Читать книгу Die große Geschichte der Kreuzzüge - Franco Cardini - Страница 32
Die Ritterorden
ОглавлениеDie Gründung der nach ihrem ersten Sitz, dem Hospital San Giovanni Elemosiniere (Johannes der Almosengeber) in Amalfi, benannten Johanniter (auch: Hospitaliter) stellte noch keine wirkliche Neuheit dar. Die Ordensmitglieder verpflichteten sich durch ein Gelübde dazu, den Pilgern Beistand und Führung zu gewähren. Sie waren dem Papst zu Gehorsam verpflichtet. Dem Orden gehörte außerdem eine Gruppe von Rittern an, die sich durch ein Gelübde zu Keuschheit, Gehorsam und persönlicher Armut verpflichteten. Ihre Aufgabe war es, die Pilgerwege auch unter Einsatz von Waffengewalt zu sichern. Der Wandel hin zu einer – neben der traditionellen karitativen Mission – stärker militärischen Berufung vollzog sich zu Beginn des dritten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts unter dem zweiten Meister des Ordens, Raimund von Puy. Zur gleichen Zeit wurde auch der frühere Schutzpatron Johannes der Almosengeber durch den heiligen Johannes den Täufer ersetzt. Ihre kriegerischen Aufgaben unterschieden die Johanniter von anderen Hospitalorden wie dem Orden des heiligen Lazarus, der unmittelbar nach der Eroberung Jerusalems im Heiligen Land gegründet worden war und mit seinem Auftrag der Aufnahme und Pflege von Aussätzigen rein karitativ tätig war. Im Gegensatz zu den Johannitern wurden die Templer, salopp gesprochen, bereits mit der Waffe in der Hand geboren. Um 1120 erhielt Hugo von Payns, ein Ritter aus der Champagne, über den wenig bekannt ist, von König Balduin einen Flügel in der vormaligen Al-Aqṣā-Moschee, von der man glaubte, dass sie auf den Fundamenten des salomonischen Tempels (sprich Palastes) erbaut worden sei. Der Trakt sollte zur Unterbringung der Angehörigen einer Bruderschaft mit starkem Bußcharakter dienen, deren Aufgabe es war, den Weg von der Küste nach Jerusalem frei von Gefahren zu halten. Dies war die Keimzelle des künftigen Ordens, der aufgrund seines ursprünglichen Sitzes den Namen »Templer« erhielt: die pauperes commilitones Christi templique Salomonici. Die Gründung von Orden, die den Krieg zu einer ihrer Pflichten erhoben, ist eines der am meisten verstörenden, aber auch bezeichnenden Phänomene in der Geschichte der mittelalterlichen Kirche, weil es zeigt, wie gut sie es verstand, sich in die damalige Kriegergesellschaft einzufügen. Sowohl Balduin II. als auch sein Nachfolger Fulko V., Herr von Anjou und Maine – und Ehemann von Melisende, der ältesten Tochter Balduins, der keine männlichen Nachfolger hatte –, dann König in Jerusalem zwischen 1131 und 1143, überließen dem Orden Ländereien und den Geldwert von zu erhebenden Zehnten und legten damit den Grundstein für die ungeheure politische und wirtschaftliche Macht der Templer. Die militärischen Orden waren die Antwort auf ganz spezifische Bedürfnisse: Im zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts war die Situation der fränkischen Fürstentümer besonders heikel, da es ihnen an Kämpfern fehlte, mit denen die gefährdeten Landverbindungen zwischen den einzelnen Städten gesichert werden konnten. Was man brauchte, war ein stehendes Heer, das den Kampf gegen die Ungläubigen zu seinem festen Auftrag, zu einer Art permanentem Kreuzzug machen würde. Eine hochexplosive Idee, die zwar im Heiligen Land begeistert begrüßt wurde, außerhalb dieses Kontextes jedoch zwangsläufig mit Aufmerksamkeit und Sorge betrachtet werden würde.
Es war sicher nicht leicht, die kriegerische Betätigung mit den klösterlichen Idealen in Einklang zu bringen. Die lateinische Kirche hatte im Gegensatz zur griechischen immer fein unterschieden: Während die griechischen Theologen Mord und Totschlag in jeder Form verurteilten, zogen es die Lateiner vor, Augustinus’ Theorie vom bellum iustum weiterzuentwickeln. Das erlaubte den Christen den Gebrauch von Waffen, sofern die Sache gerecht und legitim war. Davon blieb jedoch die – von den Kanonisten des 11. Jahrhunderts mit allem Nachdruck festgeschriebene – Verpflichtung zur Buße unberührt, wenn man denn einen Bruder in Christus, und sei es mit Recht, getötet hatte. Allerdings hat das Christentum nie ein dem Heiligen Krieg vergleichbares Ideal gekannt, das einer gewaltsamen Verbreitung und Verteidigung des Glaubens gegolten hätte. Krieg blieb dem Geist und den Worten des Evangeliums radikal fremd. Doch bereits mit der Christianisierung des Rittertums und dem propagandistischen Aufruf zur Vertreibung der Mauren von spanischem Boden hatte die Sachlage sich geändert. Zwar hatte die Kirche den Rittern nun edle Ziele gesetzt, wie es die Verteidigung der Unterdrückten, Schwachen, Witwen, Waisen und des Geburtslandes war, forderte sie also dazu auf, nur für gerechte Zwecke zu kämpfen. Dennoch konnte sie in ihrem Schoß keine Männer akzeptieren, deren ureigene Aufgabe das Kämpfen war, ohne ihre Haltung zum Krieg selbst zu überdenken. Zunächst wurde das Problem umgangen, indem man den gedanklichen Schwerpunkt auf die Heiligung des Ritters legte, der durch seinen Tod in einer im Namen des Glaubens geführten Schlacht fast einem Märtyrer gleichkam. Das Martyrium war es, welches das Opfer des christlichen Kriegers rechtfertigte und sublimierte, ihn sogar von seinen vergangenen Fehlern erlöste. Das war viel, aber nicht genug. Es ist vor allem dem Wirken Bernhards von Clairvaux zu verdanken, dass Papst Honorius II. am 13. Januar 1129 auf dem Konzil von Troyes in Anwesenheit des päpstlichen Legaten, des Kardinalbischofs Matthäus von Albano, den Templerorden anerkannte und die ritterlichen Ideale damit vollständig in ein kirchlich normiertes christliches Ethos einband. In seiner Schrift De laude novae militiae, die zusammen mit der 71 Kapitel umfassenden Regel als Manifest des Ordens gilt, wetterte der kurz nach seinem Tod heiliggesprochene Abt von Clairvaux gegen die Weltlichkeit und den Prunk, die private Gewalt und Ruhmsucht der Ritter seiner Zeit. Mit den Templern hielt er ihnen die milites novi entgegen. Diese pries er für ihre völlige Besitzlosigkeit und ihren Kampf gegen die Ungläubigen, der – einmal zur einzigen Daseinsberechtigung erwählt – zu einem psychomachischen Symbol für den Kampf des Guten gegen das Böse wurde, der seit den Tagen der Schöpfung auf kosmischer Ebene geführt und von jedem Christen in seiner Seele wieder und wieder durchlebt wird. Der weltliche Kampf war nun nur noch ein äußerer Ausdruck des geistlichen; die Tötung von Heiden indes wurde zum malicidium.
Balduin II. übergibt den künftigen Tempelrittern einen Flügel des Palastes Salomons zur Nutzung, Miniatur aus einem Manuskript des 13. Jhs. der Historia des Wilhelm von Tyrus (12. Jh.).
Bernhard ging nicht so weit, der Tötung von Ungläubigen Vorschub zu leisten oder ihre Unterdrückung zu befürworten, sofern sie sich weigerten zu konvertieren (auch wenn dies von vielen so gesehen wurde). Der iter hierosolymitanum blieb in jeder Hinsicht ein Verteidigungskrieg gegen die Unterdrücker und ein Kampf zur Befreiung der terra promissionis, welche die Christenheit, die sich als Erbin Israels sah, als ihr Eigentum betrachtete. Seine Verteidigung der Templermiliz und mit ihr der neuen Figur des Mönchskriegers konnte jedoch nicht umhin, eine faktische Neubewertung des Krieges als solchen und unabhängig von seinem Kontext vorzunehmen. Verderbt war das alte Rittertum: non militia, sed malitia, ruft unser Abt in Anlehnung an einen Ausspruch des heiligen Anselm von Canterbury aus. In Gold und Seide gekleidet, den Vergnügungen und dem Luxus zugetan, führten die weltlichen Ritter ungerechte Kriege zwischen Christenmenschen, aus Geldgier, Zorn und eitler Ruhmsucht, ganz so, wie sie es auch in ihren Turnieren hielten. Demgegenüber kämpfen die milites Christi, armati et non ornati, gegen die Heiden und vor allem gegen die Sünde. Ihr Krieg ist ein gerechter Krieg. Damit wird der Templerkrieg fast zu einem »Antikrieg« stilisiert, sind seine Ziele doch der Frieden und die Sicherheit der Christenwelt wie auch das Heil der Seele. Der Tempelritter mit seinem weißen Gewand, das jenem der Zisterzienser glich, und den Waffen aus blankem Eisen, die weder emailliert noch vergoldet waren, gleicht dem Kirchengebäude, wie es der architektonischen und liturgischen Reformbewegung von Cîteaux vorschwebte. Die einzigen Ornamente sind hier der nackte Stein und das reine Licht, das durch Fenster einfällt, die keine vielfarbige Glasmalerei kennen. Auf der Welle dieser Ermahnungen erlebten die Ritterorden einen unvergleichlichen Zuwachs. Sie waren es, die man mit der Kontrolle der wichtigsten Festungen im Heiligen Land betraute. Mut, Disziplin, ihre anfängliche Armut – das waren Eigenschaften, die sie bei allen, auch bei den Muslimen, in hohem Ansehen stehen ließen. Ordenshäuser, Konvente und Kommenden legten sich bald wie ein Teppich über Europa, während immer mehr Hinterlassenschaften und Schenkungen ihre Geldtruhen füllten. Später wurden sie darüber hinaus mit finanziellen Aufgaben betraut, zum Beispiel mit der Eintreibung des Kirchenzehnten. Mit ihrer Finanzmacht erlangten die Templer bald auch politische Bedeutung. Die Ritterorden begannen nun, ihre eigenen Ziele zu verfolgen, verhielten sich wie eigene Staaten in dem Staat, in dem sie agierten. Mit den Sarazenen führten sie Krieg oder handelten Frieden aus, unabhängig von den Bestrebungen der weltlichen Herren des Heiligen Landes. Ihre Streitigkeiten mit Letzteren, aber auch untereinander – die Rivalität zwischen Johannitern und Templern war sprichwörtlich – sollten das Leben der Christen in Outremer überschatten. Und ihr wirtschaftlicher Wohlstand auf vielen Seiten Neid erregen.