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2.4 NATO-Kapazitäten und Verteidigungsplanung: Getrennt und gemeinsam

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ImKapazitäten (militärische) Gründungsmoment der NATO wurde die Schaffung gemeinsamer militärischer KapazitätenKapazitäten (militärische) zwar angedacht (s. Art. 3, 5 NordatlantikvertragNordatlantikvertrag), die akuten Umstände führten aber zunächst zum Rückgriff auf vorhandene KapazitätenKapazitäten (militärische) der Alliierten und deren Koordination. Bis heute entscheiden Nationalstaaten zwar NATO-koordiniert, aber meist unabhängig, welche militärischen KapazitätenKapazitäten (militärische) sie vorhalten wollen, ob sie z. B. FähigkeitenKapazitäten (militärische) entlang des kompletten militärischen Aufgabenspektrums – also von LandesverteidigungLandesverteidigung über KrisenmanagementKrisenmanagementmissionen bis hin zur Expeditions- und Kriegsfähigkeit1 – haben oder AtomwaffenAtomwaffen besitzen wollen. Einerseits wird so das Demokratieprinzip umgesetzt, das vor allem in der Bundesrepublik Deutschland die Streitkräfte einer strikten parlamentarischen Kontrolle unterzieht und das Budgetrecht bei den nationalen Parlamenten belässt. Andererseits entstehen durch diese nationalen Entscheidungsprozesse aber Probleme für eine gemeinsame Verteidigungsplanung. Dies kann z. B. das Fehlen bestimmter FähigkeitenKapazitäten (militärische) sein (europäische LufttransportLufttransportkapazitäten sind lange schon ein wunder Punkt), eine starke Unterentwicklung von Teilstreitkräften (wie Panzer gegenüber Russland) oder im umgekehrten Fall die Duplizierung von KapazitätenKapazitäten (militärische) (z. B. die Existenz verschiedener Waffensysteme für denselben Zweck, wie Jagdflugzeuge). Nicht zuletzt stecken dahinter nationale industriepolitische Entscheidungen oder Sorgen um die Wahrung nationaler Souveränität. Letzterer Punkt ist vor allem für Mächte wie Frankreich, Großbritannien oder die USA, die sich entschlossen haben, das volle Spektrum militärischer FähigkeitenKapazitäten (militärische) aufrechtzuhalten, relevant.

Aufgrund enger gewordener finanzieller Spielräume haben sich verschiedene Staaten mittlerweile entschlossen, FähigkeitenKapazitäten (militärische) gar nicht vorzuhalten, zu poolen oder gemeinsam zu entwickeln. Ein Extremfall ist IslandIsland, das mit Ausnahme einer Küstenwache komplett auf ein eigenes Militär verzichtet und von NATO-Verbündeten Unterstützung bei der LandesverteidigungLandesverteidigung erhält. Der Luftraum einiger Staaten wird von den Alliierten gemeinsam überwacht, wenn die Länder nicht über eigene Luftwaffen verfügen (NATO 2019d). Belgien und die Niederlande koordinieren ihre Marinekräfte seit den 1950er Jahren bereits sehr eng (BENESAM-Abkommen, Sauer 2015). Diese Art der Zusammenarbeit wird als pooling bezeichnet, weil die Staaten nationale KapazitätenKapazitäten (militärische) zwar erhalten (sowohl die Niederlande als auch Belgien haben Fregatten und Minenräumboote), aber sie nur noch gemeinsam nutzen und führen. Eine wiederum andere Form der Zusammenarbeit ist die bi- oder multinationale Entwicklung spezifischer Waffensysteme, wie die deutsch-französisch-spanische Kooperation für das FCAcounterinsurgencyS-Jagdflugzeug (Future Combat Air SystemFCAS-Jagdflugzeug) oder der seit den 1980er Jahren von denselben Ländern entwickelte TigerTiger-Helikopter-Kampfhubschrauber. Die Projekte unterliegen meist spezifischen Vereinbarungen. Das FCAcounterinsurgencyS ist somit nicht etwa ein von der NATO entwickeltes Kampfflugzeug, sondern eines der Mitgliedstaaten, das zudem in Konkurrenz zu Produkten anderer Alliierter steht, wie z. B. dem F35F35-Jagdflugzeug Joint Strike FighterF35-Jagdflugzeug, der unter Leitung der USA mit vielen anderen NATO-Alliierten und befreundeten Staaten entwickelt wurde. Nationale industriepolitische Aspekte (und manchmal auch PrestigePrestige, Status) werden an diesen Beispielen klar. Diese Probleme machen deutlich, dass Kooperation in einer Allianz trotz offensichtlicher Vorteile nicht konfliktfrei verläuft, was theoretischen Annahmen des InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)mus entspricht, der nicht von einer rein funktionalistischen Kooperationslogik (form follows function) ausgeht. Dies legt die Relevanz relativer MachtMachtlogiken nahe, wie sie die realistische Theorie für Kooperation im Sicherheits- und Verteidigungsbereich postuliert (s. nächstes Kapitel).

Um die Verteidigungsplanungen der Armeen der 30 NATO-Mitgliedstaaten dennoch ansatzweise zu koordinieren und in Übereinstimmung mit festgelegten Aufgaben zu bringen, gibt es in der Allianz den so genannten NATO Defence Planning ProcessVerteidigungsplanung (NDPPVerteidigungsplanung). In Vierjahreszyklen legt der NDPPVerteidigungsplanung mögliche Einsatzbereiche und Umfänge von NATO-Missionen fest und definiert die militärischen Mittel, die für die Durchführung der Missionen notwendig sind. Entsprechend der festgelegten Lastenverteilungburden-sharing innerhalb der Allianz tragen unterschiedliche Mitglieder unterschiedliche Lasten und bekennen sich zur Entwicklung spezifischer KapazitätenKapazitäten (militärische) (Fleischer 2015; Major 2019, 33f.). Der NDPPVerteidigungsplanung umfasst z.Zt. 14 Planungsbereiche, die alle zwei Jahre evaluiert werden:

NATO Defence Planning ProcessVerteidigungsplanung: Planungsbereiche
Cyberabwehrcyber security nukleare AbschreckungAbschreckung (nuklear)
Flugplanung Ressourcen
Konsultation, command and control Standardisierung & InteroperabilitätInteroperabilität
Logistik Streitkräfteplanung
Luftverteidigung und RaketenabwehrRaketenabwehr Waffensysteme
medizinische Versorgung Wissenschaft und Technologie
nachrichtendienstliche Aufklärung zivile Notfallplanung

Tabelle 7:

NDPPVerteidigungsplanung-Planungsbereiche (Quelle: NATO (2018e), eigene Darstellung)

Die Unterschiedlichkeit dieser Planungsprozesse zeigt, dass die alliierte Verteidigungsplanung über Fragen der Rüstungspolitik hinausgeht und andere Aspekte von Konflikten wie Zivilschutz oder Nachrichtendienste genauso einschließt wie die Querschnittsaufgaben Standardisierung, InteroperabilitätInteroperabilität und Ressourcenausstattung. Der NDPPVerteidigungsplanung muss zivile und militärische, aber auch finanzielle und technologische Aspekte vereinen, die sehr unterschiedlichen Zeiträumen unterliegen. Daher differenziert der NDPP zwischen drei Planungszeiträumen: kurzfristig (0-6 J.), mittelfristig (7-19 J.) und Langfristvorhaben (20+ J., ibid.).2 Aufgrund des Umfangs und der Komplexität dieser Planungsprozesse stellt die permanente Existenz multilateraler NATO-Institutionen einen enormen Vorteil dar. Die im Kapazitätsentwicklungsbereich teils Jahrzehnte langen Planungsprozesse können so maßgeblich unterstützt werden.

Wegen der nationalen Hoheit über die Verteidigungsplanung hat die Allianz selbst nur ein kleines eigenes Budget von ca. $2,7 Mrd. (2019, s. NATO 2019g) für die zivile und militärische KommandostrukturMilitärstruktur sowie gemeinsame Einrichtungen und KapazitätenKapazitäten (militärische). Demgegenüber stehen VerteidigungsausgabenVerteidigungsbudget (national) der Mitgliedstaaten von insgesamt ca. $971 Mrd. (2018, s. NATO 2019h). Eigene militärische KapazitätenKapazitäten (militärische) der Allianz beschränken sich auf folgende Bereiche und Waffensysteme:

Abbildung 5:

AWACSAWACS-Maschine der NATO (Quelle: NATO)

 14 Flugzeuge des Airborne Warning & Control System (AWACSAWACS), von 16 Alliierten betrieben, für Luftraumüberwachung, Kommando- und Gefechtsmanagement (NATO 2019b);

 Strategic Airlift CapabilityStrategic Airlift CapabilityLufttransport (SAC): LufttransportLufttransportflotte, von zehn Alliierten sowie Schweden und Finnland gemeinsam betrieben, die sich Anschaffungs- und Betriebskosten der Flotte teilen; Betrieb durch ein multilaterales Kommando (NSPA o. J.; Giegerich 2012a, 27);

 Alliance Ground Sourveillance (AGSAlliance Ground Surveillance (Drohnen))-DrohneAlliance Ground Surveillance (Drohnen)nsystem zur Bodenüberwachung, von 15 NATO-Mitgliedern für die Allianz angeschafft, NATO-gemeinsame Übernahme der Betriebskosten (NATO 2019a).

Diese wichtigen, aber im Verhältnis zu den im nationalen Besitz verbleibenden KapazitätenKapazitäten (militärische) verschwindend geringen NATO-gemeinsamen Systeme unterstreichen den Charakter der Allianz als Zusammenschluss souveräner Staaten, die nur wenig Kontrolle über den letztlichen Einsatz militärischer MachtMacht abgeben. Gleichzeitig sollte diese kurze Liste nicht darüber hinwegtäuschen, dass die NATO wesentliche Trainings- und Kommandozentren unterhält oder bezuschusst und Kommando- und Kontrollfähigkeiten bereitstellt, die diese und andere nationale Systeme erst für die Allianz als Ganzes adäquat nutzbar machen. Die NATO nimmt somit die ihr zugedachte Rolle als strategische Ermöglicherin (strategic enabler) von Verteidigungspolitik ein, für die sie integrierte und/oder interoperable Funktionsmöglichkeiten geschaffen hat.

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