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Vorwort
ОглавлениеAngeheitert – high sein – von Honig? Gibt’s das? Na klar, ich hab’s erlebt! In den rund drei Jahren, die ich bei dem Maya-Stamm der Lakandonen im südlichen mexikanischen Regenwald (Chiapas) gelebt und geforscht habe. In dieser Zeit konnte ich viel über den tropischen Regenwald und das heidnische Stammesleben lernen. Aber das Lernen hört nicht auf. Jedes Mal, wenn ich »meinen« Stamm besuche, erfahre ich Neues, oft Ungeahntes.
Als ich einmal eine etwas abgelegen siedelnde Lakandonfamilie besucht habe, erlebte ich eine Überraschung. »Wir haben gerade einen Honig geerntet, der berauscht; möchtest du ihn probieren?« Na klar, das wollte ich sehr gerne. Die Frau des Hauses reichte mir eine Baumkürbisschale (etwa 700 Milliliter) mit einem Getränk aus angegorenem, aber alkoholfreiem Maisteig. Darin hatte sie etwa drei Esslöffel vom besagten Honig aufgelöst. Der gesüßte Trank mundete hervorragend. Mir wurde empfohlen, die Schale schnell auszutrinken. Nach rund zehn Minuten merkte ich, wie sich mein Geist lüftete. Ich war wirklich high! – Extrem angenehm. Ich wurde euphorisch und köstlich berauscht. Die anwesenden Lakandonen hatten auch davon genascht. Wir verbrachten einen sehr lustigen Nachmittag; die Lakandonen lieben es, sich zu amüsieren, zu lachen und eine gute Zeit miteinander zu verbringen – und möglichst witzigen Klatsch auszutauschen.
Ich wollte natürlich mehr über diesen Rauschhonig herausfinden. Er stammt von den kleinen endemischen, schwarzen und stachellosen Bienen. In einem genau bekannten Zeitraum sammeln sie den Nektar von bestimmten Blüten und produzieren Rauschhonig. Leider konnte ich nicht herausfinden, welche Blüten von welchen Pflanzen die Bienen anfliegen mussten. Ich weiß leider nicht, ob es nur eine Pflanzenart ist oder ob es mehrere Arten sind und in welchem Verhältnis sie zueinander sein müssen.
Als ich an meiner Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen arbeitete, stieß ich auf einige Hinweise zu berauschenden Honigsorten, zum Beispiel dem Tollhonig, der von Tollkirschenblüten gesammelt wird, oder dem Pontischen Honig, der laut Literatur stark berauschen soll und der schon in der Antike bekannt und berüchtigt war. Ich habe immer gedacht, dass der Rauschhonig ein ideales Forschungsthema für eine Doktorarbeit wäre. Mir ist aber bisher keine Dissertation dieser Art bekannt geworden. Schade!
Dann lernte ich vor ein paar Jahren bei einem Seminar den Imker Fabian Kalis kennen. Er erzählte mir, dass er an einem Buch über Rauschhonige arbeiten würde. Ich war begeistert und bat ihn darum, ein Vorwort schreiben zu dürfen, wenn das Manuskript dann fertig sei. Und tatsächlich erscheint jetzt dieses Buch im geliebten Nachtschatten Verlag – mit meinem Vorwort.
Ich hoffe sehr, dass Fabian eine große und interessierte Leserschaft finden wird. Auf jeden Fall ist dieses Buch das erste zum Rauschhonig, eine Pionierarbeit.
Möge allen der berauschende Honig wohl bekommen!
Hamburg, in der Corona-Zeit Christian Rätsch