicht zusammen und somit war die Trennung nicht so dramatisch. Wenn auch traurig, aber davon stirbt man nicht.
Meine Jahre in den Zwanzigern und Dreißigern waren ein ständiges Auf und Ab in Sachen Liebe. Ich liebte dieses Gefühl verliebt zu sein. Ich verliebte mich schnell und entliebte mich jedoch auch schnell. Ich war immer auf der Suche nach dem Glück.
Als ich vierzig wurde, wurde mir wirklich klar, dass ich nicht von anderen Menschen erwarten konnte, dass sie mich ständig glücklich machen. Ich nahm mein Leben selbst in die Hand, suchte mir einen neuen Job, der – by the way – ganz gut bezahlt wurde. Ich trennte mich von Freunden, die seit Jahren in irgendwelchen Lebenskrisen steckten. Ich konnte es nicht mehr länger ertragen über 20 Jahre anhaltende Depressionen, Insolvenzen und Schlafmittelabhängigkeiten zu sprechen. Ich wollte nicht mehr der Mülleimer der Nation sein. Ich erweiterte meinen Freundeskreis und ich war viel unterwegs.
Tja und dann kam er… Der Beginn meines zweiten Lebens. Besser gesagt, als mich ein Mann verließ, starte ich mein zweites Leben. Eva Schmidtbauer wurde geboren.
Business Milf.