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Wessen Vorstellung vom Leben lebst du?

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Seit ich denken kann, wollte ich auswandern. Grund dafür war mein Vater. Es hat aber eine ganze Weile gedauert, bis ich das verstanden habe.

Meine Eltern sind 1987 aus Polen geflüchtet und haben sich in Deutschland niedergelassen. Der Plan meines Vaters war, nur ein paar Jahre in Deutschland zu bleiben und dann weiter nach Kanada zu ziehen. Nachdem meine Eltern sich aber in Deutschland selbstständig gemacht hatten, hatten sie nun dort auch mehr Verpflichtungen und waren stärker gebunden. Der Kanada-Plan rückte so immer mehr in den Hintergrund, und meine Eltern sind noch heute in Deutschland.

Ich hörte immer, dass Deutschland nicht die erste Wahl war und dass meine Eltern irgendwann noch auswandern würden. Folglich kreierte ich in meinem Kopf eine falsche Vorstellung von Deutschland und hatte von klein auf den Wunsch, auszuwandern. Dies war aber nicht mein eigener Wunsch, sondern der meines Vaters.

Das realisierte ich erst vor ein paar Jahren, als ich immer wieder mein Leben in Deutschland sabotierte, indem ich mir einredete, dass es überall besser sei als hier. Nachdem ich das erkannt hatte, zog ich nach Berlin und hatte eine wundervolle Zeit dort. Ich habe vor Jahren mit meinem »geerbten« Hadern Frieden geschlossen und finde Deutschland inzwischen sehr schön und lebenswert.

Mit dieser Erkenntnis kann ich nun für mich selbst herausfinden, welches Land und welcher Ort für mich richtig ist. Ohne dabei unbewusst die Angst in mir zu tragen, meinen Vater enttäuschen zu müssen. Bisher gibt mir Australien immer das Gefühl, mein physisches Zuhause zu sein. Hier kommen alle meine Wünsche und Vorlieben zusammen: Wärme, freundliche Menschen, Weite, Natur, Fülle, ein entspannter Lebensstil und eine multikulturelle Gesellschaft.

Auch mein Privatleben litt darunter, dass die Vorstellungen anderer mich beeinflussten. Es wird als normal angesehen, mit zwanzig oder dreißig einen festen Wohnsitz zu haben und auch langsam zu heiraten und Kinder zu kriegen. Dies hat sich auch meine Mutter für mich gewünscht, da es ihre Vorstellung von einem guten Leben ist. Oder von einem Leben, das die Gesellschaft als gut oder normal erachtet.

Mir schnürte diese Vorstellung immer die Luft ab, da es einfach zu diesem Zeitpunkt nicht mein Leben war.

Ich wollte frei sein, die Welt entdecken, selbstständig arbeiten und keinen »normalen« Job haben. Ich mochte immer das Risiko und das In-Bewegung-Sein. Beides versetzte mich in eine Art Flow, einen Fluss und ein Hochgefühl. Meistens jedenfalls. Es gab natürlich auch Momente, in denen Existenzangst aufkam und ich das Gefühl der Sorge für eine Weile durchleben musste.

Und doch war es das Leben, das ich leben wollte. Und diese Phase war auch unglaublich wichtig für mich, denn ohne sie wüsste ich heute nicht, was ich wirklich will. Es war eine wundervolle Reise, die ich nicht missen möchte: innen wie außen.

Es fing alles eher rebellisch an, und ich versuchte, gegen all das anzukämpfen, was mir nicht gefiel. Es war teilweise sehr anstrengend, doch führte es mich zu dem, was ich wirklich wollte – und wer ich heute bin und was mir wichtig ist.

Ich liebe es, wie alles bisher verlief, auch wenn zum Teil sehr harte und lehrreiche Zeiten dabei waren.

Was ich besonders schätze, ist, dass ich die Entscheidungen getroffen habe und mich für mein eigenes Leben entschieden habe – und gegen die Angst. Dies kann mir keiner mehr nehmen.

Beruflich sollte ich in die Fußstapfen meiner Eltern treten. Sie sind selbstständig und führen ein mittelständisches Unternehmen im Bereich Maschinenbau. Daraus wurde nichts. Ich habe es versucht, doch habe ich mich dabei nicht lebendig gefühlt. Ich habe einfach nicht mein eigenes Leben geführt.

Ich wollte meine Eltern und den Rest der Familie nicht enttäuschen und versuchte, es mir so schön wie möglich in meinem Kopf auszumalen. Doch sah die Realität nicht besonders schön aus. Auf Familienfeiern durfte ich mir immer wieder anhören, dass ich in die Fußstapfen meiner Eltern treten solle. Und den passenden Partner möge ich mir dazu auch endlich aussuchen.

Ich kann heute verstehen, dass jeder seine Denkweise hat und gerade ältere Menschen nicht wissen, welche Freiheiten wir heutzutage haben können und auch leben wollen. Aber es war nicht mein Weg, und ich bin sehr froh, dass ich den Mut aufgebracht habe, dies nach Jahren auch zu kommunizieren.

Freiheit im Herzen

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