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Die alten Rezepte vergessen

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»Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein.« Der Gelähmte hat klare Vorstellungen davon, wie seine Heilung erfolgen könnte. Doch Jesus geht auf diese Argumente überhaupt nicht ein. Es ist, als ob er dem Kranken sagen würde: »Vergiss die alten Rezepte.« Was wir brauchen, sind nicht »mehr derselben« alten Lösungen, sondern »Lösungen zweiter Ordnung«: Wege, die völlig neu sind – auch und gerade gegenüber unserer bisherigen Vorgehensweise.

Im Buch Jesaja heißt es: »Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?« (Jesaja 43,28f.). Es geht dabei nicht um einen Systemwechsel um des bloßen Wechsels willen. Die alten Wege können und sollen wir durchaus achten und würdigen. Sie haben lange Zeit geholfen, das angestrebte Ziel zu erreichen. Nur heute tun sie es offensichtlich nicht mehr. Und nur deswegen, weil sie es nicht mehr tun, wir aber weiterhin dem Auftrag Gottes treu bleiben wollen, schauen wir nach etwas Neuem aus.

Blicken wir zurück in das 16. Jahrhundert, dann können wir lernen, dass eine Reformation immer damit beginnt, dass sich die Kirche auf ihren ursprünglichen Auftrag bzw. ihre ursprüngliche Sendung besinnt. Wenn das geschehen ist, müssen in einem zweiten, dritten und vierten Schritt alle gängigen Wege daraufhin überprüft werden, ob sie noch zu diesem Ziel führen, ob sie noch hilfreich sind, der ursprünglichen Mission nachzukommen.

So geht es beispielsweise um die Frage, ob unsere Gottesdienste wirklich noch in der Lage sind, in die Herzen der Menschen zu sprechen bzw. ihnen die Möglichkeit zu geben, Gott in der Sprache ihrer Herzen zu antworten. Früher haben sie das zweifellos getan. Heute stimmt das aber nur noch für ganz wenige Menschen. Da hilft kein »Mahagoni-Rechenschieber«, wir brauchen völlig neue Formen von Gottesdiensten. Nicht nur ab und an als Ausnahme, sondern als Regelangebot.

Es geht auch um die Frage, ob wir es uns wirklich leisten können, Gemeindegrößen von mehreren Tausend Menschen aufrechtzuerhalten. Die Menschen treten unter anderem doch deshalb in Scharen aus, weil sie keinen persönlichen Bezug mehr zu ihrer Gemeinde haben. Die »Lösung«, Gemeinden zusammenzulegen und noch größere, von den Menschen immer weiter entfernte Verwaltungskonstrukte zu schaffen, beseitigt dieses Problem nicht, sondern verschärft es. Wir bräuchten eigentlich nicht größere, sondern deutlich kleinere Gemeinden vor Ort. Persönlicher und näher. Und da kommt sofort das Argument: »Wir haben doch gar nicht genug Pfarrerinnen und Pfarrer für so etwas.« – Das ist völlig richtig. Aber wer sagt eigentlich, dass einer Gemeinde unbedingt jemand Hauptamtliches vorstehen muss? Klar kennen wir es hierzulande nicht anders, aber in der weltweiten Ökumene ist das weithin die Ausnahme.

Der evangelische Patient

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