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4. Geschützter Kompetenzbereich
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Vom geschützten Kompetenzbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG umfasst sind die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“.
Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind solche, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben und denen gerade als solchen gemeinsam ist, dass sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in einer Gemeinde betreffen.[21]
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„Örtliche Angelegenheiten“ müssen mithin einen Bezug zum Gemeindegebiet („örtlich“) oder zur Gemeindebevölkerung („örtliche Gemeinschaft“) haben.[22] Dies kann im Einzelfall unproblematisch positiv subsumiert werden.
Beispiel
Errichtung und Unterhaltung einer Stadthalle, eines Sportplatzes oder einer Musikschule, die gemeindliche Bauleitplanung etc.
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In zweifelhaften Fällen empfiehlt sich eine Negativabgrenzung zum Tatbestandsmerkmal „örtlicher Bezug“. Der örtliche Bezug wird von den Gemeinden immer dann überschritten, wenn ihre Organe zu überörtlichen Fragen Beschlüsse oder Resolutionen fassen, bei denen der Bezug zum Gemeindegebiet fehlt. Hierbei ist der Inhalt der Erklärung konkret zu ermitteln und zu überprüfen. Anhaltspunkt für einen überörtlichen Bezug ist die fehlende Verbandskompetenz der Gemeinde, z.B. für verteidigungspolitische Fragen (Bundeskompetenz). Allerdings kann das grundsätzlich „überörtliche Thema“ zur örtlichen Angelegenheit werden, wenn das Gemeindegebiet konkret betroffen ist (z.B. Fragen der Stationierung von Atomwaffen auf dem Gemeindegebiet). Man spricht in diesen Fällen von einer „konkreten Realisierungsbetroffenheit“.[23]
In diesem Fall darf sich eine Gemeinde sogar auch vorsorglich und ohne unmittelbar zu benennenden Anlass mit den Auswirkungen im Sinne vorausschauender Vorsorge auf ihrem Gebiet befassen. Keinesfalls sind hingegen allgemein politische Stellungnahmen zu überörtlichen Themen zulässig, die sich nicht absehbar in eine ortsspezifische Betroffenheit aktualisieren können.[24]
Beispiel 1
Wenn der Rat der Gemeinde G gegen die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke eine Resolution beschließt, so fehlt der Gemeinde grundsätzlich die Verbandskompetenz und damit dem Rat auch die Organkompetenz hierzu, da atomrechtliche Fragen gemäß Art. 87c GG der Bundesauftragsverwaltung unterliegen und keine kommunalen Angelegenheiten sind.
Sofern allerdings im Gebiet der Gemeinde G ein Atomkraftwerk betrieben wird oder hierfür entsprechende Planungsabsichten bestehen, kann die Gemeinde hierzu eine Stellungnahme abgeben, da dann eine hinreichend konkrete ortsspezifische Betroffenheit vorliegt. Kommt allerdings aus der gemeindlichen Stellungnahme nur eine allgemein politische Ablehnung der vom Bund zu verantwortenden Atompolitik zum Ausdruck, so könnte ein solcher Beschluss kommunalaufsichtsrechtlich beanstandet werden.
Beispiel 2
Das Freihandelsabkommen „TTIP“ (Transatlantic Trade and Investment Partnership) wurde als völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten verhandelt. Auch wenn dieses Abkommen Auswirkungen auf alle Gemeinden haben würde, führt dies nicht zu einer generellen kommunalen Befassungskompetenz. Ob eine Befassungskompetenz der Gemeinde, verbunden mit der Möglichkeit für den Rat Resolutionen zu beschließen, besteht, hängt vielmehr vom Einzelfall ab. Zulässig sind nur solche Äußerungen, die einen spezifischen örtlichen Bezug benennen und sich auf diesen beschränken. Stellungnahmen mit lediglich allgemeinpolitischem Inhalt sind dagegen wegen der Überschreitung der kommunen Verbandskompetenz rechtswidrig.[25]
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In Angelegenheiten, die dem geschützten Kompetenzbereich unterfallen, wird eingegriffen, wenn ein Hoheitsakt – in aller Regel ein Gesetz – eine örtliche Aufgabe den Gemeinden entzieht und auf andere Verwaltungsträger überträgt.
Beispiel[26]
Der Landesgesetzgeber überträgt die den Gemeinden übertragenen Aufgaben des Einsammelns und Beförderns des Abfalls auf die Kreise. Hierbei handelt es sich um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, da die Abfallentsorgung einen spezifisch örtlichen Bezug hat. Nach Auffassung des BVerfG kann ein solcher Eingriff aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig sein, wenn bestimmte Voraussetzungen beachtet werden wie überwiegende Gründe des Gemeinwohls durch objektiv verbesserte Aufgabenerledigung, eine Rückübertragungsmöglichkeit und ausreichender verbleibender gemeindlicher Aufgabenbestand.