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ОглавлениеWie Isanpert nicht zu Wort kam
Graf Cotapert war alt geworden, sagten die Männer. Er hielt sich aufrecht mit Hilfe eines langen Speers, einer Lancea, die er immer bei sich hatte. Sein Bart war grau, die Haare auch, nur die Augenbrauen hatten ihre schwarze Farbe behalten. Weit über vierzig Ernten hatte er einfahren gesehen.
Die Sommer hatte er freilich nicht mit Feldarbeit, sondern im Sattel verbracht. Er war schon mit den Herzögen Hucpert und Grimoalt geritten. Er brüstete sich, sie vor Fehlern bewahrt zu haben, die sie das Wohlwollen der Männer des Stammes gekostet hätten. Jetzt stand er Otilo in gleicher Weise zur Seite.
Im Sattel saß Cotapert noch fest, aber das Kämpfen überließ er den Jüngeren. Sein Sohn Hucwalt tat sich auf dem Schlachtfeld hervor. Mit Ehrfurcht sahen die Männer auf Hucwalts dicke Arme, wenn er das Schwert schwang. Hinter seinem Rücken spotteten sie: Einen Stammhalter brachte dieser Hucwalt nicht zustande.
Keiner von Cotaperts Söhnen hatte einen Sohn. Der alte Graf litt darunter. „Einen Enkel mit meiner Nase“, sagte er einmal, als er an der Tafel des Dux mit den ersten Männern des Stammes zusammensaß, „würde ich gern heranwachsen sehen.“
Die Mohingara waren für ihre Nasen bekannt. Lang und schmal wie sein Speer war Cotapert Nase. Kurz über dem Mund endete sie spitz. Genauso Martilos, trotz dessen Kleinwüchsigkeit, und auch Fritilos. Nur Hucwalts Nase war seit einer Rauferei krumm.
Streng wie diese Nase war Cotapert und überaus gottesfürchtig. Er hatte in seinen Siedlungen Kirchen bauen und Priester ausbilden lassen, damit seine Männer und Knechte fromm leben und dereinst ins Himmelreich kommen konnten. Dort würde er sie wiedertreffen, hoffte er, denn auf der Gebetsliste seiner Kirchen stand er weit vorne. Er hatte sogar an erster Stelle gestanden, bis jüngst, da der neue Bischof Joseppus es verbot, den Stifter vor dem Papst und dem Dux zu nennen.
Seine Kirche zu Mohinga widmete Cotapert, der als Graf in seinem Gau stellvertretend für den Dux das Recht sprach, dem Heiligen Petrus, dem himmlischen Richter. Für die Kirchenstiftung zu Piparpah aber wählte er den Heiligen Martinus Turonensis als Beschützer. Das gefiel nicht jedem unter Otilos Männern. Dieser Heilige hatte mit seiner Wunderkraft die Franken zum ersten der Stämme gemacht, sie vor die Baiuwaren gesetzt.
Cotapert hielt es mit den Starken. Oft war er am fränkischen Hof gewesen. Manche alten Männer wussten noch zu erzählen, dass er einst nach der Hand einer Schwestertochter der Haushofmeister gestrebt hatte, einer gewissen Adalgundis. Der Dux und Hausmeier Karl, der Sieger über die Mauren, sei seiner Werbung zunächst gewogen gewesen. Am Ende wurde nichts daraus.
Auch Cotaperts Söhne verbrachten Jahre an fränkischen Pfalzen, wo ein Haushofmeister für einen Schattenkönig herrschte. Hucwalt wäre ohne fränkische Lehrmeister, ohne seine von Franken geschmiedete Spatha nicht der erste der Stammeskrieger geworden. Martilo lernte im Westen das Handwerk, Schmuck aus leuchtendem Gold zu formen. Und Cotaperts jüngster Sohn Fritilo, den der fromme Eifer des Vaters zu einer Kirchenlaufbahn bestimmt hatte, war am Kloster Gemedico in die Geheimnisse der Sakramente ebenso wie der lateinischen Grammatik eingeweiht worden, bevor er zurückkehrte, um Kirchengut an Ambra und Isura zu verwalten.
Mohinga an der Ambra war eine von zwei Siedlungen, die Cotaperts Sippe selbst bewohnte. Den Fluss setzte man dem Namen hinzu, um es von dem anderen Mohinga zu unterscheiden, das sich auf dem Feld befand. So hieß die leicht zu bewirtschaftende Ebene zwischen den Bergen und dem Wald.
Feld-Mohinga war reich und ruhig. Cotaperts jüngerer Bruder Ruodpert mehrte dort mit Geschick die Erträge. Die Siedlung an der Ambra hingegen stand für Unwägbarkeiten und Gefahren. Von hier aus konnte man dem Wald neues Land abgewinnen, Männer ansiedeln, seinen Reichtum mehren. Hier gab es schwere Arbeit für die starken Arme der fremden Knechte, die früher Cotapert und jetzt Hucwalt jährlich vom Sommerfeldzug mitbrachte. Von hier aus konnten die Mohingara ihre zahlreichen Huben und Dörfer an Ambra, Clana und Ilma beaufsichtigen. Dieses Mohinga lag auf dem ersten sanften Hügel am Rand der fruchtbaren Ebene vor einer dunklen Wand aus Bäumen.
Als Isanpert den Ort erreichte, hatte die Morgensonne noch längst nicht alle Nebelfetzen vertrieben. Er wusste, Gudo kam bisweilen hierher, um Geschäfte zu machen. Wie alle Grafen, die Dux Otilo nach fränkischem Vorbild eingesetzt hatte, sprach Cotapert im Lauf des Jahres an unterschiedlichen Orten seines Gebiets das Recht. Mohinga an der Ambra war einer davon. Der Gerichtstag verband sich mit dem größten Markt der Gegend. Es wurde gehandelt, getauscht, gekauft und verkauft, was sich einer nur wünschen konnte. Salz und Tonwaren gab es, auch Vieh und Pferde, zahme Vögel, schöne Mägde und kräftige Knechte aus allen Heidenstämmen. Die Leute kamen zu diesem Anlass nicht nur aus sämtlichen Rodungsorten der Gegend, sondern selbst aus Augusta Vindelicum herbei.
Mohinga war durch ein hohes Pfahlwerk gegen Feinde und wilde Tiere geschützt. Das Tor zur Siedlung stand offen, wie es tagsüber der Brauch war, wenn man nicht gerade Feinde in der Nähe vermutete. Allerdings verwunderte es Isanpert, dass kein Wächter ein Auge darauf hatte.
Unbehelligt trat er hindurch und ließ seinen Blick über die Gebäude wandern. Neben Wohnhäusern für den Herrn, seine Männer und das Gesinde machte er ein Webhaus ebenso aus wie eine Schreinerwerkstatt. In beiden wurde gearbeitet. Auch im Hof sah er Männer und Weiber schnitzen, waschen, Latten sägen, Teig kneten, Windeln wechseln, Kinder schlagen, Leinen falten.
Etliche Bewaffnete standen müßig vor dem größten der Häuser. Isanpert entdeckte Tassilo, den jungen Sohn des Dux. Seine Leute bewachten ihn, schienen ihm aber wenig zu sagen zu haben. Ihre Blicke begegneten sich. Isanpert nickte. Tassilo lächelte.
Tassilos Vater, Dux Otilo, war nirgends zu sehen, ebenso wenig wie Uto. Auch Hucwalt erblickte Isanpert in keinem der Kreise, die auf dem Hof zusammenstanden.
Nun eilte doch noch ein Torwächter heran. Es war ein vernarbter Krieger, dem einige Zähne fehlten. Ein Schneidezahn ragte umso mächtiger auf. Lebhaft schwenkte er im Gehen den Arm. Bevor Isanpert den Sinn der Bewegung recht erfasste, hörte er ein Bellen hinter sich. Im nächsten Augenblick stieß ihn etwas um. Er fiel mit dem Gesicht voran zu Boden. Schnell rollte er sich auf den Rücken. Ein großer, grauer Hund stand hechelnd über ihm, entblößte die Zähne über seiner Kehle.
„Lass ab, Faho“, rief der Mann. „Es ist gut!“
Der Hund Faho ließ ab. Der Torwächter blieb stehen und sah zu, wie Isanpert sich aufrappelte.
Isanpert klopfte seine Kleidung ab. „Mein Name ist Isanpert, ich bin von Gramlinga und suche Dux Otilo.“
Der Mann verschränkte die Arme vor der Brust. „Der Dux ist nicht hier.“
„Aber … wollte er nicht den Gefangenen verhören?“
„Das überlässt der Dux dem Grafen. Er ist im Morgengrauen mit seinen Männern aufgebrochen.“
Isanpert erschrak. „Ist Uto noch da, der Otilos Reiter führt?“
„Was willst du von ihm?“, fragte der Torwächter misstrauisch.
„Ich bin sein Mann, ich lebe auf einer seiner Huben“, sagte Isanpert vorsichtig. „Ich muss ihn sprechen.“
Der Wächter packte Isanpert am Arm und führte ihn zu einer Gruppe mit vier Männern um den kleingewachsenen Martilo. Ihm meldete er Isanperts Ankunft.
„Ich habe alles gesehen, Ortwalt“, sagte Martilo, den Blick auf Isanpert geheftet. „Ein Glück, dass wir den Hund haben, sonst säße bald dieser Filipert unerkannt an unserer Tafel.“
Der Mann Ortwalt murmelte eine Ausflucht. Martilo gab ihm einen Wink. „Du kannst ihn loslassen. Ich kenne ihn.“
Isanpert sprach den Wunsch aus, so bald wie möglich mit Uto zu sprechen. „Wir warten alle auf ihn“, entgegnete Martilo. „Auf ihn und meinen Vater. Sie werden den Gefangenen verhören. Augenblicklich beraten sie sich in der Halle.“
Er wandte sich ab. Isanpert versuchte, dem Gespräch zu folgen und sich zusammenzureimen, wer diese Männer waren: nämlich Liutker, der junge Krieger mit den braunen Locken, der vor Gramlinga mit dem Dux gescherzt hatte, dann der hellblonde Otker von Riharteshusir aus der Sippe der Huosi, der für Isanpert nur einen abfälligen Blick übrig hatte, und schließlich ein dicker Mann namens Dagoprant, der ein Hemd von so gelb leuchtender Farbe trug wie die Bienen und die Sonnenblumen. Er bewegte heftig die Arme, wenn er sprach.
Martilo, Otker und Liutker waren in Otilos Gefolge gegen den Räuber Filipert und seine Männer geritten, nicht jedoch der dicke Dagoprant, der genau wissen wollte, was sie gesehen hatten. „Liutker war es also, der den Späher auf dem Baum entdeckte. Und einige Dutzend Schritte weiter habt ihr ein Lager gefunden, ein verlassenes Lager.“
„Aus der Glut stieg noch Rauch auf. Jemand hatte sie mit Gras erstickt“, ergänzte Otker.
Dagoprant nickte. „Das Lager war nicht weit von dem Baum, auf dem dieser Mann saß und Ausschau hielt. Er war ihr Späher.“
„Das ist nicht gewiss“, warf Martilo ein.
Otker lachte abfällig.
„Er bestreitet es“, sagte Liutker. „Er behauptet, er sei aus Angst vor den Räubern auf den Baum gestiegen, um sich dort zu verstecken.“
„Ich habe nicht gehört, dass er sie gewarnt hätte“, sagte Martilo.
Liutker wandte ein, er habe vielleicht gewinkt oder einen Stock geworfen. Otker gab ihm recht.
Dagoprant schüttelte den Kopf. „Mit euren Waffen versteht ihr herumzufuchteln. Und Liutker hat gute Augen. Aber denkt nach. Es gab eine einfachere Möglichkeit.“ Er wandte sich an Isanpert. „Du siehst aus, als könntest du helfen. Weißt du, wie ein Mann von einem Baum aus seine Gefährten vor anrückenden Feinden warnt? Ein Mann, der im Wald aufgewachsen ist?“
„Das kann dir sogar meine kleine Schwester erklären“, sagte Isanpert. Und er hielt sich die gefalteten Hände vor den Mund.
Dagoprant nickte. „Du verstehst mich. Lass es für jetzt gut sein. Aber ich brauche dich im Verhör. Setz dich hinter mich. Ich gebe dir dann ein Zeichen.“
„Cotapert wird den Späher schon zum Reden bringen“, sagte Otker, der Isanpert keines Blickes würdigte. „Mit Hucwalts Hilfe.“
„Der Dux befiehlt, dass sein Leib unbeschadet bleibe“, widersprach Liutker. „Wo ist Hucwalt überhaupt?“
Martilo wusste es. Hucwalt war im Morgengrauen ausgeritten, auf der Suche nach seinem Bruder Fritilo. Der war seit dem Heereszug verschwunden.
„Verschwunden? Das wird eine seiner Liebschaften sein“, sagte der Dicke. „Hucwalt wird ihn mit einer Magd im Heu finden.“
Das ärgerte Martilo. „Rede nicht so von meiner Sippe, Dagoprant. Noch dazu vor Fremden. Ist das der Dank dafür, dass du schon so lange Zeit unser Bier trinkst?“
„Bald werde ich euch nicht mehr zur Last fallen“, sagte der Dicke. „Ich war wirklich lange hier.“
„Wie ging es dann weiter mit dem Späher auf dem Baum?“, fragte Isanpert. „Was ist mit den anderen Räubern geschehen?“
„Ah, du kennst die Geschichte nicht?“ Dagoprant leckte sich die Lippen. „Hör zu …“
„Lass mich erzählen“, unterbrach Otker. „Ich war dabei.“
„Du hast es gesehen, aber erzählen kannst du es nicht“, sagte Dagoprant. Er hatte eine sanfte, brummige Stimme, der jeder gern lauschte. Otker stieg der Zorn ins Gesicht. Liutker beruhigte ihn und sagte, es sei besser, Dagoprant reden zu lassen, das werde er gleich merken.
„Du musst wissen, Isanpert“, fing Dagoprant an, „dass es nicht leicht ist, Räuber im Wald zu fassen zu bekommen. Sie sind schnell zu Fuß und kennen die Wege. Otilos Männer kamen schwer gerüstet. Leder und Eisen schützen gegen Pfeile aus dem Hinterhalt, aber sie machen langsam. Ihre Pferde mussten sie zurücklassen. Da sie in breiter Reihe die Gegend durchkämmten, wo sie die Übelmänner vermuteten, konnten sie nicht leise gehen. Jeder versuchte, seine Nachbarn im Blick zu behalten. Aber wehe, ein Hindernis trennte sie. Dann mussten sie sich durch Zurufe verständigen. Fünf Dutzend Mann stolperten rufend durch den Wald.“
„So war es nicht“, widersprach Otker, der sich in seiner Kriegerehre getroffen fühlte.
„Doch“, sagte Liutker, „genau so war es.“
Dagoprant fuhr unbeirrt fort: „Die Richtung hatte ihnen ein alter Mann vorgegeben. Er war auf dem Weg zur Mühle gewesen und behauptete, mit seinen von den Jahren getrübten Augen Fremde am Waldrand erspäht zu haben. Otilo glaubte ihm. Er behielt recht.
Kennst du Liutker? Sieh ihn dir an! Ein Draufgänger ist er, mit Augen wie ein Falke. Hoch im Wipfel einer Rotbuche erspähte er einen Mann. Liutker blieb ruhig. Er starrte nicht hinauf, er rief nichts, wies nicht mit dem Finger und ließ den Mann nicht merken, dass er ihn gesehen hatte. Er sprach leise mit Otilo, und als sie wie zufällig an der Rotbuche vorbeikamen, bezog Liutker mit einigen Kriegern darunter Stellung.
Die anderen Männer hieß Otilo ausschwärmen. Hundert Schritte weiter stießen sie auf ein Lager. Die Glut der Feuerstelle war mit Gras erstickt worden. Ein weißer Rauchfaden kroch hervor. Hier war eben noch jemand gewesen.
Die Spuren der Flüchtigen trennten sich, sie verliefen auf sandigen Böden oder verschwanden in undurchdringlichen Dornenhecken. Vergeblich suchten Otilos Männer.
Um wenigstens den Mann auf dem Baum gefangen zu setzen, mussten sie ihn mit Pfeilen und auch mit Axtschlägen gegen den Stamm zum Herabsteigen überreden. Er behauptete, er sei zufällig in diesem Teil des Waldes unterwegs gewesen. Als die Räuber kamen, sei er aus Angst auf den Baum geklettert. An der Aussprache des Diutisk hörten sie, dass er kein Fremder war, sondern ein Baiuware wie sie.
Der Bursche schwor, er habe nichts Böses getan. Hucwalt wollte ihm die Nase abschneiden, um ihn zum Reden zu bringen. Otilo beschloss, ihn mitzunehmen und später gründlich zu befragen.
Da am westlichen Himmel bereits ein roter Schimmer zwischen den Bäumen zu erahnen war, entfachten die Männer die Glut zu einem großen Feuer. Sie holten die Pferde herbei und verbrachten die Nacht dort, wo es sich die Gesuchten gemütlich hatten machen wollen.
Am nächsten Tag führte der Dux seine Männer ostwärts, wie er es versprochen hatte, zurück zu ihren Sippen und Äckern und Viehherden, zur Ernte, die eingebracht, in die heimischen Wälder, die als Wintervorrat abgeholzt werden mussten.
Sie hatten Frigisinga noch nicht erreicht, da trat ihnen ein Bote entgegen. Der Bischof der Burg Batava sandte nach dem Dux mit der Bitte, einen Streit um eine Kirche zu schlichten. Also eilte Otilo nach Osten. Die Befragung des Gefangenen übertrug er seinen Männern, die du hier versammelt siehst.“
Dagoprant verstummte. „Siehst du“, sagte Liutker zu Otker.
„Wie kannst du so darüber sprechen“, fragte Otker, „wenn du es nicht gesehen hast?“
„Ich habe euch zugehört“, sagte Dagoprant. „Den einen höre ich zu und den anderen erzähle ich, was gesagt wurde. Männer auf ewig zum Schweigen zu bringen, das ist nichts für mich. Ich lausche ihnen lieber, oder ich lasse mich zu einem Mahl einladen und singe ihnen vor.“
„Du hast es erzählt wie eine alte Heldengeschichte, dabei ist es erst gestern geschehen“, sagte Liutker.
„Ob alt oder neu, das macht keinen Unterschied. Vor Troia damals oder bei Kudruns Brautnacht war ich auch nicht dabei, und doch kann ich euch alles darüber berichten.“
Isanpert bewegte ungeduldig die Füße. Uto war nicht zu sehen, und dann strich auch noch der große Hund um ihn herum. Das Tier schnupperte an der Gürteltasche, die nach Essen roch, weil es Isanperts Gewohnheit war, stets ein Stück Brot oder Fleisch mit sich zu führen.
Dagoprant sah seine Not. „Das ist eine bissige Bestie, die sie für die Bärenhatz einsetzen. Mit Wildschweinen nimmt er es auch auf. Einmal hat Hucwalt einen Eber mit dem Speer verfehlt, da hat ihm der Hund die Haut gerettet.“
„Das war ein Frischling“, sagte Martilo. „Weil er so klein war, hat Hucwalt ihn verfehlt.“ Auf den Gedanken, den Hund wegzuschicken, kam er nicht.
Endlich trat Uto aus dem größten der Häuser von Mohinga, in Begleitung von Cotapert, dem er in irgendeiner Sache mit erhobener Hand widersprach. Sie waren selten einer Meinung.
Utos Namen rufend eilte Isanpert hin. Er war froh, dem Hund zu entkommen. Dass er Cotapert mitten in einem Satz unterbrach, merkte er nicht.
Der Graf hielt inne, stützte sich auf seine Lanze und kniff missbilligend ein Auge zusammen. Zu Uto sagte er: „Hat dieser Kerl nicht gelernt, wann er reden und wann er schweigen muss?“
„Leider nicht“, sagte Uto.
Cotapert strich sich über den grauen Bart und schlug Prügel als Maßnahme vor, brach die Rede jedoch ab, als er einen Reiter im Tor sah. Hucwalt kehrte von seiner Suche zurück.
Seinen Bruder Fritilo hatte Hucwalt nicht gefunden, obwohl er eine gute Strecke geritten war, wie er seinen Verwandten zurief. Diesmal lachte er nicht, hatte vielmehr eine tiefe Falte auf der Stirn. Während er der Aufforderung seines Vaters folgte, zur Halle zu kommen, rieb ein Knecht das Ross trocken.
Isanpert nutzte die Unterbrechung, um Uto zu sagen, er habe eine dringende Nachricht von Gudo. Uto erschrak. „Es ist hoffentlich niemand gestorben?“
„Gestorben?“ Isanpert schwankte. Hucwalt und Cotapert standen zwei Schritte entfernt. „An der Krankheit? Nein ... die Übelkeit ist abgeklungen. Es geht ihnen wieder ganz gut … und Mutter … liegt im Bett und ruht sich aus.“
„Dann bin ich beruhigt“, sagte Uto. „Über das andere werden wir nachher sprechen.“ Er legte Isanpert die Hand auf die Schulter. Aus wolkenverhangenem Himmel fielen die ersten Tropfen Regen. „Du wartest auf mich. Wenn du dich dort in dem Schuppen unterstellst, wirst du niemanden stören.“
„Entschuldige, Uto.“ Dagoprant wedelte mit den Händen. „Ich habe Isanpert erlaubt, der Versammlung beizuwohnen. Zwing mich bitte nicht, mein Versprechen zu brechen.“
„Seit wann entscheidest du auf Mohinga, Dagoprant?“, fragte Uto scharf.
„Oh, ich gebe nur Rat.“ Dagoprant hob die Hände ein Stück höher. „Er wird still in der hintersten Reihe hocken.“
„Still? Du kennst ihn nicht.“
„Er hat es mir versprochen. Er macht keinen Laut, wenn ich ihn nicht dazu auffordere.“
Drinnen wartete ein Dutzend Männer auf sie. Uto nickte grimmig. Isanpert schlüpfte als Letzter in die Versammlung hinein.