Читать книгу Eisenglanz - Florian Kalenda - Страница 13
ОглавлениеBlaue Augen und ein grünes Messer
Vom nächsten Tag an hatte Isanpert einen Platz zwischen Paulus und Waltrut an der oberen Tafel. Von Hildpert, der ihm gegenübersaß, bekam er heimliche Tritte. Clementia sah ihn böse an. Waltrut hatte verweinte Augen. Sie sprach nicht ein Wort mehr, als sie musste.
Uto wollte es so. „Auch er ist mein Sohn“, sagte er vor allen Leuten. Neu war, dass er es sagte. Auch wenn es jeder gewusst hatte.
„Du bist ein Mann“, redete er Isanpert an. „Du sollst auch so behandelt werden. Vor allem brauchst du ein Schwert.“ Nach Isanperts Ankunft hatte er eine Waffe beim Schmied in Ardinga in Auftrag gegeben. Einen scharfen Sax, der leicht zu schwingen war und nicht viel wog. Er werde fertig sein, wenn der Mond wieder zunehme, hatte der Schmied zugesagt.
Uto löffelte die Suppe aus Schaffleisch und Bohnen. Clementia fragte, ob es nicht besser sei, wenn Isanpert an der unteren Tafel sitze. „Dort sind deine anderen Männer, mit denen er zusammen kämpfen soll. Seinesgleichen. Platz ist auch, nachdem du dieses Jahr am Monsee zwei Mann verloren hast.“
Uto kaute das Fleisch, legte den Löffel ab und wischte sich mit dem Handrücken den Mund. „Am unteren Tisch, das ist nichts. Du weißt, wie ich bin. Entweder ganz oder gar nicht.“ Dann erzählte er von den Seen und den Bergen im Osten, und den Heiden, die dort schändlichen Göttern huldigten. Dorthin werde Otilo sie auch im nächsten Sommer führen.
Isanpert schlief nun im Herrenhaus. Man wies ihm eine Bettstatt am linken Ende des Raums zu, wo Utos Männer und ihre Weiber ruhten. Uto und Clementia, ihre Kinder und die vornehmsten Gäste legten sich rechts von der Tür zur Nachtruhe, nahe der Feuerstelle, wo die Glut länger wärmte.
Das Kastenbett wackelte jedes Mal, wenn Isanpert sich umdrehte. Er hatte es immerhin für sich. Er hätte eine Magd zu sich nehmen können, wenn er gewollt hätte.
Hulda sah er bisweilen untertags. „Die Abende sind so lang“, sagte sie.
„Aber wir haben immer nur still nebeneinandergesessen“, gab er zurück, „du hast gesponnen und ich habe geschnitzt. Geredet haben wir wenig.“
„Trotzdem. Jetzt sitze ich allein da und spinne.“
„Und ich sitze und schnitze im anderen Haus.“
„Eben“, sagte Hulda.
Olko nickte beifällig, als Isanpert ihm von dem Sax erzählte, den er bekommen werde. „Der Schmied Lantfrid ist kein schlechter Mann. Er hat Kraft im Arm. Nimm dich vor seiner Tochter in Acht. Vor ihren Augen. Sie ist nicht älter als du, aber hat schon so manchen um die Nachtruhe gebracht.“
Isanpert lachte. „Was soll mir ein Mädchen denn antun?“
„Du hast recht, wenn du lachst. Man muss die Weiber leicht nehmen. Ohne sie kommt keiner aus. Ein Mann braucht sie so nötig wie einmal in der Woche das Baden.“ Olko kratzte sich im Schritt. „Ich rate dir, such dir eines, das nicht viel Ärger macht. Nicht wie die Schmiedetochter.“
„So wie dein Weib?“, fragte Isanpert. Sein neues Bett stand neben Olkos, und so wusste er, dass Olko mit seinem Weib kaum je ein Wort wechselte. Ihre Zwiesprache war anderer Art, hinter dem hohen Rand des Bettes verborgen, der nicht nur die Zugluft abhielt, sondern auch Blicke. „Du sagst immer, du hättest sie eingefangen, aber du hast mir nie erzählt, wo.“
„Auf dem Heereszug war es“, sagte Olko. „Die Heiden hatten eine Siedlung niedergebrannt. Da gab Otilo Befehl, ihr Dorf zu stürmen. Ich habe sie als Teil der Beute gefordert. Sie kannte kein Wort in der Volkssprache. Heute spricht sie ein wenig. Glaubst du, das macht es einfacher?“ Er zog seinen Bart stramm.
Den Mist musste Isanpert nicht mehr einsammeln. Rihho gab ihm leichtere Aufgaben. „Eigentlich vermisse ich es“, sagte er zu Uto. „Es war keine schwere Arbeit. Ich bin gern bei den Rössern.“
„Rossbollen zusammenzutragen ist nichts für einen Hahiling“, erklärte Uto. „Wir haben Rösser, um sie zu reiten oder zu verkaufen.“
An manchen Nachmittagen blieb Zeit für einen Ausritt. An den Abenden saßen sie sich gegenüber wie feindliche Heere bei einer Belagerung. Isanpert schlang das Essen hinunter und war froh, wenn er sich recht bald dem Abendwerk widmen konnte: der letzten Arbeit des Tages, in der Dämmerung oder gar bei Feuerschein im Haus ausgeführt, bis die Augen zufielen.
Clementia fragte Uto, wie es mit den Mohingara weitergehen werde. Deren Bruder sei schließlich immer noch tot. Wenn sie auch Waltrut nicht mehr wollten, so doch wenigstens Rache. Oder Blutgeld.
„Darum ist Isanpert auf Utinga“, erklärte Uto. Hier konnten ihm die Mohingara nichts tun. „Ich habe ihm versprochen, ihn zu schützen. Auf Gramlinga kann ich das nicht.“
Er wandte sich an Hildpert und Paulus. Olko unterwies sie an den Nachmittagen im Kampf, Isanpert aber in den Morgenstunden. „Ab morgen übt ihr alle gemeinsam. Von Isanpert könnt ihr euch einiges abschauen.“
Hildpert grummelte Zustimmung, während der Jüngere ängstlich zu seiner Mutter sah. Clementia verschränkte die Arme und sagte, da wolle sie gern ein wenig zusehen.
Am Morgen standen sie alle rund um den Kampfplatz. „Ich will gegen Isanpert kämpfen“, sagte Hildpert. Seine Mutter lächelte stolz.
Olko war es nicht recht. „Sie haben nicht das gleiche Alter“, sagte er. „Hildpert ist drei Sommer jünger.“
„Dafür ist Hildpert bulliger“, sagte Uto. „Isanpert ist groß, aber schmal. Lass sie gewähren. Nur das eine Mal.“
Obwohl sie die helle Haut ihrer Mutter geerbt hatten, waren beide kräftige Kinder: Hildpert reichte Isanpert nur bis zur Brust, aber er hatte dickere Arme und verschlang größere Mengen. Auch Paulus langte schon tüchtig zu.
Olko reichte Hildpert ein stumpfes Übungsschwert und Isanpert ein zweites. „Lass etwas von ihm übrig“, brummte er. Er schien sicher, was den Ausgang des Kampfes anging. Isanpert sah sich unruhig um. Der halbe Hof hatte sich versammelt. Sogar der Priester Maximinus war da.
Hildpert stürmte los, als wolle er seinen Gegner umreißen. Isanpert wich aus. Immer und immer wieder. Nicht einmal trafen ihre Klingen aufeinander. Isanpert wunderte sich, wie leicht es ihm fiel. Er war im Sommer ein Mann geworden, er stand sicher auf den Beinen und bewegte sich gewandt. Hildpert aber war ein Kind. Ein starkes Kind. Jeder konnte es sehen.
„Du bist ein Feigling“, sagte Hildpert. Ihm standen Tränen im Gesicht. „Du weichst immer aus.“
„Er ist schneller und geschickter als du“, sagte Olko. „Das kommt mit dem Alter. In zwei Jahren wirst du auch ein besserer Kämpfer sein als heute.“
„Er hat mich nicht besiegt“, sagte Hildpert trotzig.
„Sei nicht dumm“, sagte Uto, „jedes Mal, wenn du an ihm vorbeigestürmt bist, hätte er dir sein Schwert über den Kopf ziehen können.“
Hildperts Hand ging zum Kopf. Erleichtert stellte er fest, dass alles noch dran war.
„Er ist wie eine Maus“, tröstete Clementia. „Du kannst ihn nicht erwischen, er verkriecht sich in irgendeinem Loch. Hinter deinem Rücken macht er sich an den Vorräten zu schaffen.“
Als er das hörte, lachte Hildpert. Er legte das stumpfe Schwert beiseite und forderte Isanpert zu einer Kraftprobe heraus. „Wir setzen die Ellenbogen auf der Tischplatte auf. Wer die Hand des anderen herunterdrücken kann, gewinnt.“
„Das brauchen wir nicht zu versuchen“, sagte Isanpert. „Du bist stärker. Ich gebe mich von vornherein geschlagen.“
„Feigling“, sagte Hildpert.
Zwei Tage später erkundigte sich Clementia noch einmal nach Isanperts Alter.
„Dieses Jahr ist er volljährig geworden“, sagte Uto. „Er hätte im Sommer erstmals mit dem Heer ziehen können. Weil er so schmal ist, kam Gudo ein weiteres Mal mit uns.“
„Gegen meinen Wunsch“, sagte Isanpert.
Clementia überging ihn. „Für Waltrut war es der dreizehnte Sommer. Sie ist im Jahr zuvor volljährig geworden. Überleg einmal, kann das sein?“
Uto überlegte lange. „Nein, das kann nicht sein.“
„War Ulas Bauch dick, als sie nach Gramlinga ging, zu Gudo? In dem Sommer, als ich zu dir kam?“
„Ja, es konnte jeder sehen. Es war höchste Zeit.“
Clementia richtete einen Finger auf Isanpert. „Vielleicht starb das Kind, das sie damals gebar. Und erst im Jahr darauf bekam sie ihn.“
„So war es nicht“, erwiderte Uto schnell. „Dann wäre ich ja nicht der Vater.“
Clementia sagte nichts.
„Das kann nicht sein“, wiederholte Uto. „Vielleicht haben sie sich verrechnet. Ja, so wird es sein.“
Am nächsten Morgen nach der Übung mit Olko ging Isanpert hinunter zum Bach, den sie Saubach nannten. Dort suchte er eine Stelle hinter dichten Büschen auf, die nur er kannte, ein grasbewachsenes, festes Stück Erdboden, wo er liegen und Stöckchen in den Bach werfen konnte. Er lag im Gras, warf und dachte nach.
So traf ihn Waltrut an. „Hier versteckst du dich“, sagte sie. Er fragte fast gleichzeitig: „Wie hast du mich gefunden?“
Sie legte den Kopf in den Nacken. „Warum sollte ich dich gesucht haben?“
„Was machst du sonst hier?“
Sie setzte sich und nahm einen Zweig in die Hand. „Hast du wirklich Martilos Bruder erstochen?“
„Er wollte mich erschlagen.“ Isanpert wickelte einen Grashalm um seinen Zeigefinger. „Ich bin nur nicht weggelaufen.“ Er erzählte, wie Fritilo sich auf ihn gestürzt hatte, in seinen Speer hinein.
„Männer sind Bestien“, sagte Waltrut.
„Na komm“, sagte er, „so kann man das wohl kaum …“
„Doch! Du wusstest, dass er in den Speer laufen würde. Genau wie Hucwalt, als er mit dem Bratspieß auf dich los ist. Er will dich tot sehen. Vater ist nicht besser. Erst muss ich Martilo heiraten, dann darf ich nicht.“
Isanpert setzte sich auf und schlang die Arme um die Knie. Er zitterte ein wenig vor Kälte. „Aber er ist ein Krüppel.“
„Trotzdem hat er es befohlen.“ Waltrut knickte den Zweig, warf ihn in Richtung Bach. Er flog nicht weit, fiel in den Schlamm. „Es wäre nicht so schlimm gewesen. Er ist nicht wie ihr.“
„Auch er wollte mich tot sehen.“
„Hucwalt wollte dich umbringen. Martilo hat versucht, ihn abzuhalten. Martilo hat Sinn für schöne Dinge. Sogar deine scheußliche Spange hat ihm gefallen.“
Isanpert stand auf, nahm den von Waltrut geknickten Zweig und warf ihn ins Wasser. Mit dem Blick folgte er ihm, wie die Strömung ihn ergriff. „Und Liutker?“
„Liutker denkt nur an sich.“
Isanpert kratzte sich am Kopf. „Er will dich heiraten.“
„Wegen der Rösser. Außerdem hat Vater ihn abgelehnt.“
Einen Augenblick später sprang Waltrut auf, rannte davon, quer durch das dichte Gebüsch, ohne auf die Zweige zu achten, die ihre Haut zerkratzten, auf die Wiese hinaus in Richtung Utinga. Isanpert blieb zurück. Er beugte sich über den Bach, um sein Gesicht zu sehen. Die Wellen strömten munter über die Steine.
Es kam der Tag, an dem Uto beim Schmied in Ardinga den Sax abholen wollte. „Bring meinen Rappen und such dir ein Ross aus“, sagte er zu Isanpert. „Nimm, welches du möchtest.“
So kam es, dass Isanpert die Stute Wunniwint ritt, Waltruts bevorzugtes Pferd. Wunniwint hatte ein Fell in der Farbe sandiger Böden, einen dunklen Fleck auf der Nase und einen hellen Schwanz. Sie verstand, was er ihr mit dem Zügel und den Schenkeln befahl.
Uto fiel es auf. „Man muss gar keine Angst mehr haben, dass dich das Ross abwirft.“
„Es liegt an der Stute.“
„Solange du auf Utinga bist, kannst du auf ihr reiten, wann du willst. Ich werde es den Knechten sagen.“
„Aber es ist Waltruts …“
„Waltrut wird ein anderes Ross reiten.“
Der Schmied Lantfrid war keiner, der aus Strängen von Stahl und Eisen kunstvoll Schwerter fertigte, die durch jede Rüstung schnitten. Auch kamen aus seiner Werkstatt keine Gürtelschnallen von Gold und Bronze mit fadendünnen Zeichnungen darauf. Er schmiedete Nägel und Messer aus Eisen, einfache Waffen und Werkzeuge. Das war einträglich, denn von all dem brauchte jeder so viel, wie er sich leisten konnte. Lantfrid besaß den größten Hof von Ardinga, mit einem schmuckreichen Balken über dem Eingang und weiß gekalkten Häusern.
Isanpert sah ihn in einem Grubenhaus den Hammer schwingen, die Schlacke aus dem glühenden Metall austreiben, ihm die gewünschte Gestalt geben. Gehilfen und Knechte umstanden den Schmied. Einer reichte die Werkzeuge, zwei pressten mithilfe von Blasebälgen Luft in den Lehmofen, um die fürs Schmelzen des Eisens nötige Hitze zu erhalten. Andere kümmerten sich um den Nachschub an Holzkohle und Erz.
Das Eisenerz wurde in einem weiteren Ofen gewonnen, erklärte Uto, in einem anderen Grubenhaus. Isanpert hörte nur halb hin. Er ließ seine Blicke wandern. Er war neugierig auf die Augen, von denen Olko gesprochen hatte.
Als Lantfrid mit seinem Werk zufrieden war, schwitzend in den Nieselregen hinaustrat, benachrichtigte ihn ein Knecht von Utos Kommen. Er begrüßte die Besucher und führte sie in ein Haus, wo fertige Waren lagerten.
Isanpert sah Hammerköpfe und Nägel, Kellen und Kessel, Spatenblätter und Hakensicheln, Saxe mit scharfen Klingen und Ringe für Brünnen. Eine Schar Krieger hätte man ausstatten können. Lantfrid kannte die Waffen auseinander, die er geschmiedet hatte. Er griff nach einem bestimmten Sax und hielt ihn Uto entgegen.
In seiner Hand sah der Sax klein aus. Lantfrids Arm war so dick wie Isanperts Oberschenkel, die Waffe ein wenig kürzer als die meisten Schwerter. „Kommt mit nach draußen, damit ihr im Licht seht, wie glatt die Klinge ist.“, sagte er.
Sie stritten über den Preis. Der Schmied forderte mehr als vereinbart, da er mehr Arbeit gehabt habe und das Schwert besonders gut gelungen sei. Uto sagte, er werde im Gegenteil weniger zahlen als ausgemacht. Der Schmied habe Erz eingespart. Ein kleiner Sax könne nicht mehr kosten als ein großer.
Obwohl es nieselte, verhandelten sie im Hof. Lantfrid schwitzte und war froh, sich ein wenig abkühlen zu können. Uto machte es nichts aus, Isanpert aber schlüpfte wieder nach drinnen.
Er besah die fertigen Eisenwaren. So manches Stück wirkte trüb und grob. Es musste noch gefeilt und geputzt werden, bis es glänzte. Isanpert fuhr mit dem Finger darüber.
„Suchst du etwas?“
Das Mädchen konnte nur die Tochter des Schmiedes sein. Blaue Augen funkelten unter langen schwarzen Haaren.
„Ich habe noch nie so viel Eisen auf einmal gesehen“, sagte Isanpert.
„Fass es nur nicht an“, sagte das Mädchen.
„Lana!“, rief jemand von der Tür. Ein Bursche trat über die Schwelle, der vielleicht zwei Sommer älter als Isanpert war, aber selbstbewusst wie ein Zwanzigjähriger auftrat. „Wir brauchen mehr von den Pfeilspitzen. Dein Vater sagt, du sollst mir zwei Dutzend geben.“
„Schon wieder“, spottete das Mädchen. „Du scheinst ein trefflicher Bogenschütze zu sein, Balgo.“
Balgo rechtfertigte sich: „Biber sind schnell und geschickt. Und ich kann die Pfeile ja nicht zurückholen. Wenn ich ins Wasser wate, vertreibe ich die Biber.“
Die Schmiedetochter öffnete auf der Suche nach dem Gewünschten eine Kiste. Balgo trat dicht hinter sie, sah ihr über die Schulter. „Nicht so breite. Die schmalen sind die besten, sagt Liutker. Davon brauchen wir mehr. Wenn ihr neue macht, sollt ihr die Widerhaken weglassen. Sie reißen Löcher in den Pelz, wenn man sie herauszieht.“
Er legte eine Hand um den Leib des Mädchens. Sie wand sich heraus, die Hände voller Pfeilspitzen. „Er soll selbst herkommen, der Liutker“, sagte sie, „wenn er es besser als mein Vater weiß.“ Sie legte die Eisenspitzen auf eine Bank, um sie nach Größe aufzureihen. „Das sind die Einzigen, die wir haben! Und das sag Liutker: Zum Beweis seiner Geschicklichkeit soll er einmal ein paar Pelze mitbringen. Ich nähe mir daraus einen Umhang für die kalten Tage.“ Der Gedanke machte sie lachen.
Isanpert wandte sich an den Burschen. „Liutker? Dann bist du aus Altham?“
Der andere straffte sich. Er hatte struppige blonde Haare, ein breites Gesicht mit schmalen Augen. Die Arme stemmte er in die Hüften, so dass seine mehrteilige bronzene Gürtelschließe über dem sandfarbenen Kittel recht zur Geltung kam. „Ich bin Balgo, aus dem Gefolge des Liutker aus dem Geschlecht der Agilolfinga. Und wer bist du?“
„Der Bischof Alto hat mich auf den Namen Isanpert getauft. Ich bin der Sohn des Gudo und seines Weibs Ula. Gramlinga heißt unsere Hube. Sie liegt an der Straße von Frigisinga nach Augusta.“
„Von den Namen, die du da nennst, kenne ich nur einen, und das ist der von Alto“, sagte Balgo aus dem Gefolge Liutkers. „Aber ein Bischof ist er nicht. Ein Bischof gebietet über eine Burg, hinter deren Wällen hundert Männer leben.“
„Ein solcher Bischof ist Alto wirklich nicht“, sagte Isanpert nachdenklich.
„Nein, er ist ein Landstreicher wie du! Verstehst du, eine Waffe zu führen?“ Balgo nahm ein Sax von der Ablage.
„Leg das wieder hin“, rief Lana empört.
„Oder sind die Nägel mehr nach deinem Geschmack?“, spottete Balgo und legte das Schwert zurück.
„Wenn ich etwas aussuchen könnte, würde ich das Sech nehmen“, antwortete Isanpert ernst und wies auf ein längliches Stück Eisen von der Größe eines Unterarms. „Es würde das Pflügen erleichtern. Unseres habe ich aus Eichenholz gemacht. Es ritzt kaum die Erde.“
„Nur ein Faulpelz schiebt es auf die Pflugschar“, sagte Balgo.
„Keine Pflugschar! Eine Pflugschar sieht so aus.“ Isanpert legte die Hände zu einem V zusammen. „Eine eisenbeschlagene Schar haben wir. Das hier ist ein Pflugmesser, ein Sech. Siehst du den Unterschied nicht? Es sitzt eine Armspanne vor der Schar und reißt die Erde auf. So hat der Ochse weniger Mühe, der Boden kann tiefer gepflügt werden und in gerader Linie. Mit einem eisernen Sech könnten wir auf Gramlinga die Zahl der Felder verdoppeln und hätten bessere Ernten.“
Lana hatte in der Zwischenzeit die Pfeilspitzen fein säuberlich angeordnet. „Welche willst du jetzt?“
„Es ist schade ums Eisen, man kann Waffen draus schmieden“, sagte Balgo zu Isanpert. „Verdopple lieber die Zahl der Knechte, dann hast du auch mehr Ernte.“ Er wandte sich den Pfeilspitzen zu. Jede einzelne hob er hoch und prüfte ihre Spitze.
Er hatte einen stattlichen Haufen gebildet, als Lantfrid und Uto hereinkamen. Lantfrid wollte wissen, was Liutker für die Pfeilspitzen gebe. Das Silber, das er ihm gebracht habe, und das Versprechen eines einzigen Pelzes seien längst nicht genug. Allein das Erz koste ja mehr.
Isanpert sah Lana nach, die gegangen war, die Hühner zu füttern. Da ihn hier niemand zu benötigen schien, ging auch er nach draußen, ums Haus herum, die Hühner suchen.
Die Schmiedetochter stand inmitten gackernden Geflügels. Sie hatten Hühner, Gänse und Enten. Hungrige Schnäbel pickten nach den Speiseresten, die Lana in einem Eimer mitgebracht hatte. Isanpert sah ihr zu, wie sie auf die Unterseite des Holzbodens trommelte, um letzte Reste zu lösen. Sie hatte Kraft in den Armen, aber sie sah schmal und biegsam aus, gar nicht wie eine Schmiedetochter.
Als sie Isanpert sah, lachte sie.
„Sie haben mich vor dir gewarnt“, sagte er, weil ihm nichts anderes einfiel, „Ich weiß gar nicht warum.“ Da lachte sie noch mehr. Isanpert wusste nicht recht, ob sie ihn anlachte oder auslachte. Er wusste auch nicht, was er noch sagen sollte.
„Warum trägst du die Haare so kurz?“, fragte sie. „Du siehst aus wie ein Knecht, der die Schweine hütet.“
„Ich werde ein Krieger sein, mit langen Haaren. Im nächsten Jahr erkennst du mich nicht wieder.“
„Vielleicht“, sagte sie, „aber jetzt muss ich das Nachtmahl vorbereiten.“
Isanpert sah ihr nach, bis sie, den leeren Eimer schlenkernd, außer Sichtweite war. Erst dann machte er sich auf, in Richtung des Lagerhauses, wo er seinen Vater und den Schmied vermutete.
Jemand stieß ihn von hinten. Es war Balgo.
Balgo, der Gefolgsmann des Liutker aus Altham, drosch mit den Fäusten auf Isanpert los. Nach den ersten Treffern zischte er: „Lass die Finger von ihr, du Hüterbub! Sie gehört mir.“ Isanpert versuchte, etwas zu sagen, aber Balgo schlug ihm umso fester ins Gesicht. „Kümmere dich um deinen Pflug und die Ochsen, aber bleib weg von ihr. Komm mir nicht in die Quere!“
Dann ließ er ab. Isanpert wischte sich Blut aus dem Mundwinkel und heimlich eine Träne vom Gesicht. Als ihn Uto später auf Kratzer und Schwellungen ansprach, sagte er, er sei mit dem Kopf gegen einen überhängenden Ast gestoßen.
Uto und der Schmied waren sich einig geworden. Der Schmied sollte ein gutes Ross bekommen, einen echten Renner. Uto erhielt als Draufgabe ein Messer, in dessen Griff ein grüner Glasstein eingearbeitet war. Im Feuer der Schmiede funkelte er schwach. „Im Sonnenlicht sieht es herrlich aus“, behauptete der Schmied und sah zum Himmel. Die Sonne zeigte sich nicht. „Morgen vielleicht.“
Bevor Uto sich auf sein Ross schwang, reichte er Isanpert das Messer. „Pass gut darauf auf. Den Sax bekommst du als mein Gefolgsmann, aber das Messer gebe ich dir als meinem Sohn.“