Читать книгу 1001 Dattelkeks - Ewa A. - Страница 13
Kapitel 8 Unerwarteter Besuch
ОглавлениеEin Funkensturm toste um Navid, und noch bevor dieser sich gelegt hatte und die Sicht freigab, konnte die Bäckerstochter schon eine weibliche Stimme hören.
»Shanli, ich drehe dir den Hals um!«
Die Genannte presste die Lippen aufeinander, um nicht laut loszulachen. Da stand sie, die Pumphosen-Dschinni! Er war nicht mal eine hässliche Frau. Noch immer war er groß und schlank, allerdings hatte er jetzt einen Busen, breitere Hüften und eine Taille. Zugegebenermaßen machte er in der lila Pumphose gar keine üble Figur … als Frau. Das blonde Haar fiel in eleganten Wellen über Navids schmale Schultern. Nur wie er so breitbeinig dastand, das wirkte nicht gerade feminin. Aber … seine Hakennase hatte auch in dem weiblichen Gesicht ihren Reiz. Mit den hohen Wangenknochen und dem schmallippigen Mund zusammen konnte man es durchaus hübsch nennen. Bloß schaute er ziemlich grimmig.
»Warum hast du das getan?«, keifte die weibliche Ausgabe von Navid.
»Na, weil du mich immer blond und schlank halten musst, damit Parviz meine Bewerbung annimmt.«
Die große Frau grummelte. »Du verlangst ganz schön viel. Ich muss ständig auf der Lauer liegen und nicht nur auf dein Äußeres achten, sondern auch auf meins. Und dann noch deine Wünsche erfüllen. Sehr wahrscheinlich halten die Zauber kürzer an, weil es mehrere sind.«
»Umso wichtiger ist es, dass du dich immer in meiner Nähe aufhältst. Und falls Parviz mich wählt, muss auch in den Prüfungen mein Aussehen erhalten bleiben. Das heißt, du musst ebenso unbedingt erwählt werden, um mit mir gehen zu können.«
Erschrocken begehrte Navid dagegen auf: »Stopp! Es war bloß die Rede davon gewesen, dass ich deinem doofen Schah meine Hand anbieten, aber nicht, dass ich ihm auch noch schöne Augen machen soll. Ganz zu schweigen von irgendwelchen Prüfungen. Was sind das überhaupt für Prüfungen?«
»Keine Ahnung, was die sich dort oben im Palast ausgedacht haben. Wahrscheinlich wollen sie schauen, ob man zur Gemahlin des Schahs taugt. Ich vermute, man muss ihnen vortanzen oder einen Krug auf dem Kopf balancieren. Irgend so was in dieser Art.«
Der weibliche Dschinn schnaubte missbilligend. Das war ein ganz schön hartes Stück Brot, was er da schlucken sollte. Er sollte sich als Frau einem Mann an den Hals werfen, durch die Gegend tanzen, nebenher Wünsche erfüllen und ständig auf der Hut sein, dass der verrückte Plan funktionierte. Das einzig Gute an der Sache war die Erkenntnis, dass ihre Wünsche ihn verändert hatten und sie mit einem Wunsch vielleicht wirklich in der Lage war, ihn von seinem Fluch zu befreien. Wohl oder übel musste er der kleinen Bäckerstochter diesen riesigen Gefallen tun, um sie bei Laune zu halten. Ansonsten würde sie ihn womöglich zurück in den Smaragd schicken und nie wieder herausholen. Das konnte er nicht zulassen. Dennoch sollte er ihr klarmachen, dass das ganz schön viel war, was sie da verlangte. Genau, er musste beginnen, ihr einzureden, dass sie in seiner Schuld stand.
Mit mürrischem Gesicht gab Navid sich geschlagen. »Na gut. Ich tu dir den Gefallen und werde dir helfen, was ich jedoch nicht müsste. Du sollst wissen, dass es mich wahrlich Überwindung kostet, so hinaus auf die Straße zu gehen und einem Kerl nachzustellen.«
Shanli schmunzelte überheblich. »Oh, wie großzügig von dir. Allerdings hätte ich mir bei einer Weigerung auch einen Liebestrank von dir wünschen können, den ich dir dann heimlich eingeflößt hätte. Dann hättest du dich von ganz allein Schah Parviz an den Hals geworfen, mein Lieber. Und weißt du was? Ich glaube, es wäre dir dann egal gewesen, ob du ein Mann oder eine Frau bist.«
Navid wurde bleich vor Wut. Diese elende Natter machte es einem auch wirklich schwer, sie nur ein kleines Bisschen zu mögen. Sie reizte ihn bis aufs Blut.
»Glaub mir, du willst keinen Dschinn als Feind haben, der dir deine Wünsche erfüllen soll. Ehrlich gesagt habe ich oft den Hang zur Übertreibung. Also bitte, wünsch dich nur schlank. Wir werden sehen, wie schlank du werden kannst.«
Nun grinste Navid, während Shanli das Gesicht fast auseinanderfiel.
Unwillig maulte sie: »Ist ja gut. Waffenstillstand!«
Just in dem Augenblick wurde an die Haustür geklopft, und man hörte Golroo und Taliman rufen.
»Shanli, mein Kind? Alles in Ordnung bei dir?«
»Wir hörten dein Gebrüll. Ist da jemand bei dir?«
»Oh! Äh …« Panisch schauten Shanli zu Navid, der ratlos mit den Schultern zuckte. Fieberhaft überlegte das Mädchen, was sie ihren Nachbarn erzählen sollte. Es abzustreiten, würde die zwei Alten vielleicht noch misstrauisch und neugieriger machen, weshalb sie beschloss, die Flucht nach vorne anzutreten.
»Ja!«, rief sie zögerlich und ging auf die Tür zu.
Trotz Navids warnendem »Nein!« öffnete Shanli weit genug, damit das Ehepaar die blonde Dschinni sehen konnte.
Shanli lächelte verkrampft. »Meine liebe Cousine hat mich mit einem Besuch überrascht. Navida, komm doch mal her. Das sind meine Nachbarn Golroo und Taliman.«
Verwundert musterten die zwei Alten die schlanke Blondine, die mit mürrischer Miene auf sie zukam. Shanli räusperte sich laut und stierte Navid auffordernd an, denn sein Gang war unverkennbar der eines jungen selbstsicheren Mannes und nicht der eines schüchternen Mädchens. Doch der weibliche Dschinn gönnte ihr lediglich ein genervtes Brummen, ging an ihr vorüber und begrüßte die beiden Alten respektvoll.
Nach dem diese den Gruß erwidert hatten, meinte Golroo: »Ich dachte, du hättest keine Verwandten mehr.«
»Ach, jaaaa«, stammelte Shanli. »Navida ist … sie …«
Endlich kam Navid ihr zur Hilfe und übernahm die Antwort. »Eine weit entfernte Cousine. Mein Mutter war die Cousine ihrer Mutter.«
Taliman nickte bedächtig. »Aha, das erklärt auch, warum ihr euch nicht ähnlich seht.«
»Und ebenfalls, warum Navida so hübsch ist«, grinste Golroo.
Während Shanli, zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit, das Grinsen verging, fielen Navid vor Schreck beinahe die Augen aus dem Kopf.
»Tatsächlich!«, entgegnete er zynisch.
»Ja«, bestätigte Shanli derweil säuerlich. »Daran wird es wohl liegen.«
Aus den Augenwinkeln beobachtete Navid, wie seine junge Herrin die versteckte Schmach hinunterschluckte. Ihr Gesicht hatte sich verschlossen, und ihr Blick wirkte nicht mehr so heiter wie zuvor.
Golroo und Taliman verabschiedeten sich nach ein paar Höflichkeitsfloskeln, und als Shanli die Tür hinter ihnen zumachte, nuschelte sie leise: »Unfassbar! Jetzt ist sogar ein Kerl in Pumphose ‘ne hübschere Frau als ich.«
»Dafür kann ich ja jetzt wohl wirklich nichts!«, schnippte die blonde Navida zurück, was Shanli nur noch wütender machte.
Giftig starrte sie ihn an. »Ach, halt die Klappe, Blondie. Du siehst selbst mit deinem Bart im Gesicht noch besser aus als ich.«
Überrascht fasste Navid sich an die Wangen. Wie Shanli sagte, konnte er seine Bartstoppeln fühlen, was hieß, dass die Rückverwandlung bereits einsetzte.
»Shanli, das wird nie und nimmer gutgehen!«, versuchte er, sie nochmals zu überzeugen, dass ihr Plan nicht gelingen würde.
»Doch, das wird es. Und ich werde mit dir darüber nicht weiter streiten.«
Zusehends verwandelte sich Navid zurück in den männlichen Dschinn. Seine goldene Mähne wurde wieder braun und schrumpfte auf Schulterlänge zusammen. Zugleich verschwand sein Busen, und die Schultern wuchsen in die Breite. Sein Kinn gewann wieder sein kantiges Aussehen, während sein Hals kräftiger wurde. Füße und Hände verwandelten sich zu denen eines Mannes.
Je mehr Navid seine echte Gestalt annahm, desto panischer wurde Shanli. Denn insgeheim befürchtete sie, dass der Dschinn recht haben könnte. Doch welche Wahl hatte sie, wenn sie Parviz‘ Ehefrau werden wollte? Sie musste das Risiko eingehen und diese eine Chance nutzen, die sich ihr bot. Stur hielt sie an ihrem Plan fest und sprach den Satz aus, der ihr Ruhe bescheren würde – vor Navids Zweifel, den sie nicht hören wollte.
»Das war es!«
Sie vernahm noch aus dem grünen Zyklon seine tiefe Stimme, bevor er vollkommen im Smaragd verschwand: »Es wird trotzdem in die Hose gehen!«
Shanli hätte schwören können, dass er sie mit dem abschließenden Furzgeräusch verspottete.