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Die peregrinatio der pauperes

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Eine Schlüsselrolle in der Entstehung der Kreuzfahrerbewegung wird traditionell dem im Dunkel bleibenden Petrus von Amiens zugesprochen, auch genannt Petrus der Einsiedler. Er ist eine historische Figur, die jedoch schnell von Legenden umrankt wurde, weshalb das tatsächliche Gewicht seines Beitrags nicht leicht zu bestimmen ist. Petrus war ein Wanderprediger, ein propheta, wie man damals sagte. Wir wissen nicht, welche Rolle er im Schoß der Kirche spielte, es lässt sich nicht einmal ausschließen, dass er gar Laie war. In jedem Fall stand er in einem gewissen Ruf der Heiligkeit, weil er schon einige Zeit zuvor als Initiator einer Heilsbewegung in Erscheinung getreten war. Diese hatte sich neben anderen Zielen die Erlösung jener Frauen auf die Fahnen geschrieben, die durch die Verurteilung des Nikolaitismus, also der Übertretung des geistlichen Zölibats, jegliche Achtung in der Gesellschaft verloren hatten und ins Elend gestürzt waren. Es ist kein Zufall, dass zu seiner Anhängerschaft eine ganze Schar von mulierculae zählte.


Gédéon de Forceville, Petrus der Einsiedler, 1854, Amiens, Place Saint-Michel.

Gegen Ende des Jahres 1095 begann Petrus, auf dem Rücken eines Esels umherzuziehen und von der Notwenigkeit einer Bußpilgerfahrt zu predigen. Zunächst in Berry, unweit von Clermont, dann im Umland von Orléans, von wo er in Richtung Champagne und Lothringen weiterzog, dicht bevölkerte, von sozialen Gegensätzen geprägte Gebiete, die noch dazu eine schwere Hungersnot hinter sich hatten und mit den Folgen einer Mutterkornepidemie kämpften, die weite Teile Nordeuropas heimgesucht hatte. Am Karsamstag des folgenden Jahres predigte er in Köln, wo zu Ostern ein weithin bekannter Jahrmarkt stattfand. Weder der Zeitpunkt – das Fest der Auferstehung war der perfekte Moment, um über Jerusalem zu sprechen – noch der Ort waren schlecht gewählt. In Köln war es 1074 nach einem Aufstand gegen den Erzbischof, der gleichzeitig der weltliche Herr der Stadt war, zu Ansätzen einer städtischen Selbstverwaltung gekommen, welcher Funke auch auf andere Städte am Rhein übersprang. In diesem Klima fand Petrus bald Nachahmer und Anhänger. Unter den vielen befanden sich ein deutscher Priester namens Gottschalk und ein kampferprobter Ritter aus dem Burgund, Gautier, genannt »Sans-Avoir«, Walter »ohne Habe« also. Das bezog sich auf seinen Besitzstand, mit ziemlicher Sicherheit aber auch auf die Beweggründe für seinen Enthusiasmus. Die Propaganda war simpel, aber wirksam. Sie bestand aus der Beschreibung der heiligen Stätten und der von den Pilgern erlittenen Qualen, der Bekundung von Abscheu für die Sarazenen gefolgt von Abscheu für die Juden als »Feinde Jesu«, dem Herzeigen von Reliquien und auch von Briefen (den berühmten excitatoria), die der allgemeinen Vorstellung nach von bedeutenden Persönlichkeiten der Gegenwart oder der Vergangenheit geschrieben, wenn nicht gar vom Himmel gefallen oder von himmlischen Boten irgendeinem Pilger überbracht worden waren, und vor allem aus dem Heraufbeschwören von Jerusalem, der terra promissionis. Gemeint war nicht nur die irdische, geschichtlich wie geographisch fest verortete Stadt, sondern das himmlische Jerusalem: das Jerusalem der Apokalypse, die Hauptstadt des kommenden Gottesreiches, das äußerste Ziel dieses Jahrtausends nach dem Erscheinen des Antichrist. Fatalerweise nahm das Jerusalem, zu dem die Menschen aufgefordert waren ihre Schritte zu lenken, immer mehr die Konturen jenes zweiten an, wodurch die Pilgerreise sich zu einer Rückkehr in das »Haus des Herrn« wandelte.

Eine Botschaft dieser Art, so konfus sie verpackt war, besaß eine ungeheure evokative Kraft. Alle hörten sie zu: der Ausschuss der Feudalhierarchie, jene besitzlosen Ritter, die sich erfolglos in den Kämpfen der großen Herren engagiert hatten; die Kleriker und religiösen Aufwiegler, die bis vor wenigen Jahren die Menschen in ganz Europa gegen korrupte Bischöfe, gegen den simonistischen, im Konkubinat lebenden Klerus und gegen Adlige, die sich der treuga Dei verweigerten, aufgebracht hatten und die sich nun im Schatten einer Amtskirche zurückgestoßen sahen, die eine Ordnung herzustellen entschlossen war, die sich starr an den päpstlichen Dekreten orientierte und weit entfernt war von den in den Jahren des Kampfes in Rückbesinnung auf das Evangelium errungenen Freiheiten; die Schwachen, die daran gewöhnt waren, von Ort zu Ort zu ziehen auf der Suche nach Land, das sie bestellen, oder Arbeit, die sie in den Werkstätten der Städte verrichten konnten. 1077 war es in Cambrai unter der Führung des Priesters Ramihrdus zu einem Aufstand der Weber gegen den der Simonie beschuldigten Bischof gekommen; in Flandern hatte der berühmte Tanchelm mit seinen Predigten gegen den Reichtum und die Raffgier der Prälaten den Funken zu einer Rebellion gezündet. Die Nachwirkungen dieser verworrenen gesellschaftlichen Turbulenzen fanden nun im Bußaufruf des Papstes, den Petrus und andere Prediger aufgriffen und modifizierten, ein geeignetes Ventil. Es waren folglich die Mittellosen, die sich dem iter anschlossen, Männer, Frauen und Kinder, die gewohnt waren, bettelnd umherzuziehen, und für die die Wanderschaft zur Lebenswirklichkeit gehörte; es waren Bauern, die sich in die Städte geflüchtet hatten, um den feudalen Pflichten zu entkommen, denen es jedoch nicht immer gelang, sich erfolgreich in das städtische Umfeld zu integrieren; es waren die Hoffnungslosen, die Ausgestoßenen der Gesellschaft, die es nach ewigem Lohn dürstete. Aber auch eine ansehnliche Zahl von Rittern aus dem niederen Adel war unter ihnen, willens, sich zu Paladinen dieses unerfahrenen Gesindels zu machen und Ruhm und Ehre zu erlangen, und etwas Wohlstand vielleicht auch.


Petrus der Einsiedler an der Spitze einer Gruppe von Kreuzfahrern, Miniatur aus den Pasazia et auxilia terre sancte (provenzalischer Auszug aus der Chronologia magna von Paolinus Venetus, 14. Jh.).

Die ersten Gruppen machten sich Mitte April kurz nach dem Osterfest 1096 auf den Weg, lange vor den Mächtigen, die noch dabei waren, sich zu organisieren. Sie brachen in Wellen auf, ohne die geringste Koordination. Die meisten davon lösten sich – oft unter tragischen Umständen – wieder auf, nachdem sie in losen Verbünden durch die Flusstäler von Rhein und Donau gezogen waren, wobei sie auf ihrem Weg das umliegende Land plünderten, über die Städte hereinfielen und insbesondere die jüdischen Gemeinden in Rouen, Speyer, Worms, Mainz und Köln niedermetzelten – über die Kölner Juden kam das Unheil am 29. Mai. Das geschah trotz des von den Bischöfen vielerorts gewährten Schutzes (häufig nach Zahlung stattlicher Summen Geld). Prälaten, die sich diesen Grausamkeiten entgegenstellten, wurden ihrerseits Opfer von Angriffen. Äußerliche Ähnlichkeiten haben dazu verleitet, diese Gewaltausbrüche mit den Jacquerien zu vergleichen, den bewaffneten Revolten der Bauern, die sich im Frankreich des 14. Jahrhunderts gegen die Adeligen und die Städte richteten. Während jedoch in den Jacquerien die antibürgerlichen und antifeudalen Züge überwiegen, zielten die Aktionen des »Volkskreuzzuges« fast ausschließlich auf den hohen Klerus und die Juden als die Geldverleiher der Bischöfe. Unmöglich konnten die von diesen befremdlichen Pilgern verübten Massaker – die Voltaires Sicht der Kreuzzüge als Sammelbecken für das europäische Verbrechertum rechtfertigen –, die sich auf ungarischem Gebiet wiederholten, von den christlichen Fürsten geduldet werden. Tatsächlich antworteten sie mit Gewalt. Die Wenigen, die – zwischen Juli und August 1096 – Konstantinopel erreichten, ließ man eilig in türkisches Territorium passieren und in ein befestigtes Lager bei Civetot umleiten, das noch in griechischer Hand war. Das Warten war nervenzehrend. Die Abwesenheit ihres Anführers Petrus ausnutzend, der nach Konstantinopel zurückgekehrt war, um zusätzliche Vorräte zu beschaffen, wurde beschlossen, auf freiem Feld den Kampf gegen die Armee von Kılıç Arslan zu suchen, dem türkischen Sultan von Iconium (Konya), der sich der Horde armseliger christlicher Streiter inzwischen genähert hatte. Die Türken hieben die Angreifer, denen sie bis in die Lagerfeste nachjagten, buchstäblich in Stücke. Nur die jungen und wohlgestalten verschonten sie, um sie in die Sklaverei zu verkaufen. Alte, Kranke, Frauen und Kinder fielen durch das Schwert. Petrus von Amiens hielt es für das Beste, auf die fürstlichen Streitkräfte zu warten. Die Unternehmung hatte auf die denkbar schlechteste Weise begonnen.


Petrus der Einsiedler und der Kreuzzug der Armen im Jahr 1096, Miniatur von Jean Colombe, aus: Sébastien Mamerot, Les Passages d’outremer, um 1474, Paris, Bibliothèque nationale de France.

Die große Geschichte der Kreuzzüge

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